Einspruch, Herr Bundesrat!

Posted on April 19th, 2012, April 19th, 2012 in Uncategorized.

Bundesrat Ueli Maurer beeindruckte die Eröffnungsgäste der muba durch rhetorische Brillanz. Viele Zuhörerinnen und Zuhörer mussten ihr Vorurteil revidieren, wonach der SVP-Magistrat kaum drei Wörter aneinanderreihen kann. Seine 15-minütige, frei gehaltene Rede kreiste um die Stichworte Sicherheit, Wettbewerb und Freiheit.

Je freier die Marktwirtschaft, umso wichtiger ist das Regelwerk zum Schutz der Schwächeren. Generell gegen Gesetze wettern nur jene, die aufgrund ihrer Machtposition keines Schutzes ihrer Freiheit bedürfen. Eine Replik auf Ueli Maurers muba-Eröffnungsrede. (Bild: Keystone)

Sicherheit ist sein Beruf. Als Chef der Armee verkaufte er mit diesem Schlagwort die Leistungen seines Departements. Angesichts des vielfältigen Angebots an der muba kam ihm der Wettbewerb in den Sinn, der dieses bunte Gemisch an Waren und Dienstleistungen erst ermöglicht habe.

So weit so gut.

Das Thema Freiheit bezog Mauerer direkt auf die Regelungsdichte, die den Wettbewerb behindere und damit einen Schweizer Erfolgsfaktor torpediere. Der Zürcher beklagte, dass Bundesbern allein im letzten Jahr neue Gesetzestexte, Reglemente und Richtlinien im Umfang von 6500 Seiten veröffentlicht habe. Auch 2012 sei man mit bisher 1500 Seiten schon auf rekordverdächtigem Kurs. Den Anteil des Militärs an diesem stolzen Werk verriet er allerdings nicht.

Als Gegenstände der beargwöhnten Regulierung nannte der Bundesrat unter anderem den Jugendschutz, den Artenschutz und den Klimaschutz, die er gnädig mit dem Attribut «sympathisch» bedachte. Sympathisch, aber überflüssig, wie er suggerierte: Die Freiheit sei durch solche Staatstätigkeit bedroht.

Diese Argumentation erntete tosenden Beifall von den 400 anwesenden Honoratioren aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft, Armee und Medienwelt, die Messepräsident Ueli Vischer zuvor, traditionsgemäss langatmig, begrüsst hatte. Es ist Mode, weniger Gesetze und weniger Bürokratie zu fordern. Dasselbe tut die Initiative der Freisinnigen Partei, die letzte Woche eingereicht wurde.

Der Applaus der muba-Eröffnungsrunde macht Maurers Aussagen nicht wahrer: Es ist ein Mythos, dass Gesetze per se auf Einschränkungen abzielen. In vielen Fällen sichern sie die Freiheit des Einzelnen. Ebenso oft setzen sie der Staatsmacht Grenzen. Gesetzlos sind nur die Anarchie und die Diktatur. Ein starkes Regelwerk zum Schutz der Schwächeren ist Grundlage und Rahmen jeder Marktwirtschaft. Generell gegen Gesetze wettern nur jene, die aufgrund ihrer Machtposition keines Schutzes ihrer Freiheit bedürfen.

Doch selbst hier gibt es keine Regel ohne Ausnahme: Ueli Maurer kritisierte die Aufweichung des Bankgeheimnisses als weiteres Indiz für die Einschränkung von Freiheiten. Rückfrage des einfachen Bürgers: Füllen die Regeln, die das Bankgeheimnis festschreiben, nicht auch Hunderte wenn nicht Tausende von Seiten? Und ist es nicht die SVP, die diesen Grundsatz gar in der Verfassung verankert sehen möchte? Auf diesen Paragraphen, Herr Bundesrat, können wir gerne verzichten.

Dieser Beitrag reflektiert die Meinung der Autorin / des Autors und nicht zwingend diejenige der Redaktion.

10 Responses to 'Einspruch, Herr Bundesrat!'

Subscribe to comments with RSS or TrackBack to 'Einspruch, Herr Bundesrat!'.

  1. Daniel Seiler said,

    April 19th, 2012, 13:33

    Herr Wiener, dass nur die gegen Gesetze wettern, die aufgrund ihrer Machtposition keinen Schutz ihrer Freiheit bedürfen, ist ein Chabis. Das wäre etwa das Gleiche, wenn man sagen würde, dass Schwache und Faule die Behütung des Staates fordern, weil sie dann keine Eigenverantwortung übernehmen müssen. Fakt ist, dass immer mehr Bürger aus allen Schichten sich an der staatlichen Einmischung und Bevormundung stören…..

  2. John Peer said,

    April 19th, 2012, 13:36

    Was ist hier die Logik – die “Bösen” produzieren auch Tonnen von unnötigen, bürokratischen Regelungen, darum dürfen wir “Lieben” das auch?
    Und das Bekämpfen von Bürokratie als blosse “Mode” abzutun, ist wohl ein Hohn. Gehen Sie mal nach Frankreich wohnen und erzählen Sie uns, ob all diese Gesetze wirklich die “Freiheit des Schwächeren” so effizient schützen, wie Sie es sich wünschen. Ein Begriff: Public Choice…


  3. April 19th, 2012, 15:20

    Mit was eigentlich kann BR Maurer brillieren? Mit nichts, er liest oder versteht seine Dossiers nicht, er ist ein schlechter Redner, er macht ein relativer blass und desinteressierter Eindruck. Ein solcher unqualifizierter BR habe ich selten erlebt!

  4. Waggis said,

    April 20th, 2012, 23:56

    Herr Kohler, mit allem nötigen Respekt, Sie brillieren auch nicht gerade mit Ihren grammatikalischen Kenntnissen

  5. Goldschild said,

    April 20th, 2012, 0:41

    Naja Herr Martial Kohler, ich freue mich, Sie auf der nächsten BR-Kandidatenliste zu sehen. Sie bekommen meine Stimme – aber ich erwarte von Ihnen einen überzeugenderen Arbeitseinsatz in Bern als es Ueli Maurer bietet……………………………………..

  6. Jürg Allemann said,

    April 20th, 2012, 8:14

    Es ist schon eine gewaltige Ironie, dass Vertreter der “law and order”- Gesellschaft plötzlich weniger law fordern. Vielleicht haben sie inzwischen gemerkt, dass Gesetze nicht nur für die anderen, die Kleinen, gelten, sondern auch für sie. Nun fühlen sie sich in ihrer Freiheit eingeschränkt. Merke: Gesetze sind gut, wenn sie die anderen daran hindern, mich zu stören, Gesetze sind schlecht, wenn sie mich daran hindern, meine eigenen Interessen rücksichtslos zu verfolgen. Was für ein jämmerliches Weltbild diese Leute haben!

  7. Anh Toan said,

    April 20th, 2012, 9:12

    Bravo Herr Wiener: Wir verzichten gerne auf das Bankgeheimnis. Sollten wir einer Straftat verdächtig sein, werden alle unsere Mittel mal blockiert, zur Deckung der Verfahrenskosten und des Schadenersatzes/Genugtuung für das Opfer, wie in den USA. Wir können dann unsere Miete nicht bezahlen, fliegen aus der Wohnung, werden vom Elektrizitätswerk und von der Billag betrieben. Sagen uns dann die Untersuchungsbehörden, sie hätten sich geirrt, den eigentlichen Täter jetzt gefunden, dürfen wir den Scherbenhaufen der aus unserem Leben wurde, selber aufräumen.

    Ich werde nie einem Staat mein ganzes Vermögen deklarieren, auch wenn ich damit mehr Steuern zahle. Ich deklariere nicht mal mein ganzes Vermögen gegenüber meiner Frau: Man mag dies für verwerflich halten, ich halte das umgekehrte für naiv und dumm. Staaten enteignen Vermögen, nicht alle Staaten immer, aber jeder Staat potentiell: So naiv, dass ich glaube, dies könne in meinem Heimatstaat, nie geschehen, bin ich nicht. Ohne Bankgeheimnis bleibt nur, meinen “Notgroschen” für den worst case (der Staat zockt mich ab, meine Frau zockt mich ab), in Goldmünzen und Bargeld aufzubewahren: Statt dass dieses Kapital über Banken der Wirtschaft zugänglich gemacht wird, liegt es “tot”, irgendwo in einem Safe.

    Die meisten reagieren in anderer Weise: Bilde ich keine Ersparnisse, verlasse mich für Notfälle auf Versicherungen und den Staat, kann ich auch nicht enteignet werden. Dies ist die einzige vernünftige und legale Reaktion. Ist das gut?

  8. Anh Toan said,

    April 25th, 2012, 11:15

    Ein US Gericht hat sämtliches Vermögen der Bank Wegelin in den USA eingefroren. Auch wenn ich der Meinung bin, Wegelin hätte ihre Werbung viel zu prominent auf das Bankgeheimnis, und viel zu wenig auf die Qualität ihrer Dienstleistungen fokussiert, stört mich die Beschlagnahmung, weil sie vor einer Verurteilung erfolgte, wer sich nicht daran stört, verkennt schlicht, dass damit dem Angeklagten mangels Mittel keine realen Verteidigungsmöglichkeiten mehr bestehen, wird eine juristische Person angeklagt, “stirbt” (geht pleite mangels Liquidität) sie, womit der Prozess und eine Verteidigung gegenstandslos werden. Ohne Recht auf ein Urteil durch ein von den Strafverfolgungsbehörden unabhängiges Gericht, können wir auch auf sämtliche Grundrechte verzichten, wir können diese ohnehin nicht geltend machen. Darum brauchen wir ein Bankgeheimnis!

    Wer glaubt, mit Abschaffung des Bankgeheimnisses gäbe es weniger Steuerhinterziehung, und es gehe den Mächtigen nicht lediglich um Ausbau der Macht, nicht im Sinne einer Verschwörungstheorie, sondern im Sinne paralleler Interessen (jeder Politiker will Macht, darum wurde er Politiker), erscheint mir schlicht naiv, um nicht zu sagen blind: Es gibt tausende von Möglichkeiten, Vermögen und damit erzielte Erträge vor dem Fiskus zu verstecken, die Einzahlung auf ein “schwarzes” Bankkonto ist eine davon. Die Party an den Kunst und Antquitätenmärkten, das Wachstum der Uhrenexporte trotz starkem Franken oder der massiv gestiegende Bedarf an CHF Tausendern, sind doch offensichtliche Zeichen, dass schlicht andere Mittel zum Erreichen des gleichen Zwecks angewendet werden.

  9. Andy Ungricht said,

    April 20th, 2012, 19:47

    Grundsätzlich ist es schon erschreckend, wie viele Leute sich über die SVP aufregen und gleichzeitig deren Parteiprogramm gar nicht kennen, sondern sich von der zu 90% SVP-feindlichen Presse verleiten lassen.

  10. Peter Waldner said,

    April 21st, 2012, 11:09

    “Chabis” ist viel mehr die krankhaft detaillierte Überregulierung und -administrierung. Das Resultat ist einerseits die Einschränkung der Aktivität und Kreativität; andererseits aber führt es dazu, dass man Gesetze und Regeln gar nicht mehr so ernst nimmt, weil kaum mehr einer die Übersicht behalten kann.

Post a comment