Das Museum der Kulturen sind wir

Posted on September 15th, 2011, September 15th, 2011 in Uncategorized.

«Lolo» (Pseudonym) reagierte besorgt, nachdem er die Kolumne und den Blogbeitrag von letzter Woche («Basels neustes Kunstmuseum») gelesen hatte. Das frisch herausgeputzte Haus der Kulturen wolle «kein Museum mehr sein, das den menschlichen Umgang mit den natürlichen Ressourcen thematisiert». Dabei könnten «menschliche Gesellschaften aus dem Leben vergangener Kulturen Lehren ziehen».

Weshalb sollen wir uns für versunkene Inka-Kulturen interessieren, während wir unseren mazedonisch-albanischen Nachbarn kaum kennen? Fremde Sprachen, Sitten und Gebräuche, zum Beispiel heutiger Chinesen, erleben wir vor der Haustür und bei der Arbeit (Bild: Mondfest auf dem Münsterplatz).

Diese Stellungnahme ist Teil einer heftigen, über weite Strecken lesenswerten Debatte auf www.unserekleinestadt.ch. Manche Beiträge gehen so weit, die neuen Schauräume wegen «inhaltlicher Leere» gleich wieder schliessen zu wollen. «Klicki» (Pseudonym) etwa, stört sich daran, «dass von der riesigen Sammlung indigener Kult- und Kunstgegenstände so gut wie nichts mehr zu sehen ist».

Es wäre eine interessante Diskussion, unter welchen Bedingungen wir von anderen Kulturen durch Vermittlung über ein Museum tatsächlich lernen können, wie «Lolo» vorschlägt. Zu diesem Zweck müssten wir mit diesen Kulturen in einen Dialog treten, was etwa im Falle der verstummten Völker Altägyptens unmöglich ist. Ihre Artefakte können uns zwar erbauen. Als Gesprächspartner stehen aber höchstens die vermittelnden Experten zur Verfügung.

Als die Basler Museen entstanden, war die Bevölkerung verhältnismässig homogen. Die Besucher wünschten sich die Begegnung mit dem Fremden, dem Befremdlichen auch und damit die Relativierung ihres eigenen Standpunkts. Kinder träumten sich in ferne Länder. Heute müssen wir keinen Eintritt mehr bezahlen, um interkulturelle Erfahrungen zu sammeln. Vor unserer Haustür und bei der Arbeit erleben wir die Vielfalt von Sprachen, Sitten und Gebräuchen, zum Beispiel heutiger Chinesen. Der Unterschied von Tschador und Burka ist gar zum Politikum geworden. Weshalb sollen wir uns mit versunkenen Inka-Gesellschaften auseinandersetzen, während uns das Kennenlernen unseres mazedonisch-albanischen oder angolanischen Nachbarn zuweilen schwer fällt?

Wir leben und sind das Museum der Kulturen. Manche Menschen empfinden die ethnologische Konfrontation im Alltag als bereichernd, andere als bedrohlich. Das neue Ausstellungshaus ist Basels grösstes Integrationsprojekt: Es sollte uns ermöglichen, das Fremde einzuordnen, zu verstehen, allenfalls auch uns abzugrenzen oder davon zu lernen. Ein interkultureller Dialog könnte mithelfen, unsere Identität als Stadt und in der Stadt weiter zu entwickeln.

Die Aufgaben eines modernen Museums der Kulturen sind somit aktueller denn je. Sie rechtfertigen auch die Investition öffentlicher Gelder. Wenn Direktorin Anna Schmid auf Methoden der Kunstvermittlung zurückgreifen möchte, ist das in Ordnung. Aber den Zweck und das Konzept dahinter, sollte sie uns nicht vorenthalten.

Dieser Beitrag reflektiert die Meinung der Autorin / des Autors und nicht zwingend diejenige der Redaktion.

5 Responses to 'Das Museum der Kulturen sind wir'

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  1. Katia said,

    September 15th, 2011, 21:45

    Ich finde, Daniel Wiener hat recht. Wenn ich Anna Schmid wäre, würde ich ihm sofort einen Job anbieten. Den Job, seine Vision umzusetzen. Wunderbar geschrieben.

  2. Niklas said,

    September 17th, 2011, 14:12

    Eine aktuelle Kultur aus Afrika oder Aien ist somit wertvoller und interessanter als eine antike Hochkultur? Ich persönlich kann it modernen Kulturen in einem Museeum nichts anfnagen. WIll ich diese kennenlernen, so spreche ich mit den entsprechenden Menschen, alles Andere ist scheinheilig. Weltgeschichtebestimmende Kulturen gehören in ein Museeum. Es ist nicht die Aufgabe eines Museeums Integration zu erzwingen. Es ist meines Erachtens auch nicht unebdintg dem Zusammenleben förderlich, wenn man gewisse Mitmenschen quasi zur Spezialität ernannt und ihre Kultur in einem Museeum ausgestellt wird. Wie schon erwähnt: man spricht mit den Menschen um sie kennen zu lernen. Ich werde ja auch nicht zum Nazi nur weil ich alte Bilder und Texte lese, oder vertehe wirklich warum die Leute damals so gehandelt haben.

  3. lionel scheffer said,

    October 13th, 2011, 22:24

    auch die eintrittspreise wurden massiv erhöht. 16 stutz zu verlangen um die kläglichen reste eines einstmals berühmten museums anschauen zu dürfen, ist schlicht eine frechheit.

  4. erwin wohlgemuth said,

    October 13th, 2011, 22:29

    china war nie ein sammlungs- oder forschungsschwerpunkt des museums. aber ich frage mich. ob irgendein pflichtenheft einzuhalten war. ich finde, der basler steuerzahler hat das recht zu wissen, was im museum gelaufen ist.

  5. pit almeida said,

    November 14th, 2011, 22:55

    ich war letzthin wieder einmal im museum der kulturen, das dank des wirkens von frau dr. anna schmid den charme einer nicht fertig ausgeräumten auto-einstellhalle verströmt. meine frage: wann und von wem wird diese frau zur rechenschaftgezogen?

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