Mehr als wohnen

Posted on June 28th, 2012, June 28th, 2012 in Uncategorized.

Im September will der Basler Regierungsrat dem Parlament das neue Wohnraumförderungsgesetz vorlegen. Es ist der erste Anlauf der Politik seit 1999, die Bevölkerungsentwicklung über Wohnungsbau zu steuern. Damals peilte das Aktionsprogramm der Werkstadt Basel die Realisierung von «5000 neuen Wohnungen in zehn Jahren» an. Während die Bevölkerungszahl im Stadtkanton zuvor während eines viertel Jahrhunderts gesunken war, begann sie bald darauf wieder zu steigen.

Im begrenzten Raum von Basel-Stadt ist die Stabilisierung oder gar ein Wachstum der Einwohnerzahl eine Frage der Dichte: Menschen müssen Vorteile darin sehen, in kleineren Wohnungen zu leben. Die Lösung liegt im Quartier. (Bild: Pino Covino)

Vieles deutet darauf hin, dass sich die Bewegung «Zurück in die Stadt!» in Zukunft noch weiter verstärken wird. Der Leerwohnungsbestand Basels nimmt ab und touchiert schon den Grenzwert zur Wohnungsnot. Folgerichtig legt die Wohnraumstrategie des Basler Regierungsrates, auf die sich das anstehende Wohnraumförderungsgesetz stützt, den Schwerpunkt auf die Bereitstellung von Wohnungen. Überdies setzt sie auf sogenannte «Subjekthilfe» für Menschen, die sich die marktgängigen Mieten nicht leisten können.

Doch die Wohnungsfrage stellt sich heute weit komplexer dar: Die ökologisch, sozial und wirtschaftlich erwünschte Verdichtung der Besiedlung ist nur möglich, wenn die Wohnraumförderung das Wohnumfeld mit berücksichtigt und beeinflusst.

Ausschlaggebend für die Wohnortwahl in der Stadt waren früher die Zentralität und ein ruhiges Schlafzimmer. Heute sind die Ansprüche differenzierter, je nach Lebenslage: Gibt es in der Nähe eine gute Kinderkrippe? Kann man in diesem Quartier vielfältig einkaufen? Hat es coole Restaurants? Sind die Verkehrswege sicher, speziell für velofahrende Kinder auf dem Schulweg? Wie gut durchmischt sind die Schulklassen im Stadtteil? Gibt es Quartierstrukturen, welche Gemeinschaft begünstigen, zum Beispiel eine Badi, Kultureinrichtungen, Bibliotheken, Parks und Strände mit Grillstellen, Spielplätze, öffentliche Gärten, einen Polizeiposten, eine Post? Hat es Mobility-Standorte fürs Autoteilen, Fahrradabstellplätze, Spitex, Spital und Altersheime? Kann ich in der Nähe meiner Familie und Freunde wohnen?

Wie diese Beispiele zeigen, ist die Gleichung der dichten Stadt so komplex, dass sie sich nur als Querschnittsaufgabe aller Departemente und in Zusammenarbeit mit Investoren lösen lässt.

Im begrenzten Territorium von Basel-Stadt ist die Stabilisierung oder gar ein Wachstum der Einwohnerzahl eine Frage der Dichte: Menschen müssen Vorteile darin sehen, in kleineren Wohnungen zu leben. Voraussetzung dafür sind gute öffentliche und private Einrichtungen, dank denen sich Gross und Klein auch ausserhalb der eigenen vier Wände zu Hause fühlt. Ein Wohnraumförderungsgesetz kann daher seine Ziele nur erreichen, wenn es private Investoren und Genossenschaften belohnt, die das Quartierleben und ökologisches Verhalten fördern. Etwa indem sie in ihrer (bestehenden oder neuen) Siedlung auch den Raum und die Einrichtungen dafür schaffen.

Dieser Beitrag reflektiert die Meinung der Autorin / des Autors und nicht zwingend diejenige der Redaktion.

6 Responses to 'Mehr als wohnen'

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  1. Rolf said,

    June 28th, 2012, 14:48

    Bei Hühner verboten ist es die Lösung für Menschen – Batteriehaltung. Am besten in einem sozialistischen Plattenbau.

  2. Karl Linder said,

    June 28th, 2012, 18:28

    Es ist Herausforderung für Städteplanung und Architekten, dass sie es schaffen, einerseits qualitativ höhere Gebäude zu bauen, die aber andererseits keine Ghettosituation schaffen in den Quartieren. Mit der Verdichtung ist es so eine Sache. Alle reden/schreiben davon und finden es gut (ich auch..). Das grosse Aber folgt sogleich: Wenn dann ein Eigentümer in einem dichten Quartier ein neues Haus bauen möchte, organisieren sich – nennen wir sie mal ‘linke Spiesser’ – die unmittelbaren Nachbarn und möchten das drollige Hexenhäuslein erhalten (wo nur 2-3 Personen drin wohnen…). Bekenntnis zur Moderne und einer guten Wohnqualität ist nicht unbedingt eine Haltung, die Mehrheiten begeistert. Die Bewahrer scheinen stets die Mehrheit zu repräsentieren.

  3. Kurt Seiler said,

    June 29th, 2012, 11:08

    Basel hat 25 qkm und ist gebaut.
    Und zwar schon lange und auch schon lange dicht bebaut.
    Jede weitere Verdichtung mindert die Lebensqualität, da kann jeder Architekt und Städteplaner behaupten was er will.
    Für was sollen überhaupt mehr Leute in der Stadt wohnen?
    Schlussendlich gehts wohl nur ums liebe Geld. Laufende (zu) hohe Ausgaben müssen gedeckt werden.
    Da Basel seine Ausgaben nie und nimmer senken will, muss wohl zwangsläufig die Bevölkerungszahl gepuscht werden.
    Was für ein Irrsinn!
    Man stelle sich mal ein Basel mit vielleicht 100000 bis 150000 Einwohnern. Wäre das nicht verlockender?

  4. Franz Mueller said,

    June 29th, 2012, 14:27

    @kurt seiler: Ja, schöne Aussichten- eine Stadt für 150-200000 Einwohner, aber für wen den? Nur für die Reichen? In der Altstadt am Spalebärg/Rosshof etc. ist es schon lange so.Wohnungen gehen dort nur unter der Hand weiter- zu sündhaft hohen Mieten. In der übrigen Innenstadt ist es ähnlich, wer nicht vermögend ist, oder ein Geschäft/Lokal in BS betreibt, ist fast immer chancenlos. BS muss aufpassen, dass ein guter Mix der Wohnbevölkerung erhalten belibt. Ergo, muss es noch Quartiere geben, wo der kleine Mann/Frau zu erschwinglichen Mieten weiter wohnen kann. Neubauten können nie günstig sein, im Gegenteil! Sanfte Renovationen gab/gibt es, Gott-sei-Dank, Hauseigentümer die soziale Verantwortung noch wahrnehmen. Verdichtetes Bauen wird BS in Zukunft immer mehr prägen müssen, Hochhäuser wie der neue Rochteturm wachsen jetzt aus dem Boden.

  5. Kurt Seiler said,

    June 30th, 2012, 11:32

    Nein, genau das Gegenteil ist der Fall.
    Basel ist die Stadt der Armen, der Gescheiterten.
    Viele Quartiere pfeiffen aus dem letzten Loch. Dreck, Kriminalität und veraltete Bausubstanz – in Basel wird so nie Druck von Wohlhabenden oder Reichen entstehen. Den guten Mix der Bevölkerung, den Sie so anstreben, gibt es in vielen Quartieren schon längst nicht mehr.
    Wer reich ist in Basel ist automatisch ein Bonze – unerwünscht. Wer den immer grösser werdenden Teil an Nettobezügern finanziert wird einfach vergessen.
    Sie wollen am Spalenberg wohnen – zu einem Mietzins wie in einem Aussenquartier !! Meinen Sie das im ernst ?

  6. Tilmann Schor said,

    June 30th, 2012, 12:03

    Beim Bonmot >die Stadt ist gebaut< darf man nicht zurücklehen, ohne gleichzeitige Zugeständnisse an die Baulobby. Bauen am Ring finde ich gut. Was kann man aber dort sehen? Alterswohnungen im Fussballstadion, an den Bahnhöfen und im Autobahnkreuz. Also Lärmschutz mit zeitgemässer Geste, erstellt durch renommierte Stararchitekten? Nicht so toll. Fallen bald auch noch die Friedhöfe dem Baggerzahn zum Opfer? Ich finde, der Verkehr darf nicht einfach freundlich integriert werden. Schon garnicht untertag. Tunnel vernichten Geld und somit soziale Hochbauprojekte. Weiträumiger angelegte Stadtstrassen wären in meinen Augen die Lösung und ermöglichten innerhalb da und dort auch mal eine Bausünde abzureissen um als Piazza umzunutzen.

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