Wonderful Baselbiet

Posted on April 26th, 2012, April 26th, 2012 in Uncategorized.

Es gibt Momente, da singe ich, ohne lange nachzudenken, im Chor der Stimmen mit, der die Wiedervereinigung beider Basel unverzichtbar findet. Letzten Samstag kam ich wieder einmal ins Grübeln: Brauchen wir nicht ein unabhängiges, kooperatives Baselbiet, das jubiliert, das leidet, das sich behauptet, das sich immer wieder selbst erfindet, ja, erfinden muss?

Die Zukunft ist unsicherer und offener denn je. Erfolgreich bestehen können Gemeinwesen nur innovativer Planung, unter Beteiligung breiter Kreise. Auch von Kindern und Ausländern. Wer hat’s erfunden? Das Baselbiet. (Bild: Hannes-Dirk Flury)

Dieser Kanton ist politisch hoch erfolgreich: Er initiierte beispielsweise die Idee des Zivildienstes als Ersatz für Gefängnisaufenthalte für Militärdienstverweigerer. In seinem Schoss entstand die radikale Schweizer Anti-AKW-Bewegung, die soeben mit dem Beschluss zum Ausstieg aus der radioaktiven Müllproduktion ihren grössten Triumph feiern konnte.

100 Baselbieterinnen und Baselbieter, dazu einige Gäste aus Basel, trafen sich letzten Samstag im Sissacher Schloss Ebenrain, um in die Zukunft zu blicken. Das Baselbiet braucht Visionen, waren sich alle einig. Kulturchef Niggi Ullrich hatte das passende Bonmot von Helmuth Schmidt im geistigen Gepäck. Oft werde nur der erste Satz zitiert: «Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.» Doch der ehemalige Bundeskanzler habe noch einen zweiten hinzugefügt: «Wer eine Vision hat, kann sich glücklich schätzen.» Genau darum ging es im Ebenrain.

Die Selbstbehauptung des Baselbiets setzt Reflexion und gemeinsames Handeln voraus. Kein Kanton – vielleicht mit Ausnahme des Juras – ist so sehr ein Willenskanton wie Baselland. «Mir wei luege», hiess es mal. «Mir wei fürsi luege», hiess es im Ebenrain. Das Fazit von vier Fachreferaten und Arbeitsgruppen war: Die Zukunft ist unberechenbar, wir können inhaltlich kaum planen. Wir können aber unser Gemeinwesen auf Überraschungen einstellen, auf ein Spektrum möglicher Zukünfte.

Es nervt, dass mein Korrekturprogramm das Wort Zukünfte als Fehler rot unterstreicht. Es will mir sagen: Die Mehrzahl von Zukunft gibt es nicht. Aber genau dies behauptet – zu Recht – das Baselbiet, seit letzten Samstag.

Der neue Impuls, der inmitten blühender Fruchtbäume geboren wurde und das Baselbiet auf alle möglichen Zukünfte vorbereiten wird, heisst Partizipation. Beteiligung der Bevölkerung an der Planung, Gestaltung, Innovation. Zum Beispiel, um die Qualität der Siedlungen in den Mittelpunkt der Entwicklung zu rücken. Oder beim Haushalten mit knappen Rohstoffen das Zusammenrücken auf kleinere Räume zu erlauben.

Wenn in 20 Jahren das Stimmrechtsalter Null (mit Vertretung der Kinder bis 16 durch die Eltern) auf eidgenössischer Ebene eingeführt wird, wenn allenthalben Jugendräte wichtige entscheide fällen und Ausländerinnen und Ausländer umfassend mitwirken können, wird man sich fragen: Wer hat’s erfunden? Das Baselbiet, wird die korrekte Antwort nicht nur für Ricola lauten.

Dieser Beitrag reflektiert die Meinung der Autorin / des Autors und nicht zwingend diejenige der Redaktion.

3 Responses to 'Wonderful Baselbiet'

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  1. Christoph Meury said,

    April 26th, 2012, 11:43

    Die Zuversicht und den Enthusiasmus von Daniel Wiener müsste man haben. Dabei lehrt uns der Alltag etwas Anderes:

    Mit viel medialem Wirbel wurde vor ziemlich genau einem Jahr die Baselbieter «Kultur-Tagsatzung» angekündigt und mit viel Schweiaweia wurde die Übung dann ja auch vor laufender Kamera und öffentlichkeitswirksam zelebriert.
    Ein Jahr danach muss man sich jetzt fragen, was aus all dem gesammelten Material und den tollen Ideen, welche in das angekündigte Konzept (zukünftige Kulturförderung) hätte einfliessen sollen, passiert ist.
    Aber leider kommt aus Liestal keine konkrete Antwort. Auch RR Urs Wüthrich vertröstet die Öffentlichkeit in seinem Interview in der Basellandschaftlichen Zeitung vom 19. April 2012 auf einen Zeitpunkt im Irgendwann. Das ist wahrlich kein berauschendes Resultat, wenn man bedenkt, dass in diese Tagsatzungs-Kulturexerzitien viel Fremdenergien (vielleicht auch ein bisschen Hoffnung) und ziemlich viel schnödes Steuergeld (130’000.-) geflossen sind.

    Wir wollen doch gelegentlich wissen, wie es zukünftig mit der Volkskultur läuft im Baselland, oder wie in naher Zukunft das Verhältnis zur Stadt definiert wird und wo die entsprechenden Gemeinsamkeiten und Kooperationen liegen, welche Kulturaufgaben die BL-Gemeinden übernehmen müssen/dürfen, etc., etc.

    Wir haben zahlreiche Ideen und Vorschläge deponiert und diskutiert und leider nie eine Antwort erhalten. Da fragt man sich doch als besorgter Zeitgenosse, ob die gesammelten Materialien hinterrücks einfach diskret entsorgt wurden….quasi die Ergolz runter!

    Nach einem Jahr des Nachdenkens und der Auswerten muss jetzt etwas Brauchbares auf den Tisch gelegt werden! Alles andere wäre ein Missbrauch der engagierten Öffentlichkeit, welche sich einen Tag frei genommen hat, um an der «Tagsatzung» teilzunehmen.

    Soviel zur Euphorie von Daniel Wiener und den Vision des Kantons BL als potentielle Zukunftswerkstatt der Region.

  2. Daniel Seiler said,

    April 26th, 2012, 17:04

    Der Enthusiasmus ist ja auch verständlich – so war ja gemäss Onlinereports Daniel Wiener auch der Moderator des Treffens 🙂

  3. Daniel Seiler said,

    May 9th, 2012, 10:51

    Ich will klarstellen, dass ich, Daniel Seiler, Strafgerichtspräsident, den Kommentar vom 26.4.2012 nicht verfasst habe!

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