Verkehrte Welt in Stadt und Land

Posted on July 7th, 2011, July 7th, 2011 in Uncategorized.

Hans-Rudolf Gysins Uhr als Politiker ist abgelaufen, sein wichtigstes Projekt gescheitert: Der Direktor der Wirtschaftskammer Baselland war von der Mission beseelt, die Überlegenheit des Modells «Baselbiet» gegenüber dem Modell «Basel» nachzuweisen.

Finanzpolitik ist der Schlüssel für beide Halbkantone, um die kommenden Jahrzehnte in gegenseitiger Zuneigung zu gestalten: Das Zeitfenster ist vielleicht kurz, aber offen.

Bei jeder Gelegenheit polterte der abtretende freisinnige Nationalrat gegen den «aufgeblähten Staatsapparat» in der Stadt und die daraus resultierende, angebliche «Steuerhölle». Gegen Lastenausgleichs-Vorlagen führte er ins Feld, der Stadtkanton solle «zuerst seine Hausaufgaben machen». Diese Redeweise nahmen sogar besonnene Stadtpolitiker wie Peter Malama zeitweise auf.

Noch vor kurzem sandten Oberbaselbieter Gemeindepräsidenten gut gemeinte Spar-Rezepte ans rote Rathaus am Rhein. Heute hat sich das Spiel gedreht: Die vor Gesundheit strotzenden städtischen Bilanzen lassen Liestaler Politiker vor Neid erblassen.

In den Reihen der Regierungsparteien Basels macht sich über diese unerwartet rasche Wendung verhaltener Hohn breit. Solche Reaktionen sind psychologisch zwar verständlich, nach allem, was der Stadtkanton bis in die jüngste Vergangenheit an Spott hat über sich ergehen lassen müssen. Das Herumstochern in Wunden ist jedoch weder nützlich noch klug. Im Angesicht der ländlichen Misere wäre Besonnenheit der bessere Ratgeber.

Finanzpolitik ist der Schlüssel für beide Halbkantone, um die kommenden Jahrzehnte in gegenseitiger Zuneigung zu gestalten. Solidarität der Stadt, ohne Herablassung praktiziert, würde jetzt den Weg bereiten für ein gemeinsames, modernes Staatswesen. Dessen Effizienz könnte für die ganze Schweiz Vorbild sein – und das schneller als viele denken.

Mit einem Beitrag von beispielsweise 50 Millionen Franken pro Jahr in den nächsten drei Jahren an den leidenden Schwesterkanton – sei es als zinsloser Kredit oder als Geschenk – könnte Basel-Stadt Baselland aushelfen, ohne die eigenen Finanzen zu gefährden. Es geht nicht darum, sich die Sympathie der Baselbieter zu erkaufen, sondern um gelebte Solidarität zwischen Nachbarn, die auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen sind.

Wären Basel-Stadt und Baselland ein Kanton, würde genau diese Solidarität automatisch spielen und das ländliche Bildungswesen müsste nicht um seine Qualität bangen. Alle Lehrerinnen und Lehrer, deren Stelle jetzt bedroht ist, blieben im Amt. Denn der Stand Basel ist finanziell stabil.

Nur der Tatbeweis, eine ausgestreckte Hand, kann den Graben überwinden, der die Wiedervereinigung verunmöglicht. Um unserer Region neue Dynamik zu verleihen, brauchen wir dieses gemeinsame Projekt, ein produktives, politisches Ziel. Der Anstoss könnte heute von Basel kommen. Das Zeitfenster ist vielleicht kurz, aber weit offen.

Dieser Beitrag reflektiert die Meinung der Autorin / des Autors und nicht zwingend diejenige der Redaktion.

16 Responses to 'Verkehrte Welt in Stadt und Land'

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  1. Fritz Weber said,

    July 7th, 2011, 10:21

    Also ich als Städter wäre dazu bereit, den mann kann nicht auf der einen Seite von einer Nordwestschweiz, einem Kanton Raurica, träumen und auf der anderen Seite nicht bereit sein etwas dafür zu tun. Mir ist lieber ein Teil meiner Steuern hilft der anderen Hälfte von Basel als dass das Geld nach Bern geht! Aber bitte liebe Oberbaselbieter hört mal auf uns immer als Arrogant hinzustellen! Wir leben ja nicht mehr im 19 Jahrhundert oder? Gruss in die Hügel aus der Betonburg 😉

  2. Massimo said,

    July 7th, 2011, 10:42

    Kurz zusammengefasst, liebet und vereinigt euch. Einen Vollkanton Basel wird es nie geben, keiner der an der Macht ist, gibt gerne seinen Platz auf, siehe auch Herr Muammar Gaddafi.

  3. Tom Müller said,

    July 7th, 2011, 11:00

    Dank den kurzsichtigen Steuersenkungspaketen des bürgerlich dominierten Regierungsrates in Baselland, ist es überhaupt zum aktuellen Finanzdebakel gekommen. Ausserdem wurden sämtliche Infrastrukturprojekte massiv teurer als anfänglich gedacht. Auch diese Millionenlöcher sind einem bürgerlichen Regierungsrat anzulasten. Steuergeschenke aus Basel wären jetzt die komplett falsche Massnahme. Notwendig ist vielmehr eine Abwahl sämtlicher bürgerlichen Regierungsräte. Denn sie haben bewiesen, dass sie nicht fähig sind, mit den Staatsfinanzen haushälterisch umzugehen.

  4. Thomas Rauch said,

    July 7th, 2011, 11:00

    Keine finanzielle Unterstützung ohne Wiedervereinigung! Es kann ja nicht sein, dass das Baselbiet ständig von der Stadt profitiert und diese dann auch noch anpumpt (Griechenland lässt grüssen!), weil sie die Steuern übermässig gesenkt haben und dies nicht rückgängig machen wollen… Es wird Zeit, dem antiquerten Denken gewisser Baselbieter Politiker ein Ende zu machen. Der erste Schritt ist mit dem Abgang von Gysin bereits getan.

    Als Übergang könnte ich mir auch einen Anschluss des Bezirks Arlesheim an die Stadt vorstellen, Gesamtziel muss aber ein Kanton Nordwestschweiz bleiben mit BS, BL, Bezirke Dorneck und Thierstein (SO) und allenfalls dem Fricktal (AG), obwohl dies wohl eher schwierig sein wird. Hauptstadt Basel, von mir aus Verwaltungssitz Liestal, damit die Oberbaselbieter ihre Metropole auch bestätigt sehen.

  5. Yves Schneider said,

    July 7th, 2011, 11:23

    WIeso soll BS geschenke an BL machen? Zuerst soll BL die Steuern und die KK-Tarife an BS angleichen, dann kann über geschenke diskutiert werden. Ich finde es empörend, wenn in BS Steuern KK-Prämien usw. oft ein Merhfaches dessen betragen was Bewohner anderer Kantone berappen müssen. Zuerst muss hier eine Gerechtigkeit geschaffen werden.

  6. René W. Bitterlin said,

    July 7th, 2011, 11:56

    Als geborener Baselbieter und bekennender Stadt-Basler zugleich bin ich gegen Finanzunterstützung für BL. Der heutige Ton aus BL, am deutlichsten bei der Theaterfinanzvorlage hervorgetreten, muss sich zuerst ändern, eine jüngere Generation hätte Gelegenheit, den antiquierten Oberbaselbieter Chauvinismus zu Gunsten eines freundschaftlichen und kooperativen Tonfalls zu ändern. Die Zusammenarbeit mit dem Elsass und dem Markgräflerland ist von Respekt gekennzeichnet und letztlich wichtiger für dei Stadt !

  7. Christoph Waldmeier said,

    July 7th, 2011, 12:04

    Wieso 50 Millionen als Geschenk? Dies könnte man doch an gewisse Zugeständnisse knüpfen, zB Theater, Steuerharmonisierung, Lastenausgleich Gesundheitswesen, Anpassung der Schulsysteme, usw. Wie soll man so ein Millionengeschenk dem Baselstädter Stimmbürger erklären? Zuerst bezahlt er massiv mehr als die Nachbarn (Steuern, KK) und dann soll man noch Geschenke verteilen?

  8. Franz Müller said,

    July 7th, 2011, 12:22

    So weit kommt es noch!!!! Jahrzentelang haben die Landschäftler die Städter ausgelach und sind auf dem hohen Ross gesessen. Und die Steuern gesekt und den Auszug von in der Stadt wohnenden in die Landschaft animiert.

    Münchhausen hat sich auch selbst an SEINEM Schopf aus dem Sumpf gezogen. Das sollen auch die Baselbieter machen. Die Steuern normalisieren, d.h. heraufsetzen – und das Problem ist schnell gelöst.

    Und ist es nicht normal, dass man sich schämt, Almosen anzunehmen? Besonders wenn man selbst an der Misere Schuld ist!

  9. Kurt Seiler said,

    July 7th, 2011, 13:03

    In dieser Region wird dermassen gewurstelt dass einem nur noch schwindlig wird. Für was Geld nach BL überweisen? Kommt mir irgendwie wie mit der Griechenlandhilfe vor. Das Leiden wird verlängert, aber ändern tut man nichts, weil ja das Geld da ist. Und welches Geld soll Basel überhaupt überweisen? Etwa das Geld dass es dem Mittelstand aus der Tasche zieht? Würd mich nicht wundern würd man tatsächlich Befürworter finden. Ist ja auch egal. Mal geht es BL etwas schlechter, mal BS. Hin und her. Aber sonderlich attraktiv sind beide nicht. Eine Fusion wird`s nie geben, dann müssten ja Oberbaselbieter fünf Stutz pro Jahr ans Theater zahlen. Also lebt man weiterhin in der Vergangenheit, und die war auch schon glorreicher. Und solange Roche und Novartis die aufgeblähten Strukturen weiterhin finanzieren, muss man sowieso nichts ändern. Man zelebriert weiterhin Fasnacht und FCB, und merkt nicht wie die ganze Region in den letzten Jahrzehnten völlig bedeutungslos geworden. ist.

  10. Beat Urwyler said,

    July 7th, 2011, 14:27

    Sehr geehrter Herr Seiter, ich bin eigentlich froh, dass diese region nicht die Bedeutung von Genf oder Zürich hat. Die üBerschrift dieses Blogs “unsere kleine Stadt” ist für Konzept, daurch fühle ich mich hier wohl und will auch nicht mehr weg. Ich gebe Ihnen Recht, was die aufgeblähten Strukturen angeht, aber die Arbeit unserer Regierung ist tendiziell richtig, besonders wenn die bürgerliche partein hier konstruktiv mitarbeiten (was auch geschieht, bis auf die Schweizer Superpartei). Wenn die Schuldenlast erstmal getilgt ist, sieht es noch besser aus

  11. Kurt Seiler said,

    July 7th, 2011, 15:03

    Herr Urwyler.
    Sie haben recht, es heisst “unsere kleine Stadt”. Vor dreissig Jahren hätte es noch anders geheissen, und das ist das tragische. Ich hab mal in einer Stadt gewohnt, und jetzt soll ich mich mit einer Ortschaft zufriedengeben. Sie fühlen sich in Basel wohl, viele andere tun`s aus irgendwelchen Gründen nicht mehr. Viele können in Basel mittlerweile ihren Beruf nicht mehr ausüben, da sich alles in Zürich, oder wo auch sonst, konzentriert hat. Meiner Meinung ist Basel in den letzten Jahrzehnten schon ziemlich verödet. Innovatives kam mal von hier, jetzt wird nur noch verwaltet und konserviert. Mir ist das zuwenig.

  12. Paul Hofer said,

    July 7th, 2011, 14:43

    Die Simulation, welche von beiden Parlamenten verlangt wird, muss nun ohne Verzug an die Hand genommen werden. Da würden wohl mehr als die CHF 180mio. Sparpotential im Kanton Basel-Landschaft herausschauen. Die Starke Region Nordwestschweiz schätzt sogar, dass es möglicherweise CHF 500mio im Jahr sein könnten. Die Avenir-Suisse, der unabhängige Think Tank, hat an verschiedenen Podien dargelegt, warum wir als Agglomeration denken (oder eben umdenken) sollten.
    Paul R Hofer, Nationalratskandidat FDP.Die Liberalen, BL

  13. Fritz Weber said,

    July 7th, 2011, 16:12

    An dieser Stelle sei nochmals daran erinnert, dass das Volk 1938 die Wiedervereinigung eigentlich mal angenommen hatte – gegen den Widerstand der Regierungen der beiden Halbkantone und unsere Ferunde in Bern diese vom Baslervolk beschlossene Wiedervereinigung verhinderten!
    http://www.geschichte.bl.ch/politik/wiedervereinigung-i/der-bund-mischt-sich-ein.html

  14. Kurt Hellstern said,

    July 11th, 2011, 8:46

    … und zusätzlich sei daran erinnert, dass schon die Kantonstrennung mehr von der Eidgenossenschaft als vom Baselbiet durchgesetzt wurde. Und statt uns gemeinsam aufzubauen, verpuffen wir unsere Energie an der Hülftenschanz. Zürich und seine Mitläufer freut’s. Die Lage heute ist doch ideal für bedingungsloses Zusammengehens. Also, auf was warten wir noch? 200 Jahre Trennung sind genug.
    Ceterum censeo Hülftenschanz esse delendam.

  15. Eric Cerf said,

    July 8th, 2011, 10:48

    Die hehren, friedliebenden Worte zum Verhältnis BL-BS von Hr. Werner lesen wir gerne, leider übersieht der Verfasser grundlegende Tatsachen, die das politische Klima zwsichen den beiden Kantone bis heute vergiften. Es braucht erstens mal einen neuen Säckelmeister in BL, der jetzige ist nicht mehr tragbar und eine zu schwere Hypothek für BS. Unvergessen seine rüden Attacken gegen die Finanzministerin von BS. Vor aller Öffentlichkeit, zum Gaudi der Medien, notabene. Viele bürgerliche LR, lehnten zu weit zum Fenster hinaus, mit herablassen Ratschlägen an BS. Auch der ewige Strippenzieher im Hintergrund des LR zu Liestal, Herr H.R.Gysin muss so schnell wie möglich das Handtuch werfen und die Rente still geniessen. Das wäre schon mal ein guter Anfang, um der völlig zerütteten Partnerschaft wieder Leben einzuhauchen. Der kürzliche Theaterbescheid für BS von Liestal aus, zerschlug viel Porzellan. Unter diesen düsteren Vorzeichen ist ein Neuanfang fast unmöglich. BS machts einfach besser.

  16. Mike Meier said,

    August 5th, 2011, 18:06

    träumt weiter – einen Zusammenschluss der Halbkantone BS BL wird es nie geben. So unföderalistisch sind nicht mal die linken Basel Städter.
    Um in Bern in SR oder NR BS oder BL Interessen durchzusetzen braucht es die richtigen Volksvertreter – welcher Partei auch immer. Die jetzigen in BS und BL sind wohl die falschen.

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