Basel, werde erwachsen!

Posted on June 15th, 2011, June 15th, 2011 in Uncategorized.

Sabine Horvath, Chefin des Basler Stadtmarketings, wird sich an Pfingsten, beim Durchblättern der NZZ am Sonntag, schwer genervt haben. In einer «Liebeserklärung an das Santihans» (Deutsch: St. Johann-Quartier) des Heimwehbaslers Markus Städeli, bekommt Horvath schon im zweiten Abschnitt wie ein dummes Schulmädchen eins an die Ohren: «Wieso um Himmels willen vermarktet sich die attraktive Stadt am Dreiländereck so grottenschlecht?» Und dann folgt, wie üblich, das Speichellecken: «Bei meinen Besuchen am Rheinknie wird mir oft warm ums Herz.»

«Wieso um Himmels willen vermarktet sich die attraktive Stadt am Dreiländereck so grottenschlecht?»

Am gleichen Wochenende zitierte «Das Magazin» (welches auch der BaZ beiliegt) die Zürcher Modeschöpferin Sara Vidas mit der Aussage: «Seit ich vor einem Jahr die Ausbildung am Institut für Mode-Design in Basel abschloss und wegzog, vermisse ich diese warme, kleine Stadt am Rhein.»

Was fällt auf? «Warm» ist die angesagte Eigenschaft Basels. Diese Wärme steht offenbar im Gegensatz zur Kälte, die andernorts herrschen muss. Was macht ein solcher Vergleich mit uns? Zunächst einmal: Er ruft Zustimmung hervor, vielleicht sind wir sogar ein wenig geschmeichelt. Oder gar berührt und dankbar. Da wir nicht die Grössten und Erfolgreichsten sein dürfen, so wenigstens die Wärmsten. Denn, so urteilt Städeli weiter, Basel «stagniert und verwaltet scheinbar nur noch das Erreichte». Immerhin nur «scheinbar» – vielen Dank!

Wenn sich Zürcher Medien jährlich zur «Art» mit unserer Stadt befassen, macht sich stets eine gewisse Herablassung breit, genauer gesagt: eine wohlwollende Herablassung, weil die Autoren vom Thema eigentlich nicht viel verstehen. Ihr Ton ist ähnlich distanziert wie in Reportagen über leicht verschrobene Emmentaler Bräuche oder über das hilflose aber ernsthafte Streben Griechenlands nach einem ausgeglichenen Staatshaushalt.

Der verbale Sirup, der jeweils zwischen den Zeilen heraustropft (auch in Griechenland ist es warm; die Emmentaler sind liebe Menschen), macht das Ganze nicht besser. Aber richtig schlimm ist der Basler Reflex, fremde Schmeicheleien wie Labsal aufzusaugen. Und dabei die Kritik zu übersehen, selbst wenn sie in Verachtung umschlägt: Laut Städeli «bereitet man sich in der Stadt am Rhein rund ums Jahr auf die nächste Fasnacht vor», anstatt, wie in Zürich, neue «Geschäftsmodelle, Gastrokonzepte und Modetrends» auszuprobieren.

Ist wohl alles nur ironisch gemeint. «Alle Gastrokonzepte vorweisen, bitte!» Pfeifen wir auf solche «Liebeserklärungen»! Definieren wir unsere eigenen Ziele. Gerne stellen wir uns Vergleichen. Aber wir bestimmen in Zukunft selbst, mit wem und nach welchen Kriterien wir uns messen. Das Ende des Geschmeicheltseins ist der Anfang des selbstkritischen, weltoffenen Bewusstseins. Basel, werde erwachsen!

Dieser Beitrag reflektiert die Meinung der Autorin / des Autors und nicht zwingend diejenige der Redaktion.

18 Responses to 'Basel, werde erwachsen!'

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  1. Jannik Roth said,

    June 16th, 2011, 10:24

    so “en” blödsinn. Der Artikel in der NZZ hats absolut auf den Punkt gebracht! „stagniert und verwaltet scheinbar nur noch das Erreichte“ – vollkommen richtig. Man ruht sich auf dem erreichten aus, anstatt in die Zukunft zu investieren. Man könnte hier jetzt auf den Artikel vom neuen H&D Gebäude verweisen und auf die Leserkommentare dazu. – oder den Bau von Zaha Hadid. Der treibenden Szene wird +/- jeglicher Gestaltungsraum verwehrt und dafür (siehe NT) Wohnblöcke hingepflanzt. Die Stadt Basel leidet, aber so wirklich deftig und man will es nicht einmal wahrhaben. pfff!

  2. battistini said,

    June 16th, 2011, 10:49

    @ Daniel Wiener; bravo DW. trefflicher könnte dieser artikel nicht sein.

  3. Weiss Jürg P. said,

    June 16th, 2011, 15:34

    Ja aber. Warum bringt es unser Stadtmarketing nicht fertig das Drei Länder Eck zu vermarkten ?
    Das Restaurant ist geschlossen, dabei ist das einer der schönsten Ecken unserer Stadt.
    Oft kommen Ausflugsbusse und bringen Touristen. Die Menschen stehen vor einem geschlossen Restaurant und nicht einmal
    eine Toilette gibt es dort. Ein Schandfleck für Basel und das Stadtmarketing.

  4. René W. Bitterlin said,

    June 16th, 2011, 11:14

    So ein ‘Zürcher Gastrokonzept’ setzt man uns seit einiger Zeit in der Kunsthalle und im Braunen Mutz vor: Die Kulinarik der Firma Candrian aus Zürich ist unbrauchbar, preislich an das Banken-Planquadrat ZH angelehnt, auf den Teller kommt viel Versalzenes und Verkochtes (Selbsterfahrungen) ! Und was die Modetrends anbelangt: Viele überzahlte Labels anzubieten und zu tragen macht noch lange keine Modestadt, schon gar nicht ‘Trends’. Zürich versucht, mit viel Geld etwas zu kaufen, das es nicht zu kaufen gibt: Stil ! Basel hat Stil, oft verborgen, niemals aufdringlich – und wenn’s doch einer versucht, wird ihm seine Vulgarität schnell zum Eigentor !

  5. Bernhard Sidler said,

    June 16th, 2011, 11:18

    Ach was, wenn die hinterhältig schwelende Wirtschaftskrise die Banken in den Ruin getrieben haben wird, werden wir Basler Zürich einfach kaufen.

  6. Buschbrenner Rudi said,

    June 16th, 2011, 11:44

    Mit Zürich vergleichen wir uns ganz bestimmt nicht! Die haben Basel nämlich nichts entgegen zu setzen! Der grösste Sportanlass findet in Basel statt, die grösste Messe, der grösste Kunst-Event sind in Basel zu Hause! All die in der ach so tollen Medienstadt Zürich verfassten Berichte über Basel sind vom Neid geprägt. ZH ist überall nur Durchschnitt, hält sich aber für ganz gross! Aber etwas mehr Einwohner reichen nicht um die Super-Stadt zu sein.

  7. stef said,

    June 16th, 2011, 12:19

    Zürich probiert also neue Geschäftsmodelle aus, während Basel sich auf die Fasnacht vorbereitet. Als prominente Beispiele wären da zum Beispiel die Zürcher Firmen Swissair und UBS zu nennen. Wenn dann die “neuen Geschäftsmodelle” in die Hose gehen, dürfen die rückständigen Restschweizer inklusive Basel via Bundeskasse mit Milliarden aushelfen. Immerhin liefern diese “neuen Geschäftsmodelle” den Baslern jeweils ein geeignetes Fasnachtssujet.

  8. urs Hebeisen said,

    June 16th, 2011, 12:30

    Als ein in Basel aufgewachsener Emmentaler moechte ich wissen was genau verschrobene Emmentaler Braeuche sind. Seit 3 Jahrzehnten Auslandschweizer ist es mir ein Beduernis mich auf den neusten Kenntnisstand meiner Heimat zu bringen. Danke

  9. Atlas said,

    June 16th, 2011, 12:36

    Mit “warm” ist das Wetter gemeint, meist 1-2 Grad wärmer als in anderen nordschweizerischen Kantonen, begreift das der Autor nicht?

  10. Marco Spiess said,

    June 16th, 2011, 13:24

    Basel muss endlich mal von seinem “Kleinstadtimage” wegkommen. Auch die BaZ versucht immer wieder, Basel als Kleinstadt abzustempeln. Kein Wunder macht sich Basel-Ost (sogenannt Zürich) immer wieder und zu Recht lächerlich über die Kleinkariertheit Basels.

  11. Fabian Rehmann said,

    June 16th, 2011, 13:44

    Offensichtlich muss man sich als Exil-Basler seinen Zürich-Wohnsitz immer wieder mit viel Mühe rechtfertigen. Abgesehen vom stärkeren Wirtschaftsstandort und dem grösseren Angebot an Arbeitsplätzen in Zürich gibt’s keinen Grund Basel zu bejammern. Ich sch…. auf Downtown Switzerland. Was nicht heisst, dass es dann und wann nett ist Zürich zu besuchen.

  12. Marco Weber said,

    June 16th, 2011, 17:07

    Solange sich BS und BL nicht zusammenschliessen wird es nie erwachsen werden. Die Regierungen haben Basel zur Provinz regiert. Ich bekomme manchmal den Eindruck einer Willenlosigkeit. Irgendwie scheint man mit zwei/drei Highlights (FCB, Messe) schon zufrieden zu sein. Basel könnte viel mehr wenn alle am gleichen Strick ziehen würden.

  13. Matthias Vögtlin said,

    June 16th, 2011, 18:30

    Als ein in Bern lebender Basler muss ich sagen, dass der Abstand zwischen den zwei Städten vor 15 Jahren, als ich nach Bern zog, noch sehr gross war (zugunsten Basel). Viel hat sich seither in Basel nicht mehr getan und der Abstand schmilzt leider dahin. Man schaue nur z.b. die Ausbaupläne der SBB an: Die Nordwestschweiz bekommt auf Jahrzehnte hinaus keine schnelle Verbindung ins Mittelland (Wisenbergtunnel), weil sich die regionale Politik einfach mit zu wenig Nachdruck für ihre Interessen wehrt. Das Mindeste wäre, dass die beiden Halbkantone fusionieren, besser noch wäre ein einziger Kanton Nordwestschweiz, welcher zusammen mit dem Elsass und Süddeutschland, mit welchen ebenfalls viel stärker kooperiert werden sollte, zu einem starken Verbund zusammenwachsen sollte.

  14. Remo Nydegger said,

    June 16th, 2011, 22:33

    Danke Herr Wiener, sie treffen den Nagel auf den Kopf!
    Als ein Exilbasler, der die letzten 20 Jahre in Zürich verbracht hat, kenne ich mittlerweile beide Regionen gut.
    Meines Erachtens liegt in der Region Basel (inklusive dem Dreiländereck) ein enormes Potential und zwar sowohl wirtschaftlich als auch politisch und kulturell. Nicht zuletzt deshalb, weil Basel viel europäischer, offener und liberaler als Zürich ist.
    Das Problem ist, dass sich Basel unglaublich schlecht vermarktet und zwar in sämtlichen nur möglichen Bereichen!
    Die einzige Lösung ist, dass die beiden Basel endlich fusionieren und zusammen mit den Kantonen SO und AG eine starke Region Nordwestschweiz bilden, um so politisch endlich mehr Druck machen zu können in Bern! Damit würde Basel und die gesamte Region Nordwestschweiz auch wirtschaftlich und kulturell profitieren können.
    Im Moment, so scheint es, ist die Region ein schlafender Riese. Aber solange die Lokalpolitiker in Basel die Realität verkennen und sich nur an FCB Meisterfeiern fotografieren lassen, wird sich das leider nicht so schnell ändern.

  15. Peter Waldner said,

    June 17th, 2011, 12:27

    Einmal mehr nehmen sich da die Medien selbst viel zu ernst, wenn sie sich an ihren eigenen Artikeln messen, und dann aber gleich aus der NZZ “Zürich” machen. Mir gefällt Zürich auch nicht, aber ich kann nicht verkennen, dass es in meinem Verwandten- und Freundeskreis sehr viele gibt, die Zürich ganz grossartig finden. Und so wird es auch vielen Zürchern mit Basel oder dem Emmental gehen. Um noch auf den Schlussatz einzugehen: Die “Region” ist kein “schlafender Riese” wie etwa ein Flugzeugträger auf dem Trockendock; es ist vielmehr eine vielleicht zu heterogene, (zu) stark von politischen Grenzen durchzogene Region. Wie etwa ein Verband aus einem Schlachtschiff und vielen beweglichen Kreuzern ohne Admiral.

  16. Kurt Seiler said,

    June 17th, 2011, 15:15

    Ach, noch jede Stadt in der Schweiz ist ein Kaff. Auch Zürich. Nur zugeben darf man das nicht. Denn die dort versammelte Elite MUSS in einer Weltstadt leben, sonst bricht ja eine Welt zusammen.
    “Basel völlig unterschätzt” , “schlafender Riese” , “…unter Wert verkauft” etc. hör ich schon seit Jahrzehnten. Da wird also die Stadt von der Restwelt seit Jahrzehnten völlig falsch eingeschätzt ??? Wer`s glaubt wird selig…

  17. Franz Reinhold said,

    June 17th, 2011, 21:18

    Ja, Basel ist nicht Zürich, und das sage ich als Aargauer, dem Zürich-Hasser-Kanton Nummer 1! Wenn man im Ausland von der Schweiz redet, kennt man Zürich und Genf? Wenn man die Schweizer Medienlandschaft anschaut, so hat man Blick, Tagi, NZZ, SF, DRS in Zürich und die BAZ in Basel, wenn man die Verkehrszahlen der beiden Flughäfen und Hauptbahnhöfen vergleicht ist es auch offensichtlich, dass Zürich wichtiger ist. Wir könnten jetzt auch noch über das Ausgangsangebot, die Anzahl Läden, die Banken und die EInwohnerzahlen streiten (ZH fast 1.4 Mio und BL und BS gegen 0.5 Mio). Zürich ist wichtiger, aber ja und? Was nervt ihr Basler euch immer darüber? Arbeitet doch mit Zürich zusammen!? Basel und Zürich liegen 50 min Zugfahrt auseinander. Warum tritt Basel als Zweitpotenteste deutschschweizer Stadt nicht mehr mit Zürich zusammen auf… gegen die ländliche Gegenden. Haben doch beide ähnliche Interessen!!!! Mit Zürich-Hass kommt Basel nicht weiter!

  18. Raphael Schumacher said,

    June 19th, 2011, 21:07

    Als Basler, der oft anderswo in CH gelebt hat, seit 10 Jahren wieder in Basel lebt, und trotzdem noch ausserhalb Basel arbeite, kann auch ich bestätigen dass sich unsere Stadt grottenschlecht verkauft: touristisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich und vor allem politisch. Letzteres halte ich dabei am meisten für problematisch.
    Kurz gefasst entspricht Basel für alle anderen CH-Regionen einem blinden Fleck (ausgenommen der Fricktaler und Jurassier vielleicht).
    Ich frage mich woraus sich diese Diskrepanz zwischen Eigenwahrnehmung (“wir sind ne Grossstadt”) und Fremdwahrnehmung (“ach ja, der Ort der dank des Glücksfalls Pharma zu einer grösseren Stadt geworden ist, und trotzdem irgendwie unbedeutend”) bilden konnte. Nur daran dass unsere Stadt hinter dem Jura liegt, kann es nicht liegen. Bemühen wir uns überhaupt, statt introvertiertem Eigenlob zu verfallen, proaktiv ein Image unserer Stadt zu formen?

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