Weshalb Basel wirklich anders tickt

Posted on November 29th, 2012, November 29th, 2012 in Uncategorized.

Die kantonalen Wahlen hat Basel-Stadt glücklich hinter sich gebracht. Das Ergebnis ist politische Stabilität. Im Grossen Rat bekamen nur ganz vereinzelt Neue eine Chance. Der Trend ging in Richtung Wiederwahl Bisheriger und Rückkehr profilierter Köpfe nach einer Pause.

Das Standortmarketing hat den Spruch «Basel tickt anders» vor zehn Jahren in die Welt gesetzt. Alle Versuche, den Slogan wieder los zu werden, sind gescheitert. Dafür gibt es vier gute Gründe.

Die einzige wirkliche Veränderung ist die Wahl von Guy Morin zum Regierungspräsidenten. Vor vier Jahren war er noch ohne Konkurrenz in dieses Amt gehievt worden. Dass es diesmal eine echte Auswahl gab, verdanken wir Baschi Dürr, dem gewählten neuen Regierungsrat. Aufgrund des Vertrauensvotums der Wählenden ist Morin legitimiert, «mehr Gas» zu geben, wie er am Wahltag sagte, also seine Ideen stärker einzubringen.

Es ist zu hoffen, dass er dieses Versprechen hält. In vielen Bereichen agierte das rot-grüne Basel bisher «mit gebremstem Schaum». Dabei hat kaum eine Regierung in Europa so viel Gestaltungsspielraum auf ihrem Territorium wie die hiesige Exekutive.

Die Schweiz delegiert ohnehin viele Kompetenzen, die in anderen Ländern zentral gebündelt sind, in die Regionen. Obendrein sind in Basel die Kompetenzen von Kanton und Gemeinde in einer einzigen Hand vereint. Während beispielsweise Zürich oder Bern von ihren Kantonen beaufsichtigt und zuweilen auch gegängelt werden.

Schon allein diese Machtfülle von Regierung und Parlament und der direkte Draht nach Bundesbern (der Kantonen vorbehalten ist) lässt Basel und die Basler Politik «anders ticken».

Der entscheidungsstarke Stadtstaat stösst aber an enge geografische Grenzen: Umzingelt von Südbaden, dem Elsass und Baselland, ist Basel zur Kooperation gezwungen. Keine übergeordnete Behörde regelt diese Zusammenarbeit. Sie basiert auf freiwilligem Interessenausgleich. Das gilt sogar für die innerkantonale Kooperation von Basel, Riehen und Bettingen.

Drittens sind in Basel Wirtschaft und Staat finanziell äusserst gesund. Der Kanton kann sich deshalb Investitionen leisten, die den Standort zusätzlich stärken.

Schliesslich schwebt über diesem Paradies ein «memento mori»: Die ständige Erinnerung daran, dass jederzeit ein neues grosses Erdbeben wie 1356 der ganzen Pracht ein abruptes Ende setzen könnte. Das sprichwörtliche «Basler Understatement» und der selbstironische Humor haben ihren Ursprung in diesem Bewusstsein.

Aus diesen vier Gründen hält sich der Slogan «Basel tickt anders» hartnäckig. Das Standortmarketing hat ihn vor zehn Jahren in die Welt gesetzt. Alle Versuche derselben Instanz, den Slogan wieder los zu werden, sind gescheitert. Denn der kurze, prägnante Satz trifft den Nagel auf den Kopf.

Wir sind kein Disneyland

Posted on November 22nd, 2012, November 22nd, 2012 in Uncategorized.

Jakarta ist definitiv zu gross. Wer nicht dort geboren wurde oder arbeiten muss, meidet die indonesische Kapitale. Der Moloch leidet unter permanenten, kilometerlangen Staus, Armut, schlechter Luft und einem desorganisierten öffentlichen Verkehr. Dennoch wohnen 28 Millionen Menschen in dieser Agglomeration, davon 10 Millionen in der besonders unwirtlichen Kernstadt.

Willkommen, Daniel Egloff, als neuer Akteur der Stadtentwicklung! Der Direktor von Basel Tourismus trommelte am Montag einen erlauchten Kreis zusammen, der sich über das Thema «marktgerechte Stadt» beugte. Das wirft Fragen auf.

Die solothurnische Juragemeinde Büren ist definitiv zu klein. Wer nicht in der Gegend geboren wurde oder arbeiten muss, ist höchstens zufällig dort, zum Beispiel weil die Häuser billig sind. Trotz aktivem Dorfleben ist Büren für Aussenstehende eher eine geschlossene als eine aufgeschlossene Gesellschaft.

Nichts gegen Jakarta oder Büren, doch was ist die ideale Grösse einer attraktiven, kulturell und wirtschaftlich erfolgreichen Gemeinde? Sie liegt irgendwo dazwischen. Aus touristischer Sicht wird eine Stadt zum Erlebnis, wenn sie es erlaubt, an einem Tag möglichst viel zu unternehmen. In Echtzeit teilte etwa eine junge Besucherin der dänischen Stadt Aarhus auf Facebook ihr Glücksgefühl: «Ich habe eine geführte Stadtrundfahrt unternommen, spazierte im Hirschpark im Umland, kam zurück, besuchte ein Freilichtmuseum und den Botanischen Garten, trank eine Schokolade in einem schönen Kaffeehaus – und es ist erst 7 Uhr abends!» Die Hafenstadt Aarhus von der Grösse Basels sei eine «perfect size city», schlussfolgerte die Touristin.

Am Montag dieser Woche lud Daniel Egloff, Direktor von Basel Tourismus, zum ersten «Basler Tourismustag». Eine 20-köpfige, prominente Runde aus Politik, Wirtschaft und Kultur beugte sich über die Frage: «Wo liegen die touristischen Herausforderungen der Zukunft für die Destination Basel?» Im Jahresbericht des Fremdenverkehrs-Vereins hatte Egloff als Ziel für dieses Treffen formuliert: «Wir werden erkunden, wo die Reisebedürfnisse 2020 liegen werden und welche Massnahmen Basel jetzt treffen muss, um mit einer ‹marktgerechten› Stadt im Wettbewerb der Zukunft bestehen zu können.»

Das lässt aufhorchen. So lange sich Basel Tourismus auf die Werbung für Basel konzentrierte, ging uns das wenig an. Wenn aber eine «marktgerechte Stadt» zur Diskussion steht, ist das eine Frage, die alle betrifft. Denn wir sind kein Disneyland. Wir leben hier. Einen Grund, die Alarmglocke zu ziehen, gibt es allerdings nicht. Wie das Beispiel Aarhus zeigt, ist eine lebenswerte Stadt mit kurzen Wegen auch für Touristinnen und Touristen attraktiv.

Wenn sich neu auch der Tourismus für unsere Lebensqualität engagiert, ist das begrüssenswert. Und als «right size city» hat Basel die besten Voraussetzungen dafür, dass die beiden Ziele Lebensqualität und Attraktivität für Tourismus harmonieren. Die Ziele, die Rolle und der Einfluss des neuen Stadtentwicklungs-Akteurs Basel Tourismus müssen aber transparent und öffentlich sein.

Krippen statt Gripen

Posted on November 15th, 2012, November 15th, 2012 in Uncategorized.

Es ist Zeit, zwei Dinge zusammen zu denken: Krippen und Landesverteidigung. Das wurde mir klar, als ich die zahlreichen Reaktionen auf meine Kolumne von letzter Woche las (BaZ vom 8. November: 52 000 Franken für zwei Kinder).

Ist der Kampfjet Gripen die richtige Antwort auf unsere heutige Bedrohungslage? Hilft er, den Graben zwischen Arm und Reich zu schliessen? Schafft er uns Integrationsprobleme vom Hals? Löst er Religionskonflikte? Die Gefahr kommt heute nicht aus der Luft, sondern von ganz anderswo her. (Bild: Saab)

Viele Leserinnen und Leser bestätigen, dass es sich für junge, berufstätige Eltern auszahlen kann, weniger zu arbeiten. Dann sinken nämlich die Steuern, während die Zuschüsse an Krippe und Krankenkasse steigen. Andere forderten von Müttern und Vätern Karriereverzicht. So auch der Blogger «Manuel»: «Wenn beide Elternteile 100% arbeiten, dann stellt sich doch etwas die Frage, wieso man dann überhaupt Kinder hat.» Dem hielt «Christian» entgegen: «Wir arbeiten beide 100% und verbringen trotzdem viel Zeit mit unseren Kindern.» Es liegt mir fern, die eine gegen die andere Lebensform auszuspielen. Ich wollte nur darauf hinweisen, wie Gesetze Menschen dazu bewegen können, ihren Beruf aufzugeben.

Solche staatliche Lenkung ist schon allein aus Sicht der Gleichstellung von Mann und Frau fragwürdig. Wenn die meist schlechter verdienende Frau ihre Berufstätigkeit stark reduziert, verliert sie ihre finanzielle Unabhängigkeit. Noch negativer wirkt sich die fiskalische Kinderklippe auf ärmere, meist schlecht integrierte Migrantenpaare aus, die zusammen 200% oder mehr arbeiten müssen, um zu überleben. Um Krippenkosten zu sparen, behelfen sich diese mit privaten Hütediensten, etwa von überforderten Geschwistern oder Grossmüttern, die kaum Deutsch sprechen.

Ein wesentlich höherer Steuerabzug für die Betreuung in der Krippe wäre für diese Eltern ein wirksamer Anreiz, um ihre Kleinen von Anfang an in ein Tagesheim zu schicken. Der frühzeitige Spracherwerb ist die billigste Prävention gegen spätere Arbeitslosigkeit, das Abrutschen in die Kriminalität oder psychische Krankheiten. Davon sind in allen Fällen überdurchschnittlich oft Menschen mit Integrationsschwierigkeiten betroffen.

Womit wir beim Gripen wären. Ist ein neuer Kampfjet die richtige Antwort auf unsere heutige Bedrohungslage? Hilft er, die sich öffnende Schere zwischen Arm und Reich zu schliessen? Schafft er uns Integrationsprobleme vom Hals? Verringert er die Folgekosten? Löst er interreligiöse Konflikte? Fördert er die Emanzipation? Die Gefahr kommt heute nicht mehr aus der Luft, sondern vom drohenden Verlust des gesellschaftlichen Kitts.

Deshalb ist ein Mann wie der Basler Stadtentwickler Thomas Kessler, der sich seit Jahrzehnten und überkantonal mit Fragen des Zusammenlebens befasst, ein Sicherheitsexperte. Ueli Maurer hingegen ist ein Militärpolitiker, der uns nicht erklären kann, wovor uns seine neuen Flugzeuge schützen sollen. Im Vergleich zu Investitionen in Krippen jedenfalls, zielen die Gripen voll daneben.

52 000 Franken für zwei Kinder

Posted on November 8th, 2012, November 8th, 2012 in Uncategorized.

Fast alle Parteien stellten im Basler Wahlkampf Steuersenkungen für den Mittelstand in Aussicht. Kaum ist der Grosse Rat gewählt, wollen rechte Parteien erneut die Unternehmen entlasten. Obwohl das Volk erst kürzlich dagegen gestimmt hat.

Die heutigen Steuergesetze und Subventionen verunmöglichen es beinahe, Kinder und Karriere zu verbinden. Die staatlich verordnete Wahl lautet: Entweder – oder. Dies zu ändern könnte eine Kernaufgabe des neuen Grossen Rates sein. (Bild: Keystone)

Dabei gibt es einen Ausweg, der sowohl dem Mittelstand nützt als auch die Wirtschaft zufrieden stellt: Die gezielte Senkung der Steuern für Familien mit Kindern. Wer in Basel ein Kind hat, darf zwar 10 000 Franken vom Einkommen abziehen und erhält Kinderzulagen. Diese Vergünstigungen kompensieren aber längst nicht die Kosten für die Tagesbetreuung der Kleinen.

Wenn nach einer gewissen Zeit beide Elternteile wieder ihrem Beruf nachgehen wollen, werden sie regelrecht abgestraft. Denn ab einem gemeinsamen Einkommen von gut 13 000 Franken pro Monat oder 160 000 Franken pro Jahr, gibt es keine staatlichen Zuschüsse für Krippenplätze mehr. Es fallen die vollen Kosten von rund 2200 Franken pro Kind und Monat an. Für zwei Kinder sind das jährlich 52 000 Franken oder fast ein Drittel des Einkommens. Wenn ein weiteres Drittel für Miete und Krankenkasse und ein erklecklicher Betrag für kantonale und eidgenössische Steuern weg gehen, bleibt am Ende fast nichts übrig, bevor die Familie den ersten Laib Brot gekauft hat.

Im Moment gibt es nur zwei Möglichkeiten, um dem abzuhelfen: Entweder die Familie verdient viel mehr oder viel weniger. Da mehr verdienen nicht einfach ist, wählen viele Paare – unfreiwillig – die zweite Option:  Um zu vermeiden, dass Ihr Beruf zum brotlosen Hobby mutiert, verlassen meist die Frauen ihren angestammten Beruf oder arbeiten nur noch Teilzeit, zum Beispiel 40%. Dann sinken die Steuern, die Kinderbetreuungskosten werden subventioniert, ebenso die Krankenkassenprämien.

Die Arbeitswelt verliert eine Fachkraft, in deren Ausbildung der Staat über Jahrzehnte investiert hat. Wenn ein Elternteil zu arbeiten aufhört oder sein berufliches Engagement stark reduziert, sinkt auch das Familieneinkommen. Der Kanton verliert Steuereinnahmen, während seine Ausgaben steigen: Es werden Subventionen für die Verbilligung der Krankenkassenprämien und die Kinderbetreuung fällig. Es gibt also nur Verlierer.

Das Steuersystem könnte hier Abhilfe schaffen. Zum Beispiel mit einem deutlich höheren Kinderabzug. Dieser würde sich für den Kanton möglicherweise sogar finanziell lohnen, weil der Anreiz wegfallen würde, aus ökonomischen Gründen die Berufstätigkeit einzuschränken. Die Steuereinnahmen würden steigen. Die heutigen Verhältnisse verunmöglichen es beinahe, das Kinderhaben mit einer Karriere zu verbinden. Die staatlich verordnete Wahl lautet: Entweder – oder. Dies zu ändern muss eine Kernaufgabe des neuen Grossen Rates sein. In vier Jahren werden wir ihn daran messen.

Kantonalbank braucht Neustart

Posted on November 1st, 2012, November 1st, 2012 in Uncategorized.

Hans Rudolf Matter tritt als Chef der Basler Kantonalbank zurück, weil sich das Anlagevehikel ASE als Reinfall erwies. Er übernehme die Verantwortung, liess Matter verlauten. Den Bankrat treffe keine Schuld. Auch Bankrats-Präsident Andreas Albrecht (LDP) versicherte, zu weit weg vom Debakel gewesen zu sein.

Der Skandal um die Basler Kantonalbank ist mit dem Rücktritt des Geschäftsleiters nicht erledigt. Denn das Problem ist nicht der mutmassliche Betrug der ASE Investment AG, sondern die Bankenstrategie. Dazu gibt es Alternativen. Gefordert ist vor allem der Grosse Rat. (Bild: Joël Gernet)

Die BaZ höhnte, die linken Bankräte hätten es verpasst, das staatliche Finanzinstitut nach ihren antikapitalistischen Massstäben zu steuern. Eine Bank kann aber im Kapitalismus gar nicht antikapitalistisch funktionieren. Ihr Kerngeschäft besteht darin, wirtschaftliche Tätigkeiten mit Spargeldern vorzufinanzieren. Als Gegenleistung erhält der Kreditgeber Zins.

Dieses System ist sehr dynamisch, da es dreierlei bewirkt: Erstens schafft es den Anreiz zu sparen, weil sich nicht konsumierte Überschüsse profitabel ausleihen und damit vermehren lassen. Zweitens können auch arme Leute gute Ideen realisieren, indem sie sich das nötige Kapital gegen Zins borgen. Schliesslich garantiert der Zins eine effiziente Geldanlage. Weil Geld kostet, wird nicht mehr ausgeliehen, als unbedingt nötig.

Natürlich hat der Kapitalismus auch Schattenseiten. So können zu tiefe Preise für natürliche Ressourcen Ökosysteme kollabieren lassen. Und die Geldverleihung gegen Zins führt tendenziell zu einer ungerechten Verteilung der Vermögen: «Wer hat, dem wird gegeben», erkannte schon Jesus in der Bergpredigt.

Von einer Staatsbank erwarten wir, dass sie im öffentlichen Interesse die Vorteile des Kapitalismus nutzt, deren Nachteile aber möglichst vermeidet. Indem sie sich anständig verhält und nicht bloss die Gewinne maximiert. Die Basler Kantonalbank sollte sich also nicht auf globalen Finanzmärkten tummeln, um dort gewissenlos abzuzocken. Genau dies versprach jedoch das ASE-Anlagevehikel, unabhängig davon, ob es betrügerisch war oder nicht.

Offenbar fehlt der Kantonalbank eine klare Leitlinie, die solche Aktionen verunmöglicht. Für die Strategie sind der Bankrat und seine Wahlbehörde, der Grosse Rat, zuständig. So wie die Industriellen Werke Basel (IWB) einen Leistungsauftrag haben, der den Bezug von Atomstrom untersagt, kann auch der Kantonalbank verboten werden, in spekulative Papiere zu investieren, die dem regionalen Gewerbe nichts bringen. Dies ist offenbar nicht geschehen.

Deshalb greift der Rücktritt des Geschäftsleiters zu kurz. Die Kantonalbank braucht einen Neustart mit einem neuen Leistungsauftrag. Dieser könnte lauten: Priorität hat die Finanzierung von Industrie, Dienstleistungen und Gewerbe mit Spargeldern aus der Region für die Bedürfnisse der Region. Diese Bedürfnisse würden bei weitem ausreichen, um den Anlage-Appetit auch einer bedeutend grösseren Kantonalbank zu befriedigen.