Tettamantis Testament

Posted on December 15th, 2011, December 15th, 2011 in Uncategorized.

Tito Tettamanti ist zurück. Als ehemaliger und neuer Besitzer der Basler Zeitung beherrscht er die wichtigste publizistische Stimme der Region. Der Deal wurde in Zürich angekündigt. Und der neue Eigner heisst weder Sarasin noch von der Mühll, weder Liechtenhan noch Burckhardt, weder Merian noch Vischer und schon gar nicht Faesch.

Dass die Basler Zeitung zeitweise an Christoph Blocher fiel, ist ein Schwächezeichen des Basler Grossbürgertums. Mit seiner wiederholten Übernahme der BaZ sendet Tito Tetta-manti (Bild) eine wichtige Botschaft vom Ticino an den Rhein.

Stolze Namen – Schall und Rauch. Das Basler Grossbürgertum hat sich aus dem Wirtschaftsleben mit wenigen Ausnahmen verabschiedet und betätigt sich vorwiegend (und verdienstvoll) mäzenatisch. Die Sarasin-Bank: Verkauft nach Holland und jetzt nach Brasilien. Der Bankverein: Verscherbelt nach Zürich. Die Maschinenfabrik Burckhardt: Transferiert nach Winterthur. Novartis und Syngenta – geführt von US-Amerikanern, im Besitz der ganzen Welt. Die BaZ – ein Tessiner Blatt, dessen Präsident, CEO und Chefredaktor aus Zürich und dem Aargau stammen. Wollte es denn hier niemand haben?

Auch in der Politik taucht das klassische Basler Bürgertum bloss noch sporadisch auf. Intakt ist hingegen das Engagement der Kader kleiner und mittlerer Unternehmen. Der Freisinn und die CVP überleben knapp dank einer kleinbürgerlichen Basis, die den Karren mit viel Idealismus und Fasnachtsgeist zieht.

Basel ist trotz alledem eine vitale, weltoffene Stadt, die investiert und Investoren anzieht. Die feiert und festet. Die Sport und kulturelle Blüten treibt. Aber ein Bürgertum, das den öffentlichen Diskurs prägt und trägt, das die Richtung vorgibt und Prioritäten setzt, sucht man vergeblich. Links-grün hat diese Rolle übernommen, ohne sie ganz auszufüllen. Der Mehrheit mangelt es an Machtbewusstsein und Mut. Wären wirklich die Parteiprogramme der Sozialdemokraten und der Grünen ihr Massstab, würde Basel ganz anders aussehen.

Eine profilierte Politik gedeiht nur, wenn sie sich reiben kann. Aber Links-Grün sucht vergeblich nach einem starken, herausfordernden Gegenüber. Selbst die Anti-Blocher-Bewegung von «Rettet Basel!» blieb in der laufenden, turbulenten Woche seltsam blass. Die Gründe der Abstinenz sind mannigfaltig: Müdigkeit und Sattheit, die Grenzlage sowie die Kantonstrennung, die einen Teil des Baselbieter Bürgertums von der städtischen Politik fernhält.

Es fehlt an allen Ecken und Enden die kritische Masse. Nur wenn Basel seine Grenzen sprengen kann, sei es dank Metrobasel, mithilfe der Internationale Bauausstellung IBA oder durch Zusammenarbeit mit anderen Kantonen, kommt die Region wieder zu Kräften. Und sie könnte ihre Wirtschaft wieder etwas mehr in die eigenen Hände nehmen.

Das ist Tito Tettamantis Testament und Botschaft: Gewisse strategische Trümpfe wie die Medien, aber auch die grossen Industriebetriebe, den Verkehr und die Finanzwirtschaft kann man nicht ganz den anderen überlassen, ohne einen Standort mittelfristig zu gefährden.

Dieser Beitrag reflektiert die Meinung der Autorin / des Autors und nicht zwingend diejenige der Redaktion.

4 Responses to 'Tettamantis Testament'

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  1. Beat Urwyler said,

    December 15th, 2011, 15:36

    Ich sehe im Gegenteil es als Vorteil an, dass der Daig sich solchen Aufgaben enthält; er hat sich dem Mäzenentum zu gewandt, was auch der Stadt zu Gute kommt. Gerade dadurch, dass andere Unternehmer sich in der Stadt ausbreiten, kommt frischer Wind nach Basel und lässt die Stadt aufblühen. Tradition ist was Gutes, aber sie kann auch andere Pflanzen ersticken…

  2. Claudio Gadola said,

    December 15th, 2011, 17:53

    Weshalb schreiben Sie kein Wort über Herrn Dr. Bundesrat a.D. Nationalrat C. Blocher? Dieser Name wird im Zusammenhang mit diesem Thema in dieser Zeitung Tod geschwiegen. Sie Herr Wiener mit Ihrem Blog geben das beste Beispiel dafür ab. Von wegen keine kritische Masse. Schauen Sie sich die Kommentare auf Seiten andrer Zeitungen an. Weil die BaZ das Thema nicht aufgreift weichen die kritischen Leute dieser Stadt auf andere Formate aus, kommentieren und diskutieren dort und beklagen sich, dass es weder in der BaZ selbst noch auf ihrer Internet-Seite ein Forum gibt wo sie informiert werden oder sie sich beklagen können. Das Grösste ist die heutige Ausgabe der BaZ. Genau zwei (!) Leserbriefe werden zu diesem Thema abgedruckt. Einer pro der andere kontra. Es ist kaum anzunehmen, dass in Wirklichkeit das Verhältnis zwischen den beiden Positionen und bei den eingegangenen Leserbriefen auch 50:50 gewesen ist. Soviel zu Thema Meinungsvielfalt .
    Anstatt dessen schreiben Sie über die Versäumnisse des Grossbürgertums von Basel und der fehlenden “kritischen Masse”. Dass Herr Blocher die Zeitung an Herrn Tettamanti verkauft hat ist wohl niemand anderem vorzuwerfen als Herrn Blocher. Ich bin ausserdem froh, dass die Zeiten vorbei sind als das Basler Grossbürgertum die Politik dominiert hat, gehen zwei, drei Jhr. zurück und schauen Sie sich die Verhältnisse dort an. Dieses Grossbürgertum von dem Sie sprechen kennt seinen Platz und das ist gut so. Viele Leute der Region danken es ihm. Dass es keine starke Opposition gegen die rot-grüne Politik in der Stadt gibt sollten sie eher bei den stärken derselbigen suchen. Eine gemässigte sozialdemokratische und grüne städtische Politik mit Augenmass kann einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren während auf der Landschaft eine bürgerlich dominierte Regierung ein gigantisches Loch in den Haushalt sprengt.
    Nun zu Tettamantis “Botschaft”. Sie wollen dem Leser dieses Bolgs weismachen Herr Tettamanti will uns Baslern lernen die Wirtschaft, den Verkehr, die Industriebetriebe und die Finanzwirtschaft in den eigenen Händen zu behalten und nicht den “anderen” zu überlassen? Welch eine beispiellose und sinnbefreite Aussage! Ein Tessiner Financier kauft die BaZ von dem SVP Politiker der letzten zwanzig Jahren auf dessen eigenen Wunsch, und Sie wollen uns Baslern sagen dies geschieht um uns zurückgebliebenen Baslern zu zeigen, dass wir gewisse strategische Trümpfe in unseren eigenen Reihen behalten sollen? Dies kann nicht Ihr ernst sein.

  3. Rolf Steiger said,

    December 15th, 2011, 19:30

    “Ich bin für liberale Musik”, so die Schlagzeile Tettamantis in der heutigen BaZ. Wie wär’s mit “Neoliberaler Blues”, wohl eher der Wahrheit entsprechend….

  4. Anh Toan said,

    December 18th, 2011, 8:36

    Überschrift “Tettamantis Testament”, erster Satz: “Tettamanti ist zurück.” TT als Gespenst, Auferstehung, Zombie, Linke würden sagen Vampir!

    Daniel Wiener sucht neuen Lebensraum für die Basler (“nur wenn Basel seine Grenzen sprengen kann” “es fehlt an allen Ecken und Enden die kritische Masse”), ein “Anschluss” der Landschaft, vielleicht auch Lörrach, Weil, St. Louis?

    Er beklagt sich, dass die (bald zweihundert Jahre alte) Kantonstrennung, “einen Teil des Baselbieter Bürgertums von der städtischen Politik fernhält”: Warum nur einen Teil des Bürgerturms und warum nicht auch die Baselbieter Linken?

    Weiter beklagt er die Absenz eines Bürgertums, das den öffentlichen Diskurs prägt und trägt. das die Richtung vorgibt: Habe gemeint, in Demokratien prägt und trägt die Mehrheit, nicht das Bürgertum den politischen Diskurs und gibt die Richtung vor: Was habe ich falsch verstanden? Das Bürgertum ist doch zwangsläufig eine Minderheit (1 Patron auf 1+x Angestellte)? Daniel Wiener trauert einer Zeit nach, als man entweder jemand war oder Lohn nahm.

    Generell: Tettamanti kauft nichts, weil er es haben will, sondern weil er es mit Gewinn weiterverkaufen will. Tettamanti hat nur eine Botschaft “pecunia non olet”. Ich werde dies TT nicht vor, ihm jedoch altruistische Motive (Erhalt der Medienvielfalt) zu unterstellen, ist entweder dumm (falls Herr Wiener dies wirklich glaubt) oder der Versuch, die Leser als dumm zu verkaufen.

    Für den Auslandsteil, die Schweiz, die Wirtschaft und den Sport brauchts keine Basler Zeitung, darüber gibts genügend schweizerische und ausländische Medien. Will man etwas über die Spiele hinter den Kulissen mit der BAZ erfahren, wird man z.B. bei der Süddeutschen Zeitung geholfen: http://www.sueddeutsche.de/w5138S/370849/Zurueck-in-Basel.html. Auch der FCB braucht keine Baz, die BAZ braucht den FCB.

    Wenn die Basler Zeitung im Basler Teil nichts anderes hinkriegt, liest man besser Baslerstab.

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