Bio versus Öko

Posted on February 2nd, 2012, February 2nd, 2012 in Uncategorized.

Cordula, die mich manchmal am Biostand auf dem Marktplatz bedient, packte zähneklappernd meine Gemüse ein und wünschte mir einen schönen Tag. In der dunklen Jahreszeit erinnert mich der Basler Markt an den winterlichen Roten Platz: Es weht ein Hauch von Moskau über dem eisigen Pflaster, und das Rathaus thront darüber, als wäre es ein kleiner Kreml. Nur noch vereinzelte Stände bieten der scharfen Bise die Stirn wie die obersten Bonsai-Tannen an der Baumgrenze.

Es ist mitten im Winter, und die Dame verlangt Ratatouille! Ausgerechnet am Biostand! Was haben in dieser Jahreszeit Tomaten, Auberginen und Zucchini auf dem ausgedünnten Markt zu suchen? Lustvoll essen ist anders.

Cordula fragte in die wartende Runde: «Wer ist als Nächster dran?» Neben mir räuspert sich eine gut eingepackte Dame mit adretter Wollmütze: «Ich hätte gern alles für Ratatouille!» Verdutzt bleibe ich stehen. Neben Zwiebeln und Knoblauch postet sie Auberginen, Peperoni in allen Farben, Tomaten, Zucchini, Chilischoten. Alles da.

Es ist mitten im Winter, und die Dame verlangt Ratatouille! Ausgerechnet am Biostand! Was haben daselbst Tomaten, Auberginen und Zucchini zu suchen? Wer Bio einkauft, tut dies der Umwelt zuliebe. Februar-Tomaten aus Marokko oder Südspanien schaden jedoch der Umwelt. Bio hin oder her. Aus ökologischer Sicht habe ich im Winter lieber einen lokalen Lauch aus chemischer Produktion, als einen Bio-Brokkoli aus Sizilien. Der Brokkoli wächst jetzt in beheizten Treibhäusern und wird über hunderte Kilometer im Lastwagen hergekarrt. Bio hin oder her.

Fragt man am Biostand nach, weshalb jetzt Sommergemüse im Angebot sind, dann wird eher mürrisch auf die Kunden-Nachfrage verwiesen. Dasselbe Lied beim Grossverteiler: Es muss immer alles verfügbar sein, auch im Biosortiment. Wer hat als erster den Mut, sich wenigstens beim Bio-Angebot auf Saisonales zu konzentrieren? Keine weit gereiste Importware mehr, dafür mehr verschiedene Rübli, winterharte Salate, Randen und Kohlarten anzubieten? Mit leckeren Rezepten und Aktions-Ständen?

Es geht nicht nur um die Umwelt. Die Saison auf dem Teller bringt auch mehr Freude. Freude auf die ersten Spargeln aus dem Elsass, Freude an reifen, schmackhaften Erdbeeren zur richtigen Zeit. Mehr Bewusstsein dafür, wie die Landwirtschaft, wie die Natur funktionieren – gerade in Haushalten mit Kindern. Mehr kulinarische Abwechslung sogar: Denn es braucht etwas Phantasie, um mit Sellerie und Rotkraut, Marroni und Gelben Rüben, Wirsing und Pastinaken ein tolles Menu zu komponieren.

Gelegentliche Abstecher in die Welt der Zitrusfrüchte oder eine kleine Umweltsünde wegen einem verlockenden Rezept gehören mit einem Augenzwinkern dazu. Dass die freundliche Dame ein sommerliches Kontrastprogramm auf ihren Teller zaubern wollte, ist bei den heutigen Temperaturen gut nachvollziehbar, aber alles andere als ökologisch.

Saisonal essen bedeutet die Jahreszeiten zu erleben statt sich nur zu ernähren. Im Winter fahren wir Ski, im Sommer baden wir im Fluss. Wenn wir uns nicht auch beim Essen lustvoll nach dem Wetter richten: Wozu soll sonst die verdammte Kälte gut sein?

Dieser Beitrag reflektiert die Meinung der Autorin / des Autors und nicht zwingend diejenige der Redaktion.

11 Responses to 'Bio versus Öko'

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  1. David Lerch said,

    February 2nd, 2012, 15:33

    “Aus ökologischer Sicht habe ich im Winter lieber einen lokalen Lauch aus chemischer Produktion, als einen Bio-Brokkoli aus Sizilien. Der Brokkoli wächst jetzt in beheizten Treibhäusern und wird über hunderte Kilometer im Lastwagen hergekarrt. Bio hin oder her.”
    interessanterweise hat ‘lokales’ Gemüse meist eine schlechtere Ökobilanz als solches aus Spanien und Italien. Was nicht heissen soll, dass letzteres unter guten Umständen angebaut wird…

  2. Max Wartenberg said,

    February 3rd, 2012, 7:45

    Über die Ökobilanz von importiertem Gemüse und Früchten werden wir üblicherweise von den Grossverteilern informiert und da liegt auf der Hand, dass die Zahlen zugunsten der Importwaren getrimmt werden. Dass in vielen Anbaugebieten Spaniens der Grundwasserspiegel wegen all den Bewässerungsanlagen gefährlich sinkt, erscheint auch nicht in der Ökobilanz.Darum, umweltbewusste Konsumenten bevorzugen Produkte aus der Region und essen saisonal.

  3. Herbrand said,

    February 3rd, 2012, 10:54

    Gibt es für die angebliche Lüge der Großverteiler auch Beweise oder ist das alles ein Plausibilitätsargument? Die Spanier freuen sich wahrscheinlich über die Maßen, wenn sie in Zukunft noch nicht mal mehr ihr Gemüse exportieren dürfen, um ihre Handelsbilanz aufzubessern. Wie ökologisch sind 30% Arbeitslosigkeit doch gleich? Geht das in Ihre persönliche Ökobilanz mit ein oder nicht?

  4. Müller Marco said,

    February 2nd, 2012, 18:25

    Weil das Denken eben mehr Arbeit abverlangt lässt man andere Denken, wo Bio draufsteht ist auch Bio drin und wo Bio draufsteht mach ich auf jeden Fall etwas für die Umwelt. Wir müssen anfangen wieder selbst zu Denken und uns nicht auf anderes Denken zu verlassen. Ich kaufe selbst regelmässig Bio-Prdukte ein aber, lese immer von woher es kommt, was ist daran so anstrengend? Beim Preis steht meistens Herkunft, und dort sollte Schweiz stehen, oder z.b bei Orangen Italien. Mehr Denken beim Einkaufen hilft dem Gehirn und der Umwelt!

  5. Frank Müller said,

    February 3rd, 2012, 0:34

    Ich sehe die Problematik genau gleich und kaufe im Winter kein oder sehr selten Bio-Gemüse aus Sizilien oder Spanien, wo es mehr als 1’500km mit Lastwagen transport wird. Nicht wirklich sinnvoll und da stimmt auch der Slogan von Coop nicht: keine Kompromisse bei BIO. Bio-Gemüse aus Sizilien oder Spanien ist ein Kompromiss, weil nicht umweltfreundlich! Da kaufe ich lieber Nicht-Bio-Gemüse aus der Schweiz mit kurzen Transportwegen.

  6. Herbrand said,

    February 3rd, 2012, 10:56

    Was ist denn unökologisch an Lastwagentransport? Meines Wissens brauchen Pflanzen CO2 wie wir O2. Mehr CO2 heißt also verschobenes Gleichgewicht Richtung Flora.

  7. Andres Egger said,

    February 3rd, 2012, 1:57

    Der Witz fängt ja damit an, dass ein “BIO”-Stand auf dem Markt im Winter südliches Sommergemüse anbietet! Da bevorzuge ich die Gemüsebauern in Biel-Benken, Oberwil oder Neudorf (für Banausen: Village-Neuf): Dort gibts (preiswertes!) hiesiges Saisongemüse in einer Vielfalt, von welcher man auf dem schweinemässig teuren Basler Märt nur träumen kann. Es gibt wohl keine Stadt in der Schweiz mit einem lausigeren 08/15-Markt wie hier in Basel. Ausweg: Die erwähnten Gemüsebauern oder die “echten” Märkte in Lörrach oder Saint-Louis.

  8. Mulle said,

    February 3rd, 2012, 11:42

    Es gibt die Möglichkeit, ein Bio-Gemüse-Abo beim Birsmattehof (Agrico) in Therwil abzuschliessen. Da gibt es saisonales Gemüse, das an verschiedene Depots geliefert wird. Ist abwechslungsreich und manchmal ist Gemüse dabei, das man man beim Grosserteiler nicht mehr findet, wie z.B. Federkohl usw.

  9. Kurt Seiler said,

    February 3rd, 2012, 12:38

    Der öffentliche Verkehr wird subventioniert dass es chlöpft und tätscht, damit ich noch weiter pendeln kann um mir ein Eigenheim weit draussen zu leisten.
    Aber eine Gurke ist eine schlechte Gurke wenn sie im Laster aus Spanien hergekarrt wird. Verstehe das wer will.
    Auch versteh ich nicht, dass ich in einem Betrieb arbeite der der weltweiten Konkurrenz ausgeliefert ist, ich ständig zittern muss ob der Konkurrenz aus Asien – aber dann bei den Lebensmitteln soll ich Waren kaufen von lokalen Produzenten die nie und nimmer konkurrenzfähig sind.
    Wenn ich jetzt nur noch lokalen Bio-Kopfsalat esse, kann ich dann trotzdem zu meiner jährlichen Shopping Tour nach New York?

  10. Eric Cerf said,

    February 3rd, 2012, 13:05

    Dass Gutbetuchte gerne Bio-Gemüse & Obst einkaufen, liegt auf der Hand, am liebsten beim Andreas Höhener. Saisongerecht essen? Nein, wozu auch? Die haben schliesslich genügend Stutz und argumentieren höchstens mit dem Neid der Besitzlosen.
    Stimmt im Prinzip, den Begriff Ökologie versteht halt jeder anders, nicht wahr?

  11. Max Müller said,

    October 4th, 2012, 10:43

    Es wimmelt in den Kommentaren von Halbwahrheiten und falsch gezogenen Schlüssen. Wenn einer lieber chemisch behandeltes Gemüse kaufen will, ist es seine Sache, seiner Gesundheit zu schaden. Die Ökobilanz wird überschätzt. Heute gibt es schnelle Verbindungen per Schiff, Bahn und Lastwagen. Das Wichtigste ist aber, dass Spanien und Marokko anfangen, nachhaltig zu produzieren. Gerade wegen der Probleme des kontaminierten Grundwassers ist es enorm wichtig, dass diese Länder den Bio-Landbau betreiben. Nur so können sie ihre Böden retten. Wenn wir also Bio-Gemüse und Bio-Früchte aus Spanien o.a.kaufen, helfen wir diesen Ländern vom konventionellen Anbau mit vielen Chemie-Spritzungen und Chemie-Düngungen wegzukommen und den Bio-Anbau zu fördern. Das Ganze wird von Schweizer Bio-Kontrollstellen und der BIOSUISSE seriös überwacht. Weil die Schweizer Bauern es sich zu einfach machen und zuwenig BIO-Gemüse produzieren, muss eben viel importiert werden. Dem Import stellen sie den Marketing-Slogan “REGIONAL – aus der Nähe” entgegen. Dann der Kunde auswählen zwischen chemisch produziertem REGIONAL oder BIO-Produkte aus Italien, Spanien oder Marokko, das gesund ist und auch noch hilft, die Böden und die Natur zu schonen. Leider machen COOP und Migros bei den REGIONALEN Produkten auch mit, weil sie dringend Umsatz brauchen. Es ist nun an jedem Einzelnen, selber eine Entscheidung zu treffen.

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