Die Krux mit der BaZ

Posted on January 26th, 2012, January 26th, 2012 in Uncategorized.

Ein alter Bekannter tippte mir kürzlich in der Warteschlange eines Bahnhofskiosks auf die Schulter. Ich hatte gerade die BaZ erstanden (weil mein abonniertes Exemplar zuhause liegen geblieben war). «Kaufst Du noch die BaZ?», fragte er entrüstet. «Ja», antwortete ich. «Ich boykottiere sie konsequent wegen Blocher und Somm», gab der Kollege zurück. Wir gingen gemeinsam Richtung Rolltreppen. Da kam ihm in den Sinn: «Klar liest Du die BaZ, du schreibst ja auch regelmässig eine Kolumne, da musst du sie haben.» Da war ich baff: «Woher weisst du das, wenn du die BaZ boykottierst?» Wir mussten beide lachen.

Wollen wir wirklich den Zusammenbruch der BaZ? Was wäre die Alternative? Wahr-scheinlich ein Kopfblatt der NZZ oder des Tages-Anzeigers, deren Besitzer ebenfalls klar bürgerlich positioniert sind. Basel braucht eine unabhängige Tageszeitung mit Absender Basel und Basler Identität.

Wohin ich auch gehe, werde ich so angesprochen. Eine Zeit lang war der Ton eher aggressiv, neuerdings neugierig, ob ich nie zensuriert würde. Ich verneine. In solchen Gesprächen fällt mir regelmässig auf, dass viele, auch bürgerliche Leser, die heute noch die BaZ im Briefkasten haben, ernsthaft ankündigen, bei der nächsten Abo-Rechnung auszusteigen. Daraus schliesse ich, dass die Erosion der BaZ-Abonnentenzahl noch mindestens ein Jahr weiter gehen wird. Das ist existenzbedrohend. Denn ohne Leserinnen und Leser gibt es auch keine Inserate mehr.

Die «Rettet Basel»-Bewegung hat inzwischen fast 20 000 namentlich bekannte Fans. Diese und viele andere würden eher einen Zusammenbruch der BaZ in Kauf nehmen als eine Zeitung, die Christoph Blocher finanziert und Markus Somm leitet. Wegen Querschlägern unter die Gürtellinie aus der Feder des Chefredaktors und neoliberalen Hintermännern wird die BaZ als rechtes Kampfblatt wahrgenommen. Jeder Artikel mit Rechtsdrall gilt als «typisch BaZ», eher links eingefärbte Beiträge werden als «Feigenblätter» apostrophiert. Die Fronten sind verhärtet.

Der heutige Verleger, Tito Tettamanti, hat sich das Problem selbst eingebrockt, indem er und seine Entourage die frühere BaZ öffentlich als «linke Zeitung» einordneten. Dies ist natürlich Mumpitz. Die frühere BaZ war zu besten Zeiten ein Forumsblatt, politisch meist ein Eunuch. Oft war sie deshalb langweilig im Vergleich zum farbenfrohen Strauss an journalistischen Leistungen und Meinungen, die uns heute täglich freuen oder ärgern.

Die Frage stellt sich: Wollen wir wirklich den Zusammenbruch der BaZ? Was wäre die Alternative? Wahrscheinlich ein Kopfblatt der NZZ oder des Tages-Anzeigers, deren Besitzer übrigens auch klar bürgerlich positioniert sind. Unbestritten ist: Basel braucht eine unabhängige Tageszeitung mit Absender Basel und Basler Identität. In welcher Form die BaZ dies leisten kann, ist offen. Sie leichtfertig abserviert zu haben, könnte manchen später reuen.

Aber eben: Die Wahrnehmung ist entscheidend. Auf dem Weg in den Abgrund ist ein Zwischenhalt zu empfehlen. Es wäre Basel zu wünschen, dass sich das Blatt noch wenden lässt.

Mehr Parkplätze = weniger Drämmli

Posted on January 19th, 2012, January 19th, 2012 in Uncategorized.

Christophe Haller, Präsident des TCS beider Basel, träumt von der autogerechten Stadt. Daher wirkt er führend im Komitee «Ja zur Parkrauminitiative» mit. Seine Initiative möchte den Bau von neuen Tiefgaragen und Parkhäusern fördern und die Erstellung von Parkplätzen in Vorgärten und Hinterhöfen ermöglichen, sowohl in den Quartieren als auch in der Innenstadt.

Die schlimmste Auswirkung einer Annahme der Parkrauminitiative wäre nicht der Bau von neuem Parkraum oder der zusätzliche Verkehr, sondern der Abbau bei Tram und Bus, der dadurch drohte.

Wenn Sie an einen Ort fahren wollen, tun Sie das nur, wenn es dort einen Parkplatz hat. Es gilt die einfache Formel: Ohne Parkplatz kein Autoverkehr. Und je mehr Parkplätze um so mehr Zu- und Wegfahrten. Je näher ein Parkplatz beim Zentrum liegt um so begehrter und teurer ist er. Je teurer ein Parkplatz ist, um so kürzer wird darauf parkiert. Je kürzer parkiert wird um so öfter führt dies zu Verkehrsbewegungen.

Zusammengefasst: Je zentraler der Parkplatz um so grösser der finanzielle Anreiz, ihn zu bauen und um so mehr Verkehrsbewegungen erzeugt er. Deshalb sind besonders Parkplätze im Stadtzentrum Gift für die verstopften Verkehrswege: Sie führen zu deutlich mehr Autoverkehr, mehr Lärm, Verunstaltung, Gefahren und Gestank (vor allem auch im Vergleich zu billigen Parkplätzen in den Quartieren, wo manchmal tagelang die gleichen Autos abgestellt sind). Diese Schattenseite ist allen bekannt.

Aber es gibt noch eine andere Konsequenz, über die kaum jemand spricht: Jeder zusätzliche Autofahrer ist ein Bus- und Trampassagier weniger. Wenn die Nachfrage nach den Leistungen des öffentlichen Verkehrs sinkt, wächst die Gefahr, dass Kurse gestrichen und ganze Linien ausgedünnt werden. Und es wird weniger investiert. Die reduzierte Attraktivität des öffentlichen Verkehrs bietet wiederum einen neuen Anreiz,  mit dem Auto zu fahren, wodurch die Nachfrage nach Parkplätzen steigt. Mehr Parkplätze bedeuten wieder mehr Autos auf der Strasse. Ein Teufelskreis kommt in Gang.

Die Bevorzugung des öffentlichen Verkehrs mit eigenen Spuren und Grünphasen an den Ampeln gerät unter Druck, wenn die Autos öfters in Kolonnen neben einer freien Tram- und Bus-Trasse stehen. Bald ist es vorbei mit dem Vortritt der BVB. Wer dies nicht glaubt, schaue um ein paar Jahrzehnte zurück, als die «Drämmli» noch regelmässig im Autoverkehr stecken blieben (wie heute noch manche Busse). Oder blicke nach Genf, wo Trams wegen Autoschlangen nicht vorwärts kommen.

Die schlimmste Auswirkung einer Annahme der Parkrauminitiative oder des Gegenvorschlags wäre nicht der Bau von neuem Parkraum oder der zusätzliche Verkehr, sondern der Abbau bei Tram und Bus, der dadurch drohte. Getroffen würden die Schwachen, die Alten und die Jungen, die sich noch kein Auto leisten können.

Wie der Baum ins Sarasin-Logo kam

Posted on January 12th, 2012, January 12th, 2012 in Uncategorized.

Die Schlange war listiger als alle Tiere des Feldes, die Gott der Herr gemacht hatte; und sie sprach zum Weibe: «Hat Gott nicht gesagt, ihr dürft essen von jedem Baum im Garten?» Da sprach das Weib zur Schlange: «Wir essen von der Frucht der Bäume im Garten, aber von der Frucht des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon und rührt die Früchte auch nicht an, damit ihr nicht sterbet!» Da sprach die Schlange zum Weibe: «Ihr werdet sicherlich nicht sterben! Sondern Gott weiss: Am Tage, da ihr davon esset, werden eure Augen aufgetan und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.»

Adam sprach: «Das Weib, das du mir zugesellt hast, die gab mir von dem Baum, und ich ass!» Da sprach Gott der Herr zum Weibe: «Warum hast du das getan?» Das Weib antwortete: «Die Schlange verführte mich, dass ich ass!».

Als nun das Weib sah, dass von dem Baume gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen und ein wertvoller Baum wäre, weil er klug machte, da nahm sie von dessen Frucht und ass und gab zugleich auch ihrem Mann davon, und er ass.

Da wurden ihrer beider Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren; und sie banden Feigenblätter um und machten sich Schürzen. Und sie hörten die Stimme Gottes, des Herrn, der im Garten wandelte beim Wehen des Abendwindes; und der Mann und sein Weib versteckten sich vor dem Angesicht Gottes des Herrn hinter den Bäumen des Gartens.

Da rief Gott der Herr dem Mann und sprach: «Wo bist du?» Adam sprach: «Ich hörte deine Stimme im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum verbarg ich mich!» Da sprach Gott: «Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du etwa von dem Baum gegessen, davon ich dir gebot, du sollest nicht davon essen?» Da sprach Adam: «Das Weib, das du mir zugesellt hast, die gab mir von dem Baum, und ich ass!» Da sprach Gott der Herr zum Weibe: «Warum hast du das getan?» Das Weib antwortete: «Die Schlange verführte mich, dass ich ass!»

Da sprach Gott der Herr zur Schlange: «Weil du solches getan hast, so seist du verflucht vor allem Vieh und vor allen Tieren des Feldes!» (…) Und zum Weibe sprach er: «Ich will dir viele Schmerzen durch häufige Empfängnis bereiten; mit Schmerzen sollst du Kinder gebären; und du sollst nach deinem Manne verlangen, er aber soll herrschen über dich!» Und zu Adam sprach er: «Dieweil du gehorcht hast der Stimme deines Weibes und von dem Baum gegessen, davon ich dir gebot und sprach: ,Du sollst nicht davon essen’, verflucht sei der Erdboden um deinetwillen, mit Mühe sollst du dich davon nähren dein Leben lang (…). Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen, bis dass du wieder zur Erde kehrst, von der du genommen bist; denn du bist Staub und kehrst wieder zum Staub zurück.» (1. Buch Moses, Kapitel 3).

La ballade des gens heureux

Posted on January 5th, 2012, January 5th, 2012 in Uncategorized.

Gerhard Lips findet es normal, dass Menschen spontan auf Strassen und Plätzen festen. Selbst wenn Hunderte zusammentreffen oder gar Tausende, wie bei einer Meisterfeier, braucht es dafür nach Ansicht des Basler Polizeikommandanten weder eine Bewilligung noch ist das ein Sicherheitsproblem. Die blosse Bildung von feucht-fröhlichen Menschentrauben zu beargwöhnen oder gar zu bekämpfen, würde in der Tat einen Polizeistaat wie in Weissrussland bedingen.

Die von Regierungsrat Carlo Conti (im Bild ganz rechts) geforderte Orientierung an Potenzialen (neue Wohnungen, „Life Sciences“, Kulturstadt) ist für Basel gut und wichtig. Ein zentraler Vor-satz für 2012 müsste jedoch lauten, wieder einmal die Defizite der Stadt genauer unter die Lupe zu nehmen und Strategien für die Leidtragenden umzusetzen.

Dennoch erschallt in solchen Fällen vermehrt der Ruf nach «Ruhe und Ordnung». Das wachsende Unbehagen steht auch im Zusammenhang mit Gewaltakten gegen willkürlich herausgegriffene Opfer auf der Strasse. Ein drittes Phänomen, das manche beschäftigt, ist der Themenkomplex «Littering», Schmierereien und Vandalismus. In der Weihnachtszeit spitzten sich überdies gefährliche Konflikte im Verkehr zu. Laut Bevölkerungsbefragung fühlen sich die Menschen unsicherer als früher.

Wenn der öffentliche Raum zur Kampfzone wird, ist dies ein Warnsignal für den Zustand der Gesellschaft. Je stärker die kommerzielle Nutzung des öffentlichen Raums dominiert, um so mehr drängen Benachteiligte mit störendem oder illegalem Verhalten auf den Marktplatz der Aufmerksamkeit. Die tiefer liegende Ursache des Aufruhrs ist jedoch die wachsende Diskrepanz zwischen oben und unten, zwischen politisch, wirtschaftlich und kulturell Beteiligten und Personen, die aussen vor bleiben.

Das Ventil der Unrast lässt sich nur beschränkt mit polizeilichen Mitteln abdichten. Gesellschaftliche Polarisierung führt speziell wenn Krisen drohen zu Hass und Häme. Sozialer Ausgleich war die Grundlage der früher sprichwörtlichen Basler Toleranz und Gelassenheit. Auf dieses Kerngeschäft sollten sich die Sozialdemokraten besinnen, wenn sie sich in der Sicherheitspolitik engagieren wollen. Als Regierungsrat Carlo Conti letzten Montag, am Neujahrsempfang der Basel-Städtischen Exekutive, von «verhältnismässig kleinen» Problemen sprach, täuschte er sich.

Zwar gibt es eine breite, wohlhabende Ober- und Mittelschicht, die mit dem Französischen Barden Gérard Lenorman das Lied der glücklichen Menschen («La ballade des gens heureux») singt. Daneben wächst aber die Zahl der Unzufriedenen. Dieser Gruppe zuzuhören, ihre Sorgen und Nöte, die nicht nur materieller Art sind, aufzugreifen, würde Zeit und ein wenig vom wachsenden Bruttosozialprodukt kosten. Dies lohnte sich jedoch, um die Stadt wirklich ganzheitlich zu entwickeln. Die Orientierung an Potenzialen (neue Wohnungen, «Life Sciences», Kulturstadt) ist gut und wichtig. Ein zentraler Vorsatz der Regierung für 2012 müsste jedoch sein, wieder einmal die Defizite Basels genauer unter die Lupe zu nehmen und Strategien für die Leidtragenden umzusetzen.