Masse und Moral

Posted on June 7th, 2012, June 7th, 2012 in Uncategorized.

Anfangs der 80-er Jahren war Basel eine Schmutzstadt: Ein Schwumm im Rhein bescherte Ausschläge, ein Schluck daraus Durchfall. Die Luft war geschwängert von Abgasen aus Autos, Heizungen und Chemie. Einziger Trost: «Littering» gab es damals weder als Tätigkeit noch als Begriff.

Von einer velogerechten Stadt ist Basel noch weit entfernt. Auf der anderen Seite begrün-det Velofahren auch keine Vorrechte mehr. Die höhere Moral der Pedaleure ist jetzt an ihr rücksichtsvolles Verhalten gebunden.

Wenn füllige Regierungsräte morgens ins Büro strampelten, anstatt das Auto zu nehmen, war das noch eine Schlagzeile samt Zeitungsfoto wert. Das Rad erlaubte es auch älteren Semestern Eigenschaften wie Jugendlichkeit, Sportsgeist und Individualismus zur Schau zu tragen. Der Velofahrer war ein sauberer, ja, mutiger Musterbürger. An der Umweltmisere trug er keinerlei Schuld. Und er war frei.

Frei beispielsweise, die Verkehrsregeln zu missachten. Denn die moralische Überlegenheit des Velos war im Vor-Katalysator Zeitalter so offensichtlich, dass ihm andere Verkehrsteilnehmer, insbesondere motorisierte, schuldbewusst den Vortritt liessen.

Aus dieser Periode stammt die Mentalität, die eine Minderheit der Radler noch heute beseelt: Ein Fahrrad darf alles. Links und rechts überholen, irgendwo rasch abbiegen, bei Rot über die Kreuzung, auf dem Trottoir und auf Spazierwegen rasen. Wem fiel das schon gross auf, bevor das Velofahren als «Biken» so richtig in Mode kam?

Meine Kolumne von letzter Woche über die Velo-Parkplatznot löste eine Flut von Tiraden über frech flitzende Zweiräder aus. Ein Muster: «Vielmehr würde mich freuen, wenn Sie über die Verwilderung auf Basels Strassen durch die Velofahrer schreiben würden.» Bitte sehr: Wenn eine Pioniertat zum Massenphänomen mutiert, sind neue Normen nötig. So gelten seit es Stau gibt am Mount Everest andere Regeln als bei der einsamen Erstbesteigung durch Edmund Hillary und Sherpa Tensing Norgay 1953.

Neue Regeln sind nicht gleich bedeutend mit neuen Vorschriften. Die bestehenden Paragraphen genügen durchaus. Will das Fahrrad jedoch seine Vormachtstellung als bevorzugtes Stadtvehikel beibehalten oder gar ausbauen, müssen sich dessen Lenker neu orientieren. Ich plädiere nicht für sklavisches Befolgen des Strassenverkehrsgesetzes. Nachts um zwei Uhr stört es kaum, wenn ein Pedaleur angesäuselt und in die falsche Richtung die Freie Strasse hinauf hechelt. Aber nachmittags um zwei sehr wohl, wenn einer im Karacho hinunter blocht.

Niemand war auf diesen Fahrrad-Boom vorbereitet. Aber jetzt, wo er erfreulicherweise da ist, müssen sich alle Beteiligten neu orientieren. Das gilt zunächst für die Basler Infrastruktur-Entwickler: Von einer velogerechten Stadt sind wir noch weit entfernt. Auf der anderen Seite begründet Velofahren auch keine Vorrechte mehr. Die höhere Moral der Radler ist jetzt an ihr Verhalten gebunden. Rücksicht ist ein kleines Opfer, das die Reisegeschwindigkeit kaum einschränkt und noch weniger den Genuss.

Dieser Beitrag reflektiert die Meinung der Autorin / des Autors und nicht zwingend diejenige der Redaktion.

13 Responses to 'Masse und Moral'

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  1. Andi Meier said,

    June 7th, 2012, 11:58

    Ich (Velofahrer) rege mich auch über die auf, die sich verhalten, als gäbe es Verkehrsregeln nur für Autofahrer. Die Autofahrer sind aber auch nicht über jeden Zweifel erhaben. Erschreckend oft entkam ich nur mit Glück Kollisionen, wenn ein Auto vor mir plötzlich abbiegt ohne zu blinken oder der Rechtsvortritt einfach nicht beachtet wird.

  2. Rolf said,

    June 7th, 2012, 16:00

    Velofahren ist überhaupt nicht Klimafreundlich. Die Kalorien die unsere Muskeln verheizen (wirkungsgrad 25%!! d.h 75% geht in die Wärmegewinnung, Hirn )stammen aus Nahrungsmittel welche überhaupt nichts mit Klimaneutral zu tun haben. Verpackung, Transport und die herstellung der Nahrung selber.

  3. Hans Baerwart said,

    June 7th, 2012, 17:27

    Gehirndiarrhoe auch! Er löst beim Leser Kopfschütteln und Lachkrämpfe aus, welche die Erdrotation beinträchtigen könnten und so die Klimaveränderung beschleunigen.
    Als ob ein Meinsch sein Essverhalten ändern würde, nur weil er mit dem Velo anstatt mit dem Bus/Tram/Auto ins Geschäft fährt. Meine Güte…

  4. Ulrich Umpfenwengler said,

    June 7th, 2012, 17:38

    Dieser Beitrag schlägt noch nicht die Nummer 1, als ein Anrufer im Radio erklärte, die Asylanten seien am Ozonloch schuldig. Aber man darf schon erwähnen, dass Rolfs wissenschaftlich bis ins letzte Detail fundierte Aussage schon mal zur Nummer eins dieses Jahr gehört. Manchmal ist es im Leben doch wichtig, sich nicht nur um die richtige Nahrung, sondern vorallem auch für die entsprechende Durchblutung des Hirns zu kümmern.

    Dankeschön.

  5. Fredy said,

    June 7th, 2012, 18:09

    @Rolf. Ist das ironisch gemeint ? oder Ihre volle Absicht? Wenn ja dann dürfte es keine Fitnessstudios mehr geben, es dürfte dann niemand mehr Sport betreiben. Also sämtliche Aktivitäten die man macht wären dann ja klimaunfreundlich also auch Fensterputzen Staubsaugen usw.
    ABer das hat hier mit dem Thema nix zu tun.

  6. Seppätoni said,

    June 7th, 2012, 19:27

    Es ist eine absurde Äusserung, wenn du, Rolf, sagst, dass Velofahren nicht klimafreundlich sei. Energiezufuhr durch Nahrung einerseits und Mobilität andererseits sind zwei verschiedene paar Schuhe. Oder glaubst du am Ende noch, mit einem klimafreundlichen Auto bist du grüner unterwegs als mit dem Velo?? Zur Info: Ein Ottomotor bringt es auch nur gerade auf rund 38% Wirkungsgrad. Und um mit einem Auto bewegst du dann gleich noch eine Tonne an Masse mehr in der Gegend rum. Das ganze sieht bei anderen Verkehrsmittel nicht viel besser aus. Drum mein Tipp: Fahr wiedermal Velo, Rolf, und reinige deinen Kopf im frischen Fahrtwind!!

  7. Emett Brown said,

    June 7th, 2012, 19:49

    Ein Auto braucht 99% des Treibstoffs nur um sich selber zu transportieren. Vielleicht 1% für die Insassen. Aber Ihr Kommentar kann ja wohl sowieso nur ironisch gemeint sein…echt lustig…

  8. Felix said,

    June 7th, 2012, 21:00

    So einen Unsinn habe ich noch selten gehört. Glaubst Du, dass derjenige im Auto viel weniger Nahrung zu sich nimmt – erst recht, wenn er sich über die Velofahrer aufregt und deshalb sein Hirn umso mehr Glucose verbraucht!

  9. Rolf said,

    June 7th, 2012, 22:36

    Ein E-Bike zu benutzen (Wirkungsgrad 90%) ist somit energetisch viel sinnvoller als wertvolle Kalorien für die Fortbewegung zu verschwenden. Darüber sollten sich mal die Klimaterroristen (Velofahrer) ein paar Gedanken machen. Aber bitte nicht mit dem eigenen Gehirn!!

  10. Hans Baerwart said,

    June 8th, 2012, 8:37

    @Rolf Sie sind ein Spassvogel. Da vereinen sich bei Ihnen ja gleich zwei Feindbilder. Velofahrer und Ökoaktivisten. Zusammen ergibt das Ihr Klimaterrorist! Ihre Worthülsen sind leider nur Platzpatronen. Aber immerhin gehen Sie mit gutem Beispiel voran. Ein paar Synapsen gekappt, Nervenzellen stillgelegt und schon wieder ein paar Kalorien beim Denken gespart!

  11. Rolf said,

    June 8th, 2012, 9:44

    Ich ernähre mich grundsätzlich nur von Flugmangos. Jetzt stellen sie sich mal die CO2-Sauerei vor wen ich nur mal zu meinem Velo laufe..

  12. Hans Baerwart said,

    June 8th, 2012, 13:23

    😉

  13. roger said,

    June 8th, 2012, 9:45

    den velofahrern gehört auch langsam das trottoir,rücksicht gibt es nicht mehr,nein nicht die jugendlichen,es sind vorwiegend mittelalteriche grüne und sonstige linksangehauchte,fussgängerstreifen kennen sie sowieso nicht nicht,fussgänger sollen gefälligst aufpassen,so siehts aus

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