Standortvorteil starker Franken

Posted on September 22nd, 2011, September 22nd, 2011 in Uncategorized.

Peter Malama ging unter die Demonstranten. Zunächst lancierte der Gewerbedirektor am basel-städtischen Gewerbetag, vor 650 Gästen in der Markthalle, Appelle an Politik, Gewerkschaften und Konsumenten. Seine Sorge galt dem Basler Detailhandel. Dieser leidet unter der Frankenstärke. In erster Linie wiederholte der Nationalrat Forderungen seiner Freisinnigen Partei, zum Beispiel nach Gewinnsteuersenkungen. Und er bat das Volk, zuhause einzukaufen.

Gewerbedirektor Peter Malama protestiert gegen den Einkaufstourismus. Doch seine Argumente (Bild: Ausriss von Gewerbeverband-Flyer) greifen zu kurz. Unter dem Strich profitiert die Region Basel von der Frankenstärke.

Am darauf folgenden Samstag verteilte Malama, in Anwesenheit herbestellter Medien, am Grenzübergang Riehen Richtung Lörrach Flugblätter an Auto fahrende Schweizerinnen und Schweizer. Er wollte die potenziellen Einkaufstouristen über die Folgen ihres Tuns aufklären.

Es ist unbestritten, dass die Umwelt leidet, wenn jemand Dutzende von Kilometern mit dem Auto zum Einkaufen fährt. Das Argument ist Malama, der sich traditionell für ökologische Anliegen einsetzt, abzunehmen. Wenn er auch gegen den seit Jahrzehnten florierenden Tanktourismus in die Schweiz protestiert hätte, wäre die Aktion noch glaubwürdiger gewesen.

Es ist auch richtig, dass der Basler Detailhandel leidet. Alle anderen Argumente des umtriebigen Politikers gelten vielleicht für das Mittelland, nicht aber für Basel und Umgebung. Wir profitieren hier vielfach vom harten Franken. Denn die Metropolitanregion bildet einen integrierten, grenzüberschreitenden Wirtschaftsraum:

Zum Beispiel der Werkplatz: Die hiesige Wirtschaft produziert billiger, weil sie Grenzgängerinnen und Grenzgängern tendenziell tiefere Löhne bezahlt. Ein Arbeitsplatz in der Schweiz bleibt für diese Pendler dank günstigen Wechselkursen dennoch attraktiv.

Zum Beispiel die Mieten: Da Haushalte ins billigere Elsass und nach Südbaden ausweichen können, bleiben die Mietpreise moderat, rund 500 bis 1000 Franken unter Zürcher und Genfer Niveau. Das gesparte Geld kommt zum Teil dem Detailhandel zugute.

Zum Beispiel beim Einkaufen: Wer über die Grenze fährt (was auch per Fahrrad oder Zug möglich ist), streckt sein Einkommen und kann mehr sparen oder sich mehr leisten.

Zum Beispiel die Volkswirtschaft: Unabhängig davon, ob ich in Basel oder Lörrach einkaufe, bleibt mein Geld im Wirtschaftskreislauf der Region. Die Familie des Deutschen Velohändlers gibt ihr Geld hier aus, nicht anderswo. Wenn Luzernerinnen oder Berner nach Hüningen einkaufen kommen, profitiert Basel mit. Es ist, als ob wir eine Freihandelszone geschaffen hätten, um den Regionalen Detailhandel anzukurbeln.

In letzter Konsequenz müsste Peter Malama, statt an der Grenze Flugblätter zu verteilen, bei Konsumentinnen im Mittelland dafür werben, lieber Lörrach anzusteuern, anstatt Waldshut oder Konstanz. Das wäre echte regionale Wirtschaftsförderung.

Dieser Beitrag reflektiert die Meinung der Autorin / des Autors und nicht zwingend diejenige der Redaktion.

10 Responses to 'Standortvorteil starker Franken'

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  1. Peter Ammon said,

    September 22nd, 2011, 12:28

    Es gibt mehrere Institutionen (Regio Basiliensis usw.) die den Regio Gedanken fördern. Vielleicht ist Herr Malama sogar in einer oder mehreren engagiert, ich wette fast drauf. Sicher taucht er aber immer an deren Aperos auf. Jetzt fällt er plötzlich ins Gärtlidenken, will er etwa eine Mauer hochziehen?

  2. Christian Schärer said,

    September 22nd, 2011, 12:30

    Ich sehe dies auch so. Und ich ich war mit den Eltern und Grosseltern schon Mitte der 80-er in Deutschland (und Frankreich) einkaufen gegangen. Damals lag die Einfuhrgrenze noch bei CHF 50.–/Person, dann war sie mal 100.– und seit geraumer Zeit bei 300.–/Person. Und die Preisdifferenz war teilweise noch grösser wie Heute. Und wissen sie, warum am Samstag niemand aus dem Mittelland und der Innerschweiz nach Weil/Lörrach kam? Die Läden waren zu! Nur am “langen Samstag”, 1x pro Monat, war was am Nachmittag los…Das hat sich ja bekanntlich geändert und damit auch die Gewohnheiten der Konsumenten. Ausserdem ist es so, dass das frei verfügbare Einkommen eines Haushaltes trotz Lohnsteigerung gesunken ist, dank prozentual höherer Ausgaben für Krankenkassen und (Miet-)Wohnen sowie bei der Kommunikation, welche mehr bietet wie vor 20 Jahren. Lebensmittel- und Verkehrskosten sind meiner Meinung nach gesunken, daher rentiert es sich nach D zu rattern und dort einzukaufen, und das auch noch nach 17 Uhr am Samstag…


  3. September 22nd, 2011, 12:36

    Die Argumente wie Basler könnten ins Ausland umziehen um Geld zu sparen oder einfach per ÖV einkaufen, zeigen, wie so genannte “Nachhaltigkeits-Berater” den Blick für die soziale Realität verloren haben. Die meisten Basler dürften durch Niederlassungsbewilligungen oder staatliche Unterstützungen (Sozialhilfe, Prämienverbilligungen usw.) an ihren Wohnkanton gefesselt sein. Aber es so ist einfach, diese Schicht der Bevölkerung auszublenden. Und haben Sie schon mal versucht, per ÖV einen Auslandeinkauf zu machen, der sich von der Menge auch rentiert? Wohl kaum, Tickets und Verbindungen sind unbrauchbar, aber Herr Wiener fährt ja wohl im Prius über die Grenze, denke ich.


  4. September 22nd, 2011, 14:29

    Erstens fahre ich, wenn überhaupt, mit dem Fahrrad oder mit dem Zug über die Grenze und nicht nur zum Einkaufen, aber auch (ich besitze gar kein Auto). Zweitens habe ich nicht davon gesprochen, dass irgendwer umziehen soll. Das günstigere Angebot im nahen Ausland ermöglicht es eben vor allem den Deutschen und Franzosen, dort zu wohnen und hier zu arbeiten, was die Nachfrage nach Wohnraum in der Kernstadt und damit auch die Mietpreise dämpft.

  5. Ernesto said,

    September 22nd, 2011, 13:43

    @ Karsten:
    Nun die meisten Basler sind Schweizer und fühlen sich auch so. Sie wollen ihre Kinder nicht in eine Deutsche oder Französische Schulen schicken. Sie wollen sich nicht in einer neuen Umgebung als Ausländer anpassen müssen… aber trotzdem verstehen sie nicht, dass ein Päckli Barilla-Spaghetti bei uns das doppelte kostet wie auf der anderen Rheinseite – ich auch nicht!

  6. r.meier said,

    September 23rd, 2011, 11:23

    die meisten basler sind schweizer,gehen sie doch mal mit offenen augen durch die stadt,sie meinten wohl das gellert,st alban,riehen und bettingen,täglich verlassen basler unsere stadt,wieder aufgefüllt werden sie durch einbürgerungen ,nachzug und vor allem deutsche bürger
    was herr malama vergessen hat,sind die beider grossverteiler,die uns jahrelang übers ohr gehauen haben,nun probieren sie es,wieder gut zu machen,leider zu spät,auch andere branchen spüren es immer mehr,die uns abgerissen haben,sie als politiker sollten mal ehrlich werden,sie kennen ja die zustände in basel und umgebung,beim roche-turm,messeneubau usw,wird lohndumpung betrieben,aber das wissen sie ja sicher,ich werde sie sicher nicht mehr wählen
    sie haben die vielen grenzgänger vergessen,die bei uns gut verdienen und kaum steuern bezahlen,auch werden sie kaum in basel einkaufen,wären ja schön blöd
    ein grosser teil der bahnen und stände sind auch aus deutschland,also bleibt diese geld auch nicht in der schweiz und wenn die deutschen scharenweise an feiertagen nach basel kommen,profitieren nur ganz wenige,lebensmittel kann man ganz ausschliessen,denkfehler von ihnen,herr fischer

  7. Olaf Baumann said,

    September 22nd, 2011, 14:14

    @Karsten Füllhaas:
    Was Sie schreiben, ist schlicht unbegründete und sachlich falsche Polemik.
    Die offizielle Arbeitslosenquote in BS beträgt 3,4%. Der Anteil der über 65-jährigen liegt bei 20%. Oder man geht über die Erwerbsquote. Im Jahr 2000 lag die für BS bei 77%. Damit ist Ihre Behauptung “die meisten Basler” widerlegt.

    Zum Thema ÖV: Sie können mit der Regio S-Bahn halbstündlich in 8 Minuten vom Badischen Bahnhof nach Lörrach-Museum/Burghof fahren und dort in der Migros einkaufen. Oder drei Stationen weiter und Sie sind beim Kaufland. Ab dem Bahnhof SBB dauert es jeweils ca. 10 Minuten länger. Der Preis für einen Einzelfahrschein (Vollpreis) liegt bei 2,90 Euro. Fahren Sie öfter, können Sie auch hier sparen (Viererkarte, Punktekarte).

  8. Ernesto said,

    September 22nd, 2011, 14:52

    Herr Wiener

    Wenn Sie vom Wirtschaftskreislauf der Region reden vergessen Sie, dass zwischen uns und Lörrach eine Zollstation steht. Diese und vor allem die in der Schweiz bestehenden Handelsmonopole führen dazu, dass die Schweizer nicht im eigenen Land von dem hohen Schweizerfranken profitieren können.

    Die Millionen von Schweizer Franken die (aus verständlichen Gründen) in das benachbarte Ausland fliessen kommen kaum zurück. Auch die Familie Ihres Deutschen Velohändlers wird ihr Geld kaum in der Schweiz ausgeben. Hingegen kämpft der Schweizer Velohändler hier um seine Existenz. Also von einem funktionierendem Wirtschaftskreislauf kann wohl kaum die Rede sein. Und die von Ihnen gepriesene “Freihandelszone” besteht höchstens “ähnen” der Grenze.

    Aber Sie haben recht – die Bürgermeister von Lörrach und Hüningen sind sicher Ihrer Meinung. Ob das unsere Staatskasse auch so sieht – das steht auf einem anderen Blatt.

  9. Dominique Greiner said,

    September 22nd, 2011, 17:09

    Da fehlen mir echt die Worte und mir geht das Messer im Sack auf, wenn ich lesen muss, was Herr Malama vonsich gibt. Hat er nichts Besseres zutun als die Leute an der Grenze aufzuhalten? Für mich grenzt das an Schikane. Früher haben die Deutschen in der Schweiz eingekauft (und die haben kein Wort darüber verloren, dass die eigenen Leute in die Schweiz kommen) und heute gehen wir vermehrt ins Ausland einkaufen. Das ist ein Kreislauft und gleicht sich immer wieder aus. Man sollte die Zeit und Energie dazu nutzen und zusehen, dass unsere Preise angepasst werden!

  10. Jan Fischer said,

    September 22nd, 2011, 18:24

    @Ernesto Die deutschen Familien geben sehr wohl ihr Geld auch in Basel aus. Aber wenn sie dann sogar in Scharen “rüber”kommen (etwa zur Herbstmesse oder an deutschen Feiertagen), stöhnt der sensible Schweizer ja auf und jammert vom “Schwoobedaag” und dass man ja gar nicht mehr in den Stadt kann, wegen den ach so schlimmen Deutschen, die alles verstopfen…
    Aber mal im Ernst: Ob den Mac-Computer, Unterhaltungselektronik, guten Kaffee, die echte Schweizer Schoggi oder die bessere Pasta kaufen viele Deutsche am liebsten in der Schweiz – weil die Qualität hier besser ist und/oder die Preise günstiger bis ebenbürtig. Unbestritten ist jedoch, dass der aktuelle Kurs (und die deutsche Migros-Filialen!) diese Tendenz nun stark hemmen – keine Frage. Aber das Geschimpfe über die Räpplispalter und Einkaufstouristen gabs ja vorher auch schon, seien wir doch ehrlich.
    Und überhaupt: wenn die Deutschen, die ihr Geld in der Schweiz verdienen, sogar “rüber”machen, dort also auch leben, einkaufen und Steuern zahlen, heulen wieder viele Schweizer auf, sprechen von der “teutonischen Invasion” und fragen “Wieviel Deutsche verträgt die Schweiz!?”

    So what?

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