Mein T-Shirt und die Messe

Posted on December 6th, 2012, December 6th, 2012 in Uncategorized.

«Made in Bangladesh». Wenn diese drei Wörter auf dem Etikett meines preisgünstigen T-Shirts stehen, dann weiss ich: Das Stück wurde in einer mega-miesen Fabrik genäht. Letzte Woche brannte erneut ein solcher Betrieb nieder. 121 Menschen starben. Der Besitzer hatte aus Kostengründen Brandschutz und Notfallplanung weggespart.

Coop, Manor und Migros können im fernen Asien die Produktion von T-Shirts im Detail nachvollziehen. Die Messe und ihr Generalunternehmer empfinden es als «eine Illusion», die Löhne auf ihrer Basler Baustelle zu kontrollieren. Da stimmt etwas nicht.

«Unser Mitgefühl gilt den Opfern dieses furchtbaren Unglücks sowie deren Familien und Angehörigen», sagte ein Sprecher von C&A. Denn C&A war einer der Hauptauftraggeber der Fabrik. Als Käufer eines T-Shirts für neun oder elf Franken würde ich mich mitschuldig fühlen. Denn mein Schnäppchen wäre das Unglück der anderen.

Deshalb sind Kampagnen wirksam, die auf Blut, Schweiss und Tränen aufmerksam machen, die hinter solchen Klamotten stecken. Die Alternative sind Qualitätslabel. Ob Naturaline von Coop, Respect von Manor oder Eco von Migros – die Detailhändler und auch Max Havelaar schicken ihre Experten vor Ort, in die Betriebe, auf die Felder, um die Herstellung vom Rohstoff bis zur Kollektion minutiös zu überwachen.

Szenenwechsel zum Messeplatz. Auf der Baustelle der silbernen Halle von Herzog & de Meuron entdeckten staatliche Kontrolleure wiederholt Stundenlöhne von 14 Franken. Damit wurden etwa polnische Fremdarbeiter abgespeist. Der Minimallohn liegt bei 26 Franken. Und der ist schon zu tief. Natürlich sind alle entsetzt, aber das System bleibt. Der Auftraggeber MCH Group ist weit weg vom Unter-Unter-Unter-Unterakkordanten, bei dem die Unglücklichen beschäftigt waren.

Am Montag dieser Woche liess die MCH Group verlauten: «Die Bauarbeiten für die Fertigstellung des Neubaus der Messe Basel verlaufen gemäss Zeitplan. Die Weltmesse für Uhren und Schmuck BASELWORLD wird am 25. April 2013 ihre Tore pünktlich und planmässig öffnen können.»

Aber wie? Martin Kull, Geschäftsleiter und Mitinhaber der verantwortlichen HRS Generalunternehmung Frauenfeld, verteidigte sich gleichentags auf «Telebasel». Es sei «eine Illusion», die Gehälter von 1000 Arbeitern auf der Baustelle kontrollieren zu wollen. Eine faule Ausrede angesichts der täglichen Praxis von Kaufhäusern, die komplexe Produktionsprozesse von Kleidern im fernen Asien bis zur letzten Faser nachvollziehen.

Die Verantwortung, Unfälle, Lohndumping und überlange Arbeitszeiten zu unterbinden, liegt bei Kull und dem Auftraggeber MCH Group. An dieser hält die öffentliche Hand 49%. Der Messebau wird nicht in Bangladesch errichtet, sondern vor unseren Augen. Basel wird in den nächsten Jahren einige Grossprojekte in Angriff nehmen. Billig, billiger am billigsten und schnell, schneller am schnellsten dürfen dabei nicht mehr der Massstab sein.

Dieser Beitrag reflektiert die Meinung der Autorin / des Autors und nicht zwingend diejenige der Redaktion.

2 Responses to 'Mein T-Shirt und die Messe'

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  1. Wolfgang Lamont said,

    December 6th, 2012, 19:56

    Leider gräbt die BAZ wieder mal nur am Humus. Am Ende die Verantwortung dem GU in die Schuhe schieben ist mir zu einfach. Würde man etwas tiefer recherchieren, fänden sich Zusammenhänge zwischen der ersten GU Ausschreibung, in welcher alle Projekte das vom Volk gesetzte Budget überschritten, und dem heutigen “Value Engineering” Projekt von HRS.
    Zum Glück hat sich der Stahlpreis seit 2008 halbiert und das Pokerspiel ist aufgegangen sonst müsste die UNIA auf dem Messeneubau einen Container mieten.

  2. Anh Toan said,

    December 7th, 2012, 8:49

    Was ist schlimm an Kinderarbeit? Dass die Kinder nicht zur Schule gehen, keine Ausbildung erhalten und darum den Rest Ihres Lebens “niedrige” Tätigkeiten verrichten müssen, um ein Auskommen zu finden.

    Was ist schlimm, wenn die Kinder in Bangladesch arbeiten, für welche die Eltern ohnehin kein Geld für eine Schulbildung haben? Kinder arbeiten in Bangladesch, sei es auf dem Land oder im Haus der Familie, sei es in einer Fabrik, wo sie unter dem Namen einer älteren Schwester oder Kousine arbeiten.

    Auch den Eco und Fair trade Labels gelingt es nicht wirklich, in Asien die tatsächlichen Produktionsmethoden zu kontrollieren. Das wollen die nicht einmal, wichtig ist beim Kunden den Glauben zu generieren, im westlichen Luxus mit Stundenlöhnen von CHF 26.00 leben zu können, und sich unschuldig zu fühlen, wenn sie ein T-Shirt nicht für neun oder elf, sondern für neunzehn oder neunundzwanzig Franken kaufen. Gäbe es in Bangladesch auch die “korrekten” Stundenlöhne von CHF 26.00, gäbe es auf den Containerschiffen und in den Terminals Löhne von CHF 26.00, Hätten die Lastwagenfahrer welche die Rohmaterialen und Fertigprodukte transportieren, die Bergleute, welche die Kohle für den Strom aus der Erde graben, alle auch CHF 26.00 pro Stunde, würde das zu fairen Preisen produzierte T-Shirt CHF 149.00 kosten. Das will Daniel Wiener und sein Gefolge nicht, auch sie wollen T-Shirts, welche weniger kosten als eine einzige von ihnen selbst geleistete Arbeitsstunde, nur wollen sie sich dabei auch noch gut fühlen. Der grösste Teil der höheren Produktionskosten irgendwelcher Nachhaltigkeitslabels liegt nicht darin, dass die Arbeiter in den Schwellenländer besser verdienen, sondern dass die ganzen Kontrolleure in der Busniess Class rumreisen, in Luxushotels übernachten und Stundenlöhne von 75.00 oder Beraterhonorare von 225.00 dafür kassieren, irgendwelche Funktionären in den Schwellenländern zu erklären, wie sie ihre Unterlagen ausmalen sollen, damit sie den Auftrag erhalten.

    Wo steht der Minimallohn von CHF 26.00 von welchem der Autor schreibt? Manuel Tornare (SP, Unia) hat vor kurzem im Politblog von einem gesetzlichen Mindestlohn von CHF 23.00 gefaselt. Der GAV für das Basler Ausbaugewerbe (soweit ich weiss gibt es für Rohbau keinen für allgemeinverbindlich erklärten GAV: Landesmantelvertrag für das Bauhauptgewerbe ist nicht allgemein verbindlich) sieht einen Minimallohn von CHF 26.00 für Arbeitnehmer mit Lehrabschluss vor, den die polnischen Arbeitnehmer kaum haben, ohne Lehrabschluss beträgt der Minimallohn je nach Erfahrung CHF 21-23.

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