Visionäres Schweizer Volk

Posted on February 28th, 2013, February 28th, 2013 in Uncategorized.

Vor 50 Jahren nahm das Schweizer Volk mit 79,1% Ja-Stimmen den Natur- und Heimatschutzartikel in die Bundesverfassung auf. Damals war die Schweiz eine 2000 Watt-Gesellschaft, das heisst: Sie verbrauchte etwa drei Mal weniger Energie pro Kopf der Bevölkerung als heute. Die Bevölkerungszahl betrug 5,5 Millionen im Vergleich zu 7,9 Millionen heute.

Das Zusammendenken von Ansprüchen der Natur und der Kultur wird heute als Schlüssel für die notwendige Erneuerung in Richtung Nachhaltige Entwicklung gesehen. Die NATUR Messe lanciert ab heute einen breiten Dialog zu zukunftsfähigen Lebensstilen.

Die Tatsache, dass Natur- und Heimatschutz in einem Atemzug genannt und im gleichen Verfassungsartikel verankert wurden, weist auf einen hohen Integrationsgrad von Natur und Kultur im Denken der Schweizer Gesellschaft vor 50 Jahren hin. Der Verfassungstext stellt Artefakte, also vom Menschen geschaffene Werte (zum Beispiel Ortsbilder) auf die gleiche Stufe wie Landschaften und Naturdenkmäler. Und er nennt beide Aspekte, die die Schweiz prägen, aber seither auseinanderdriften, wie selbstverständlich im gleichen Satz.

Aus dem damaligen Zusammenhang heraus ist auch klar, dass die enge Beziehung zwischen Natur und Heimat als identitätsstiftendes Merkmal der Schweiz gesehen wurde. Zur Durchsetzung der Verfassungsbestimmung kann der Bund sogar Enteignungen anordnen «wenn das öffentliche Interesse es gebietet».

Das Zusammendenken von Ansprüchen der Natur und der Kultur, ja sogar von Natur und Gesellschaft, wird heute als Schlüssel für die notwendige Erneuerung in Richtung Nachhaltige Entwicklung gesehen. Der 50 Jahre alte Verfassungstext trägt somit den Keim einer neuen Ära in sich, die allerdings noch bevorsteht. Denn die Schweiz entwickelte sich danach – wie ganz Westeuropa – zu einer Konsumgesellschaft, die den hehren Absichten ihrer Verfassung kaum Rechnung trug. Heute stehen wir an einem Wendepunkt.

An diesem Wendepunkt lanciert die NATUR Messe, die heute in Basel beginnt, einen breiten Dialog zu zukunftsfähigen Lebensstilen, die den Anforderungen einer dichter bebauten und mit höherem Komfortanspruch wirtschaftenden Schweiz entsprechen. 150 Aussteller, darunter etwa die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA), der Kanton Aargau, der Schweizer Tierschutz (STS), aber auch private Anbieter wie Coop, Manor, Weleda oder Soglio zeigen in der Halle 4 der muba auf attraktive und unterhaltsame Art und Weise, wie wir in Zukunft leben können, in Harmonie mit der Natur.

Nun ist diese Anforderung zur Überlebensfrage geworden. Erstaunlich ist dabei bloss, dass die Schweizer Stimmbürger bereits vor 50 Jahren in einem Verfassungsartikel die Anforderungen definiert haben, die wir heute nur noch zu erfüllen brauchen. Mitreden und mit Handeln ist erwünscht an der NATUR Messe – ab heute bis Sonntagabend.

Fingerhuths Fehler

Posted on February 21st, 2013, February 21st, 2013 in Uncategorized.

Oft wurde ich im Laufe der kurzen Bauzeit des ikonischen Messeneubaus von Herzog & de Meuron gefragt, was ich von diesem silbernen Riegel am Messeplatz halte. Schon allein die Frageweise verriet jeweils, dass man von mir ein negatives oder gar abschätziges Urteil erwartete, da ich zu den kritischen, an nachhaltiger Entwicklung orientierten Geistern dieser Stadt zähle. Meine Antwort war in diesen Fällen: Erst wenn das Gebäude steht und der Platz gestaltet ist, kann ich zum Ergebnis Stellung nehmen.

Basel bewegt sich mit dem Messeneubau und dem Roche-Turm in eine neue Massstäblichkeit hinein. Und das ist gut so. Denn nur dieses neue Mass wird es uns erlauben, mit dem Boden haushälterisch umzugehen und Platz zu schaffen für nicht kommerzielle und grüne Freiräume.

Jetzt ist es so weit, und ich muss sagen: Der neue Messeplatz gefällt mir. Zauberhaft ist der nächtliche Blick auf den schwarzen Himmel und den Mond durch die runde Öffnung des Neubaus. Der elegante Schwung des Entrées auf beiden Seiten des gedeckten «Foyers» ist einladend und wird sich hoffentlich bald mit Leben füllen. Natürlich passt die Umgebung jetzt noch nicht ganz dazu. Ein konzentrierter Wandel an dieser Stelle schafft jedoch in den kommenden Jahren ein neues Gravitationsfeld: Mit einer Gruppe Hochhäuser, einer aufgewerteten Rosental-Anlage, der fussgängerfreundlichen Clarastrasse und der guten Tram-Erschliessung wird dieser Teil der Stadt endlich ins Zentrum integriert – womit die lange ersehnte Erweiterung der Innenstadt Realität würde.

Genau in diesem Moment meldet sich aus Zürich der ehemalige Basler Kantonsbaumeister Carl Fingerhuth zu Wort. Er prangert sowohl die Messehalle als auch das im Bau befindliche Roche-Hochhaus an der Grenzacherstrasse wegen «fehlender Massstäblichkeit» an. Beide Projekte, erklärte er im Regionaljournal Basel von SRF und später in der NZZ, seien «stadträumlich ein Verlust für Basel».

Carl Fingerhuth hat grosse Verdienste um die Basler Stadtentwicklung und die hiesige Architekturszene. In seiner Wirkungszeit förderte er durch systematische Auftragsvergabe über Wettbewerbe damals noch kleine Büros wie jenes von Jaques Herzog und Pierre de Meuron. Nur weil diese heute Weltstars sind, ist noch lange nicht alles gut, was sie bauen. Und Kritik ist nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. Umgekehrt ist es stillos, alles klein zu reden, nur weil es in neue Dimensionen vorstösst und von berühmten Architekten stammt, wie es – leider nicht nur in Basel – üblich geworden ist.

Fingerhuths Fehler ist nicht, dass er sich in die Debatte einmischt. Er sollte es aber dann tun, wenn es noch etwas zu diskutieren gibt. Sobald ein Entscheid gefällt und ein Projekt im Bau ist, wäre es weiser zu schweigen und abzuwarten, wie das Ergebnis aussieht. Natürlich bewegt sich Basel gegenwärtig in eine neue Massstäblichkeit hinein. Das ist auch gut so. Denn nur dieses neue Mass wird es uns erlauben, mit dem Boden haushälterisch umzugehen und im engen Perimeter der Stadt Platz zu schaffen für nicht kommerzielle und grüne Freiräume.

Die SVP führt uns in die EU

Posted on February 14th, 2013, February 14th, 2013 in Uncategorized.

Basel-Stadt ist wohl von allen Deutschschweizer Ständen der EU-freundlichste Kanton. Theoretisch müssten wir uns deshalb freuen, dass die SVP unser politisches System in einem entscheidenden Punkt den meisten europäischen Staaten anpassen will: Sie möchte die Volkswahl der Regierung einführen. Kommt die Rechtspartei Ende Jahr mit ihrem Volksbegehren durch, würden Blochers Jünger das ausgeklügelte Gleichgewicht zwischen Regionen und Parteien aus den Angeln heben, das bisher die Bundesratswahlen prägte. Ohne äusseren Zwang würden wir mit EU-Sitten und Gebräuchen gleichgeschaltet.

Die SVP will die Volkswahl der Regierung. Und sie unterwirft ihre Fraktionsmitglieder der Parteidoktrin. Ganz nach dem Vorbild vieler Europäischer Regierungssysteme. Ist die SVP heimlich auf EU-Kurs?

Nationale Wahlkampagnen im Stile von Deutschland oder Frankreich wären die Folge – mit allen Personifizierungen, demagogischen Akzenten und unterhaltsamen TV-Debatten. Ein weiterer Effekt wäre die zusätzliche Polarisierung von Politik und Parteienlandschaft. Rot-grün-christliche Koalitionen würden sich abwechseln mit konservativ-bürgerlich-grünliberalen Regierungen. Faktisch hätten wir ein Zweiparteiensystem mit Beigemüse.

Die SVP-Initiative schlägt die Wahl des Bundesrates nach dem Majorzsystem vor, wobei je ein Sitz für die Romandie und das Tessin reserviert wären. Die Chancen der Nordwestschweiz, in einer solchen Regierung vertreten zu sein, würden gegenüber heute nochmals deutlich geschmälert. Denn die Nominationen der fünf Deutschschweizer Sitze würden sich auf Persönlichkeiten konzentrieren, die aus den bevölkerungsreichen Kantonen stammen, um deren Wahlchancen zu erhöhen.

Ganz entgegen der aktuellen SVP-Doktrin würde die Volkswahl des Bundesrates die Zentralmacht stärken und damit den Föderalismus in Frage stellen. Auch hier käme es zu einer Annäherung an das System, das in den meisten EU-Ländern gilt.

Um bis zu einem allfälligen Erfolg ihres Volksbegehrens nichts anbrennen zu lassen, hat die SVP intern bereits vorgesorgt. Sie bestimmt nämlich seit 2008 in ihren Parteistatuten, dass ein gewählter, aber nicht offiziell von der SVP-Fraktion nominierter SVP-Bundesrat bei einer Wahlannahme automatisch aus der Partei ausgeschlossen wird. Diese Bestimmung degradiert die Vereinigte Bundesversammlung zum erpressbaren Kopfnicker-Gremium. Wenn der Rat nicht den offiziellen SVP-Kandidaten wählt, ist halt kein SVP-Vertreter mehr im Bundesrat.

Diese Zwangsjacke verstösst gegen das Instruktionsverbot der Bundesverfassung. Auch hier führt uns die SVP in europäische Gefilde. Im Deutschen Bundestag beispielsweise, können Abgeordnete von ihren Fraktionsleitungen verpflichtet werden, nach der Parteidoktrin zu stimmen, auch wenn sie persönlich anderer Meinung sind. Das ist dort Teil des Systems. Was die SVP tun würde, wenn nicht das Parlament, sondern das Volk den Falschen aus ihren Reihen wählen würde, ist bis dato unbekannt.

Natur und Kultur

Posted on February 7th, 2013, February 7th, 2013 in Uncategorized.

Am 1. März, kurz nach der Fasnacht, ereignet sich in Basel Historisches. Im Kongresszentrum treffen zwei Bewegungen aufeinander, die sich so noch nie begegnet sind: Die grossen Schweizer Umwelt- und Nachhaltigkeitsorganisationen auf der einen und die Kultur- und Medienszene auf der anderen Seite. Am 8. «NATUR Kongress» (www.natur.ch) werden weit über 600 Entscheidungsträger und Fachleute aus den beiden sonst getrennt agierenden Sphären über eine Zusammenarbeit sprechen. Dies geschieht in Sorge um den sozialen Kitt in der Gesellschaft und den Zustand unserer Umwelt.

Wir schaffen bei uns Wohlstand, doch auf Kosten der Regenerationsfähigkeit von Lebens-grundlagen anderer Menschen. Dagegen formiert sich ein neues Bündnis aus Natur- und Kulturszene. Mit dabei ist auch Bundesrat Alain Berset (Bild; BaZ).

Die Kultur beginnt, sich für die Nachhaltige Entwicklung der Schweiz einzusetzen. Hauptakteure sind Künstlerinnen und Künstler, deren Filme, wie beispielsweise «More than Honey», Preise gewinnen und so viele Zuschauerinnen und Zuschauer ins Kino locken wie selten zuvor. Die NATUR Messe (am zweiten muba-Wochenende) erwartet auch den Auftritt von Performerinnen, die sich mit dem Thema der Zukunftssicherung auf unterhaltsame und zugleich eindrückliche Weise nähern.

Aber auch Medien und Politik mischen sich ein: SRG Generaldirektor Roger de Weck wird sich am NATUR Kongress erstmals zur Verantwortung der Medien für eine Nachhaltige Entwicklung äussern. Und Bundesrat Alain Berset wird in seiner Rolle als Kulturminister den Bogen schlagen  vom Natur- und Heimatschutzartikel in der Bundesverfassung, der gerade 50 Jahre alt geworden ist, zum heutigen Verhältnis zwischen Natur und Kultur. Aus globaler Sicht kommentiert dieses Verhältnis Achim Steiner, der eloquente Generaldirektor des UNO-Umweltprogramms.

Die Kultur wird zum Hoffnungsträger der Nachhaltigen Entwicklung. Das seit der Konferenz von Rio im vergangenen Jahr auch weltweit abgesegnete Konzept der «grünen Wirtschaft» wird es allein nicht richten. Es braucht auch eine «grüne Gesellschaft», das heisst einen Wertewandel, der uns freiwillig und aus innerer Überzeugung zur Energiewende führt, zum Beispiel hin zu erneuerbaren Energien. Oder hin zur Schonung unserer wertvollen Böden und der Artenvielfalt durch biologischen Landbau. Oder zu einem weltweit dringenden, sparsamen Umgang mit Süsswasser, der für die Ernährungssicherheit entscheidend ist.

Dieser Wertewandel ist in erster Linie kultureller Art: Von der Mentalität des «macht Euch die Erde untertan» zur Kooperation mit unserer Umwelt. Keine Tierart zerstört beim Fressen ihre Nahrung, wie der Mensch dies gegenwärtig im globalen Massstab tut. Wir schaffen bei uns Wohlstand, doch auf Kosten der Regenerationsfähigkeit von Lebensgrundlagen anderer Menschen. Hunger, Elend und Kriege um Ressourcen sind die grausamsten Symptome dieser Fehlentwicklung. Der Kongress vom 1. März initiiert eine neue Zusammenarbeit zwischen Natur- und Kulturszene, um diese Frage radikal, von der Wurzel her, anzupacken.