Kein schlechter Patriot

Posted on August 4th, 2011, August 4th, 2011 in Uncategorized.

André Mislin, Chef von Coop Nordwestschweiz, ist ein motivierender und erfolgreicher Manager. Auch harte Konkurrenz vermag seine Stirn nicht in Falten zu legen. Sie treibt ihn vielmehr zu Höchstleistungen an. In seiner jahrzehntelangen Karriere als Detailhändler hat er jedoch noch nie eine Herausforderung erlebt, wie sie sich am 1. August im grenznahen Ausland zeigte: BL, BS, BS, LÖ, LÖ, BL, LÖ, BS, BL, BS. So las sich schon morgens um 11 eine willkürlich herausgegriffene Reihe von Autokennzeichen entlang der dicht befahrenen Einkaufsmeile in Weil am Rhein.

Wirtschaftsführer rufen dazu auf, trotz starkem Franken im Inland zu shoppen, um den Schweizer Detailhandel zu stützen. Weshalb das Einkaufen jenseits der Grenze für Basler selbst am Nationalfeiertag kein unpatriotischer Akt ist, erklärt unser Blog.

Vor den Kassen der dortigen Shoppingcenter, Apotheken, Bioläden, Elektrofachgeschäfte, Modeboutiquen, Optiker und Buchhandlungen traten sich am Nationalfeiertag Schweizerdeutsch parlierende Paare und Familien gegenseitig auf die Füsse. Sie kauften üppig ein, zu Preisen, die durchschnittlich 30 bis 40% unter dem Niveau von Basel lagen – bei gleicher Qualität. Viele verlangten eine Ausfuhrbescheinigung. Mit etwas bürokratischem Aufwand lassen sich damit – dank Mehrwertsteuer-Rückerstattung – die Kosten um weitere 10% drücken.

Zur Feier des Tages trugen manche Einkaufstouristen rote T-Shirts mit Schweizerkreuz. Tatsächlich ist kein schlechter Patriot, wer im nahen Ausland einkauft. Ein solcher Schweizer pflegt im Gegenteil die typisch eidgenössische Tugend der Sparsamkeit. Wer seine Kaufkraft mit Hilfe des schwachen Euro aufpeppt, nutzt einen Standortvorteil, der in keinem Regionen-Rating vorkommt: Die Grenzlage vergünstigt nicht nur die Mieten der Baslerinnen und Basler, sondern auch ihren täglichen Konsum. Anders als Einkaufstouristen aus Bern oder Zürich, erreichen sie ihr Ziel bequem in 15 Minuten per S-Bahn, Fahrrad, Bus oder Auto.

Am 1. November kommt dann der Gegenbesuch: Seit Jahrhunderten sind Innenstadt und Herbstmesse an Allerheiligen fest in den Händen unserer katholischen Nachbarn. Auch diese Visiten stärken das Gemeinsame, die wirtschaftliche Verflechtung, das Kennenlernen. So fallen beim Shoppen in Weil nebenbei die Plakate des lokalen Veranstalters www.kieswerk-open-air.de auf. Weshalb nicht einen Katzensprung zu diesem Festplatz wagen, wo allabendlich für 7 Euro ein Kinofilm, Konzerte und Kulinarisches auf dem Programm stehen?

Auch die Basler Zeitung ist übrigens in Deutschland erhältlich: Sie kostet zwei Euro, umgerechnet 2 Franken 20, also 60 Rappen weniger als am Erscheinungsort. Bald heisst es: Für die BaZ rasch nach Binzen. Wir können gespannt sein, was sich André Mislin gegen die Grenzüberschreitungen seiner Kundschaft ausdenkt. In der Zwischenzeit geniessen wir guten Gewissens die schöne Erkenntnis: Preisdifferenzen gehören zu den kleinen Unterschieden, die Völker seit jeher verbinden. Erst recht in der Region Basel.

Dieser Beitrag reflektiert die Meinung der Autorin / des Autors und nicht zwingend diejenige der Redaktion.

10 Responses to 'Kein schlechter Patriot'

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  1. Eric Cerf said,

    August 4th, 2011, 15:39

    Ich müsste ein Esel sein und Heu fressen,wenn ich nicht im grossen Kanton einkaufen gehen würde! So wie viele andere Eidgenossen es auch machen, besonders jetzt wo der EURO dermassen im Keller ist. Patriotische Appelle lassen mich völlig kalt. Trotzdem gehe ich ganz gewiss nicht für jeden Haferkäse nach D, es kommt immer drauf an, für was. Wenn ich beim Kauf eines CH-Flyers- E-Bike ganze 1000.– Stutz sparen kann, wäre ich echt blöde, ich würde es nicht tun! Auch CH-Markenuhren der gehobenen Preisklasse locken, von neuen Autos ganz zu schweigen. “Least but not last”. die Beizen! Gehe schon seit vielen Jahren ins Badische gut essen und trinken, im Schnitt etwa halb so teuer wie in BS und Umgebung, mindestens! Wir losen dann immer aus, wer bloss Mineral und Kaffee als Chauffeur trinken muss, damit die Polizei bei einer allfälligen “Blaskontrolle” nicht auf dumme Gedanken kommen kann. Wohne seit über dreissig Jahren in BS, und bin schon seit den DM-Zeiten ein häufiger Gast drüben, jetzt noch viel mehr. Jubel, Trubel, Heiterkeit in der CH, lang lebe das beinharte Fränkli!

  2. Maria Meier said,

    August 4th, 2011, 16:00

    Ich als Inhaberin beider Pässe kaufe nur dann in D ein, wenn ich max. 1x/Jahr in den Ferien bei meiner Familie in Norddeutschland bin. Dann allerdings gern und ausgiebig, vorallem Dinge, die es in der CH nicht gibt (jawohl, es gibt solche Sachen wirklich!). Aber es würde mir nicht einfallen, extra nach D zu fahren. Unsere Nachbarin kauft z.B. 30 Liter H-Milch auf’s Mal, wie auch immer sie das an der Grenze macht (Schmuggel ?). Aber sie ist stramme SVP-Wählerin. Das finde ich immer wieder lustig. Da wird das gute Schweizer Geld ins sonst doch so ungeliebte Deutschland gebracht, nur um ganz egoistisch im eigenen Portemonaie zu sparen. Nichts da mit Unterstützung der “darbenden” Schweizer Landwirtschaft und anderer Betriebe. Tja, ob sie wohl exemplarisch für andere SVP-Wähler ist???

  3. Kurt Seiler said,

    August 6th, 2011, 11:04

    Also meinen Sie ein SVP-Wähler ist ein schlechterer Mensch?


  4. August 4th, 2011, 16:06

    Klar, dass auch wir, in Lörrach, einkaufen. Bei Hieber, denn dieser Laden ist ein totaler Hit. Wir gehen dort nicht nur auf “Schnäppchenjagd”. Gut, Fleisch ist viel günstiger – na bravo. Aber auch alle andern Produkte kaufen wir gerne dort. Die Auswahl ist bedeutend grösser als bei uns in einem Supermarkt. Allein bei den Yoghourt komme ich ins Schwelgen. Obst und Gemüse sind in Hülle und Fülle schön ausgelegt. Wir finden Schweizer-Käsesorten, die wir bei uns noch nie in einem Supermarkt gesehen haben. Und, was sehr wichtig ist, die Bedienung ist so freundlich, dass wir uns immer willkommen fühlen. Es lebe der Einkauf jenseits der Grenze.

  5. Hannes Estermann said,

    August 4th, 2011, 16:16

    Gestern wurde ich angefragt ob ich in der BRD einkaufe und weshalb.
    Ob ich eine noch nie gehörte persönliche Begründung geben könnte-diese lautet;
    Die Einsparungen helfen mir die CH-Steuern- und die Krankenkassenbeiträge pünktlich zu zahlen.
    Oder währe es besser anstatt ein Fussmarsch über die Grenze beim Sozialamt Rheinfelden/CH Geld abholen .

  6. roger m. said,

    August 4th, 2011, 16:21

    coop hat uns schweizer jahrzehnte lang nach strich und faden abgerissen,dies lässt sich nicht leugnen,hab es auch nie begriffen,da dieser konzern eine genossenschaft ist,also eher links,rot/grün hat auch nie etwas dagegen unternommen,desgleichen mit migros.nun hat sich ergeben,dass man ennet der grenze,bis zu 50% teilweise bis 100%spart,also doppelt so teuer,da frage ich mich,warum man deshalb kein patriot mehr sein kann,wenn man überrissene schweizer preise nicht mehr zahlen will,herr mislin,es liegt auch nicht nur am starken franken,,sondern an der preispolitik,gute manager hätten das schon lange erkannt aber eben gute

  7. werner huber said,

    October 11th, 2011, 19:19

    ich finde es grossartig, dass die läden in süddeutschland billiger sind als in ch. das ist nicht alles. ihr sortiment entspricht meistens meinen bedürfnissen, was ich von konsi/migros nicht behaupten kann. ich habe kein auto und gehe daher mit bvb oder zug nach d. gewissensbisse habe ich keine. schliesslich kaufen migros/coop auch im ausland ein und knallen dann noch eine saftige marge auf die preise.

  8. Eric Cerf said,

    August 4th, 2011, 16:36

    Stimmt, im Vergleich zu BS treffe ich drüben im grossen Kanton meistens sehr freundliches Verkaufspersonal an! Was für ein Unterschied zu vielen mürrischen Grenzgängern aus dem Elsass, die knapp Auskunft erteilen können, wenn überhaupt. Wer es nicht glauben mag, gehe mal in den Claramarkt, oder all die kleinen Konsis, Migros/Denner in den Quartieren. Aus Kostengründen (Tiefer Lohn) stellen die Grossverteiler kaum mehr Einheimische an. Der Verkaufsberuf in der CH im “ranking” der Buez schon lange ganz unten angesiedelt, gerlernte Verkäufer eine Spezie Rara. Angelernte dafür trifft man tonnenweise in BS/BL an. Auch deshalb gege ich gerne nach Lörrach/Weil etc. ( Markt Sa!) . In Hagen (weiter sagen) im BAUHAUS gibt es jede Menge echte Super-Profis die über alles Bescheid wissen, nicht wie im Dreispitz.

  9. Kurt Seiler said,

    August 6th, 2011, 11:03

    Genau. An Unfreundlichkeit ist das Basler Verkaufspersonal nicht zu überbieten. Oder sie verstehen einen nicht. Oder gleich beides in Kombination.

  10. Martin Cesna said,

    August 7th, 2011, 1:09

    Der Unterschied zwischen einem Museum und einem Schweizer Grossverteiler-Center ist, dass im Museum die Kassen am Eingang stehen. Mitnehmen sollte man ja von dort auch nichts. Die Auslage in den hiesigen Grossverteilermärkten ist aber bedeutend besser beleuchtet als im Museum und wesentlich differenzierter bezeichnet. Meist gibt es auch mehrfache Ausführungen der ausgestellten Gegenstände. Die Gegenstände im Museum sind meist auch bedeutend älter.
    Bei der schönen Presentation und dem hohen Preis der ausgestellten Gegenstände beschleicht mich manchmal aber das Gefühl, dass meine Person für das ganze edle Ambiente dann doch zu minderwertig sein könnte. Mein Gefühl der Minderwertigkeit steigert sich noch beim Anblick des Schildes “Schweizer Fleisch”, wobei ich aber auch nicht genau sagen kann wieso. Den Begriff “Lichtensteinisches Fleisch” habe ich in so einem Center aber noch nie gelesen.
    Auch ist mein Kühlschrank nicht halb so schön beleuchtet, wie das Ausstellungsregal mit Kühlfunktion im Center. Gegenüber einem Museum haben diese Center aber meist einen Vorteil: Der Parkplatz ist gleich nebenan.
    Wenn man dann doch etwas mitnimmt, ist natürlich so ein Gegenstand, in dessen Name sich auch gleich der begrenzte Wert darstellt, natürlich ein kleineres Mitnahme-Hindernis, als wenn man da eine sehr zerbrechliche zweitausendjährige Vase einpacken würde, die sicher wesentlich teurer wäre, auch, weil sie sicher ein Unikat ist.
    Sie sehen, wo reingehen, kann schwieriger sein, als man auf den ersten Blick glaubt.

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