Erdrutschsieg der Linken

Posted on September 6th, 2012, September 6th, 2012 in Uncategorized.

Ginge es nach Markus Somm, diskutierten wir beim Wahlkampfthema öffentliche Sicherheit nicht über Polizei oder Prävention. Es ginge ausschliesslich um unser Menschenbild. Der BaZ-Chef konstruiert in dieser Frage einen ideologischen Krach zwischen Sozialdemokraten und Bürgerlichen (BaZ vom 1. September 2012). Die Linken sähen Straftaten zu Unrecht als Ausdruck gesellschaftlicher Fehlentwicklung. Die Rechten hingegen, würden das Böse effizient eliminieren, indem sie möglichst alle Täter wegsperrten.

Sozialer Ausgleich ist die beste Prävention gegen Kriminalität. Das sehen auch die meisten Bürgerlichen so. Müsste man ein Linker sein, um diese Politik mit zu tragen, käme es bei den Basler Wahlen am 23. September zu einem sozialdemokratischen Erdrutschsieg. Das ist aber kaum zu erwarten. (Bild: Keystone)

Dieser Gegensatz ist gekünstelt. Das Entsetzen über den Holocaust hat seit dem Zweiten Weltkrieg unzählige literarische und wissenschaftliche Recherchen über den Ursprung von Verbrechen ausgelöst. Zwar kennen wir noch nicht alle Details. Aber wir wissen inzwischen viel mehr, als uns Somm weismachen will.

Angst und Aggression, zwei überlebenswichtige Reflexe, wirken bei Straftaten zusammen. Das gilt für Kleinkriminelle und Mörder ebenso wie für geldgierige Banker. Auch die Gene und frühere Erfahrungen entscheiden von Fall zu Fall mit, wie ein Mensch in bestimmten Situationen reagiert. Ausschlaggebend sind jedoch die Gelegenheit, die Diebe macht, und die gesellschaftliche Stellung des Täters.

Zum Glück wuchs Markus Somm in der Schweiz als Sohn eines wohlhabenden Managers auf. Das gab ihm materiell hervorragende Startchancen. Wäre er in ein armes Elternhaus hineingeboren worden, hätte er ein paar zusätzliche Hürden überwinden müssen, um schliesslich ein unbescholtenes, finanziell sorgloses Leben führen zu können. Noch etwas dorniger wäre sein Lebensweg geworden, wenn zur familiären Armut noch ein harter Schicksalsschlag hinzugekommen wäre, zum Beispiel die Flucht aus einem Kriegsgebiet. Aber auch dann hätte der Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär gelingen können.

Denn eine offene, soziale Gesellschaft, die Leistung honoriert, unterstützt diesen Aufstieg. Ob ich Angst und Aggression konstruktiv oder destruktiv einsetze, hängt davon ab, wie mir die Gesellschaft in kritischen Lagen entgegen kommt. Je unüberbrückbarer die sozialen Unterschiede erscheinen, umso höher ist die Zahl der potenziell Unzufriedenen, Verzweifelten und Kriminellen. Das illustrieren Beispiele wie Rio de Janeiro, Süditalien oder Johannesburg.

Daher setzen die Schweiz und Basel in der Vorsorge gegen Verbrechen nicht nur auf Repression, sondern mithin auf persönliche und politische Solidarität. Diese Haltung teilen auch bürgerliche Kreise. Sie haben somit, laut Markus Somm, ein sozialdemokratisches Menschenbild. Würden sie entsprechend wählen, käme es am 23. September zu einem linken Erdrutschsieg. Doch zum Glück ist eine differenzierte Denkweise in diesen Fragen auch mit bürgerlichen Idealen vereinbar. Und so bleibt die Ausgangslage spannend.

Dieser Beitrag reflektiert die Meinung der Autorin / des Autors und nicht zwingend diejenige der Redaktion.

12 Responses to 'Erdrutschsieg der Linken'

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  1. Beat Bannier said,

    September 6th, 2012, 9:26

    Wo liegt denn hier ein sozialer Ausgleich vor, wenn die Migranten hier zwar ein mehrfaches an Mitteln zur verfügung haben als Ihre zuhausegeblibene Verwandtschaft aber hier, im Vergleich, sind sie wieder die Aermsten und aussichtlosesten und das wird ihnen noch viel Bewusster.

  2. Erich Meier said,

    September 6th, 2012, 9:46

    Darum wollen die Linken auch keine Verstärkung von Polizei, Staatsanwaltschaft usw.: Damit sich die wenig Habenden ungestört an denen bereichern können, die es durch Fleiss und Anstrengung zu etwas gebracht haben. Das ist anscheinend das, was sich viele Linke unter “sozialem Ausgleich” vorstellen. In diesem Sinne hat der Mitte-Links dominierte Grosse Rat eine Aufstockung der Staatsanwaltschaft abgelehnt. FDP-Regierungsrat Gass findet, in Basel gebe es kein Sicherheitsproblem (es lassen sich natürlich immer Städte finden, wo es mehr Kriminalität gibt). Wer anderer Meinung ist, kann nur noch SVP wählen.

  3. Frank Tork said,

    September 6th, 2012, 10:42

    Ich glaube, sie verstehen das ganze Konzept von “sozialem Ausgleich” falsch. Zudem ist der Vorwurf, “viele Linke” befürworteten Verbrechen als Form des sozialen Ausgleichs eine schamlose, hirnrissige Unterstellung.
    Sozialer Ausgleich ist nötig, um die sehr unterschiedlichen Chancen von ökonomisch Besser- und Schlechtergestellten einander näher zu bringen. Wer zwar arm aufwächst, aber darauf vertrauen kann, dass man durch Arbeit und Gesetzestreue einmal ein würdiges Leben führen kann, kommt viel weniger schnell auf dumme Gedanken, d.h. sich per Verbrechen den Lebensstandard aufzubessern. Ausnahmen gibt es, leider, auch bei wohlhabenden Managern und Politikern selber.
    Aber im Grunde ist er soziale Ausgleich, ein Produkt der Nachkriegsjahre, das, was unsere stabile Mittelschicht erst geschaffen hat, und was die Schweiz auch politisch zu einem sicheren, attraktiven Land macht, weil der Ausgleich eben auch im Bildungssektor Möglichkeiten eröffnet, die unabhängig vom Portemonnaie der Eltern bestehen. Dessen Abschaffung und das Propagieren von “Leistungsgesellschaft” mit weniger öffentlichen Stützmassnahmen führt unweigerlich zu mehr Ellenbogen – und auch zu verzweifelten Schlechtergestellten, die dann womöglich eher versuchen, ausserhalb des Systems zu Wohlstand zu kommen. Also genau das, was sie anprangern.

  4. Welschfreundlich said,

    September 7th, 2012, 5:24

    Herr F. Tork, Sie bringen es auf den Punkt. Bravo!!

  5. Su Studer said,

    September 6th, 2012, 10:18

    Toller Text, soziale Gleichheit? Wird es nie geben, also was tun? Geben Sie mir doch bitte die Antwort, konnte sie in Ihrem Essay leider nicht finden? Benachteiligte Kinder müssten ab Frühkindheit vom Staat bevormundet werden, in ein Internat gesteckt werden, damit sie die gleichen Chancen wie zB. Markus Somm hätten. In den ghetto-artigen Strukturen wie sie z.T. im Kleinbasel herrschen haben diese Kinder keine Chance, bildungsfernes Elternhaus ohne deutsch Kenntnisse, Kollegen die alle keinen Bock auf Schule haben, in der Schulklasse, (wenn überhaupt) 1-2 Schweizer Kinder. Was machen Sie mit solchen Kindern um sie da raus zu holen? Da nützen auch 5 Heil- und Sprachpädagogen nichts, wenn das ganze Restumfeld nicht stimmt. Und was für Solidarität soll ich gegenüber vergewaltigenden, raubenden Asylanten haben? Wie wollen Sie da die soziale Gleichheit schaffen? Damit auch diese armen Individuen nicht mehr straffällig werden müssen?

  6. Hugo Reichmuth said,

    September 6th, 2012, 10:52

    Bezüglich Migration wäre es das Beste, wenn wir uns als Einwanderungsland à la USA deklarierten und grundsätzlich jedem die Möglichkeit geben, hier eine Existenz aufzubauen – vorausgesetzt, dass die Person nicht vom Sozialstaat abhängig wird.
    Sozialhilfe sollte Einwanderern der ersten Generation überhaupt nicht gewährt werden und bei der zweiten Generation nur, wenn die Integration in die Arbeitswelt gelingt. Wer’s nicht schafft, ist auszuweisen.
    Das Asylgesetz selber gehört abgeschafft zu Gunsten finanzieller Unterstützung von Flüchtlingslagern in Nachbarstaaten von Krisenregionen. Vermutlich glauben nicht einmal die Linken, dass es heute noch “Flüchtlinge” unter den Asylbewerbern gibt. Da leider die Stalinisten unter den Linken tonangebend sind, darf man aber keine zielführenden Vorschläge bringen. Zumal das erste und edelste Ziel der Flüchtlingshilfe ja nicht die Unterstützung von Verfolgten, sondern die Beschäftigung von schwer vermittelbaren Schweizer ArbeitnehmerInnen ist.
    Wer meint, dass sei unbaslerisch-unliberal-unsozial, soll mal den Begriff “Refugiantenerlass/Welschenerlass” ergoogeln und sich überlegen, wie viel Herr Clavel 1859 an staatlicher Unterstützung erhalten hätte, wenn seine Firma pleite gegangen wäre.
    Basel war immer offen gegenüber Fremden – sofern sie einen Nutzen brachten. Und dieser Pragmatismus ist sozialpolitisch gesehen gut so.

  7. Linus Reichlin said,

    September 6th, 2012, 11:09

    Wer wenig hat, nimmt von denen, die mehr haben – so läuft das im Tierreich. Selbstverständlich sind Armut und soziale Benachteiligung Ursachen für Kriminalität, aber das ändert nicht den Charakter der Kriminalität. Für den Überfallenen macht es keinen Unterschied, ob der, der ihm in dunkler Nacht ein Messer an den Hals setzt es tut, weil er aus einer sozial benachtteiligten Familie stammt oder weil er zwar reich ist, aber den Kick sucht. Dementsprechend sollte man mit Kriminalität umgehen: sie ist unentschuldbar und muss so intensiv bekämpft werden, wie auf der anderen Seite die soziale Benachteiligung reduziert werden muss.

  8. Bernhard Fold said,

    September 7th, 2012, 10:46

    Es ist einigermassen erstaunlich, dass es immer noch Leute gibt, die sich über die selbstverliebten Verkürzungen und Verfälschungen von Sachverhalten durch M. Somm wundern. Er repräsentiert aber mit seinen verbalen Rundumschlägen eine immer häufiger zu beobachtende Verhaltensweise vieler, die sich durch Behauptungen und Halbwahrheiten a la Somm in ihrem Fehlverhalten zusätzlich bestärkt fühlen. Nachdenklich muss stimmen, dass diese Art von Brunnenvergifter ungehindert ihren Unsinn publizieren dürfen und so eine auf sozialen und gesellschaftlichen Konsens beruhende Gemeinschaft systematisch zerstören. Die Profiteure dieser Gesellschaft – und dazu gehört Herr Somm zweifellos – müssten dringend und unmissverständlich daran erinnert werden, dass sie im Glashaus sitzen und mit Steinen werfen. Die Frage stellt sich nur, wie das geschehen muss, denn Lernfähigkeit setzt Einsicht voraus, eine Eigenschaft, die ich bei M. Somm schonl längst als nicht vorhanden erlebe.

  9. C. Brunner said,

    September 7th, 2012, 16:08

    Wenn ein Sarrazin oder Somm auf Misstände in der Gesellschaft hinweist und ihre Meinungen dazu kund tun, dann sind sie unbelehrbar, auf dem Irrweg, verblendet, selbstverliebt, Halbwahrheiten verbreitend… was noch? Man müsste ihnen den Mund verbieten ? Wer sagt denn, dass Ihre Weltanschauung die einzig wahre ist Herr Fold ? Wie es mit Ihrer Lernfähigkeit und EInsicht steht möchte ich weder bei Hernn Somm noch bei Ihnen beurteilen.

  10. Erich Meier said,

    September 7th, 2012, 13:23

    Also gut, Erdrutschsieg für die Linken. Was geschieht dann ? Jeder Schüler auch aus bildungsfernen Schichten bekommt dann seinen eigenen Nachhilfelehrer, Sprachtherapeuten, Psychologen, Kulturverbindungsfunktionär usw. usf. Das Kantonsbudget deshalb wird tiefrot (wie z.Z. in BL) und die Steuern müssen massiv erhöht werden. Ein Exodus von Firmen und guten Steuerzahlern lässt Basel verarmen, was noch mehr Steuerzahler vertreibt usw. usf. Dann wird Basel das Griechenland der Schweiz, dem von Bundesbern harte Sparauflagen verordnet werden: Zurück auf Feld Null. Ob die Basler sowas wirklich wollen ?

  11. Peter Pfrunger said,

    September 7th, 2012, 16:40

    Merken sie wo ihr Denkfehler ist?

    Kindern aus bildungsfernen Schichten wird in ihrem Beispiel die Bildung nah gebracht.
    Damit öffnet sich ihnen der Weg hin zu einer bildungsnahen Schicht zu werden.
    Mit dem nötigen Rüstzeug, dass sie dadurch erhalten haben sie erst die Möglichkeit am produktiven Leben teilzuhaben, hoch qualifizierte Stellen zu besetzen und viele Steuern zu bezahlen.


  12. September 9th, 2012, 7:21

    Es braucht Sozialismus und Kapitalismus, die sich gegenseitig Grenzen setzen. Die Wirtschaft braucht Konsumenten und ein sozialer Ausgleich braucht eine funktionierende Wirtschaft. Warum also immer darauf aus sein, dem andern etwas zu nehmen statt sich zu fragen, was man zum beiderseitigen Gedeihen beitragen könnte. Statt immer mehr, kann man ja auch mal über etwas weniger nachdenken. Auch in der Politik gilt: Alles ist gesund und alles ist Gift, auf die Dosierung kommt es an.

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