Fusions-Konfusion

Posted on January 17th, 2013, January 17th, 2013 in Uncategorized.

Meine Jugend verbrachte ich in Liestal. Die 60er-Jahre waren weltweit von gesellschaftlichen Umbrüchen geprägt. Im mittleren und oberen Baselbiet fand dieser Aufstand seine Ausprägung in der Opposition gegen die Wiedervereinigung beider Basel. Die teilweise militante Kampftruppe «Junges Baselbiet» sah den Landkanton als Hort des Fortschritts und der Freiheit – gegen die verkorkste Stadt. Die Bewegung verstand sich als Erbin des radikaldemokratischen Stuttgarter Revolutionärs und Arbeiterdichters Georg Herwegh («Mann der Arbeit aufgewacht und erkenne Deine Macht! Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.»). Diesem hatte Liestal Mitte des 19. Jahrhunderts Asyl gewährt und später ein Denkmal gesetzt. In dieser Aufbruchsstimmung wurden auch mal BS-Autos, die sich ins «Stedtli» verirrten, mit «Baselland bleibt selbständig»-Klebern am Heck nach Hause geschickt.

Die Baselbieter Regierungsratswahl zum Volksentscheid über die Fusion beider Basel hochzustili-sieren, ist völlig abwegig. Weshalb das so ist, zeigt das Beispiel von Paul Manz (Bild), dem füh-renden Wiedervereinigungs-Gegner der 60er-Jahre.

Die kleine Baselbieter Befreiungsorganisation bildete eine unheilige Allianz mit einer stockkonservativen Bauern- und Gewerbefront, die in den Bezirken Waldenburg und Sissach Stimmung gegen die Wiedervereinigung machte. Die führende Figur dieser ländlich geprägten Gegner war der Pfarrer von Rothenfluh. Geschickt baute der aus dem Züribiet stammende Paul Manz Brücken zwischen den Fraktionen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, um sein Ziel zu erreichen: Baselland bleibt selbständig. Am 5. Dezember 1969 sagten fast 60% der Baselbieter Nein zur neuen Verfassung des vereinigten Kantons Basel. Die Stimmbeteiligung lag bei 75%.

Paul Manz war aber nicht nur ein führender Wiedervereinigungsgegner, sondern als Abgeordneter der BGB (Bauern- Gewerbe und Bürgerpartei, später SVP) auch Mitglied und zeitweise Präsident des Verfassungsrates, der das neue Grundgesetz des vereinigten Kantons Basel aushandelte. Manz arbeitete konstruktiv an einem Projekt mit, das er selbst verwarf. Dies ist jedoch kein Widerspruch. Auch als Gegner der Wiedervereinigung musste er damit rechnen, dass die Verfassung angenommen wird. Er war sich im Klaren, dass am Ende nicht der Verfassungsrat sondern das Volk die Weichen stellt.

Ebenso würde sich Eric Nussbaumer im Falle seiner Wahl in die Baselbieter Regierungsrat mit aller Kraft und Überzeugung für seinen Kanton einsetzen. Je selbstbewusster das Baselbiet in die Fusionsdebatte steigt, umso besser für die ganze Region. Es ist völlig abwegig, die Regierungsratswahl zu einem Plebiszit über die Fusion zu stilisieren. Kurzfristig stehen ganz andere Themen auf der Agenda der Exekutive. Der Landkanton braucht jetzt die fähigsten Leute, um rasch wieder Handlungsspielraum zu gewinnen und die Zukunft nach dem Sparprogramm zu gestalten. Über die Fusion hingegen, das wusste schon Paul Manz, entscheidet das Volk und nicht der Regierungsrat.

Druck nackt

Posted on January 10th, 2013, January 10th, 2013 in Uncategorized.

Die Druckerei der Basler Zeitung soll schliessen. Nicht nur die Tageszeitung wandert ab. Es verabschieden sich weitere Aufträge aus der Region, zum Beispiel die Produktion des «Touring» oder der «Coop Zeitung». Das Projekt der BaZ Eigentümer heisst «BaZ nackt», wie Konzernleiter Rolf Bollmann erneut bestätigte. Zu den Striptease-Regeln gehört, dass der «Druck nackt» jetzt nach Zürich geht.

Der Bund hat über Jahrzehnte die einheimischen Verlage gefördert, indem er die Posttarife der Zeitungen verbilligte. Sein Ziel war die Erhaltung der Medien- und Meinungsvielfalt. Basel braucht jetzt ein ähnliches Modell.

Es gibt Dinge, die sind entbehrlich. Andere sind vital. Um die vitalen Dinge hat sich die Gesellschaft zu kümmern. Dazu gehört eine lebendige mediale Öffentlichkeit.

Es ist nicht egal, ob diese Zeilen in Basel oder in Zürich gedruckt werden. Letztlich bestimmen die Produktionsmittel die Inhalte. Wer den Druck beherrscht, kann Druck machen. Wer die Medien kontrolliert, kontrolliert einen wichtigen Teil unserer Bildung, unserer Information und unseres Bewusstseins. Ein ferngesteuertes Bewusstsein wollten die Basler nie. Deshalb setzten sie schon früh auf das Druckgewerbe. Wer einmal 500 Jahre alte Bücher aus Basler Druckereien in Händen hielt, der versteht, welche Macht darin liegt, seine Meinung vervielfältigen zu können. Das Imponiergehabe dieser grossformatigen, schweren, reich verzierten Schwarten, spricht Bände.

Das Zeitalter, das Johannes Froben und Johannes Petri um 1500 mit ihren Druckereien am Totengässlein und in der St. Johanns Vorstadt begründeten, darf nicht so enden. Zwar existiert hierzulande nach wie vor die eine oder andere anständige Druckerei. Aber keine mehr, die ein Massenblatt rasch und rationell fertigen kann.

Die beiden Basel müssen sich einmischen, im öffentlichen Interesse. Der Bund hat über Jahrzehnte die Schweizer Verlage gefördert, indem er die Posttarife der Zeitungen verbilligte. Sein Ziel war die Erhaltung der Medien- und Meinungsvielfalt. Ein ähnliches Modell kann den Zeitungsdruck in der Nordwestschweiz mittelfristig wieder ans Rheinknie zurückholen: Lokal gedruckte Tages- und Wochenzeitungen sollten von den Kantonen Vertriebsunterstützung bekommen. Dies wäre ein eleganter Weg, um das Ziel zu erreichen, ohne sich inhaltlich einzumischen. Vielleicht würde dann auch die TagesWoche nicht mehr aus Wil (SG) importiert.

Ironie des Schicksals: Ausgerechnet Christoph Blocher, die Galionsfigur der Schweizer Neoliberalen, lässt uns keine andere Wahl, als die regionale Druckereiwirtschaft öffentlich zu stützen wie die Landwirtschaft. Wenn nach Banken, Fluggesellschaften und Medien noch die letzte Zeitungsrotation abwandert, muss jemand «Stopp!» rufen. Die Walliser bereuen es noch heute, dass sie nicht einschritten, als Blocher die Wasserkraftwerke der Alusuisse, die er kontrollierte, an die Eléctricité de France verhökerte. Die «Alusuisse nackt» war rückblickend der Anfang vom Ende dieser Industrie.

What the frack?

Posted on January 3rd, 2013, January 3rd, 2013 in Uncategorized.

Verharmlost und verteufelt: Diese zwei Positionen stehen einander gegenüber, wenn es um die Frage des «Fracking» geht. Tausende von Metern unter dem Boden spalten Förderfirmen gashaltige Felsen, die unter hohem Druck ihre fossilen Schätze freigeben.

Das «Fracking» genannte Freipressen von Erdgas aus tief liegenden Gesteinsschichten behindert den Klimaschutz und bindet Mittel, die besser in den Ausbau der erneuerbaren Energie investiert würden. Basel hat die leidvolle Erfahrung künstlicher Erdbeben bereits hinter sich (Foto: Deep Heat Mining in Basel, von Keystone).

Bei einem technisch ähnlichen Vorgang kam es in Basel zu künstlichen Erdbeben. Das «Deep Heat Mining» war damit für einige Zeit, mindestens lokal, erledigt. Die Betreiberfirma musste Dutzende von Millionen Franken abschreiben, noch ehe sie eine Kilowattstunde Wärme gefördert hatte.

Trotz solcher Rückschläge klingt das Versprechen gut, die Schweiz könne sich dank «Fracking» für 60 Jahre auslandunabhängig mit Erdgas versorgen. Immerhin deckt Erdgas hierzulande zehn Prozent des Primärenergiebedarfs.

Die «Fracking»-Diskussion täuscht aber darüber hinweg, dass der Trend in eine ganz andere Richtung geht. Das Ende des Erdgases als Energieträger steht bevor. Vielleicht nicht morgen, aber übermorgen. Denn Erdgas zu verbrennen, heizt das Klima auf. Die Schweiz wird ihren Treibhausgas-Ausstoss bis 2050 um etwa 80% reduzieren müssen. Nur so kann sie gemeinsam mit anderen Industrieländern ermöglichen, dass die Erderwärmung, wie international vereinbart, zwei Grad Celsius nicht übersteigt. Die ärmeren Länder bekommen damit die Möglichkeit, aufzuholen, und zwar auf ein Niveau, das pro Kopf ebenfalls bei 20% der heutigen Schweizer Emission liegt.

Die Frage lautet deshalb nicht: «Fracking» ja oder nein? Viel wichtiger ist der Ausstieg aus dem Erdgas überhaupt. So haben die Industriellen Werke Basel bereits die kontinuierliche Senkung des Gasverbrauchs beschlossen – trotz ihrem überdurchschnittlich engmaschigen Leitungsnetz. Diskussionen über «Fracking» kanalisieren deshalb Energien und Gelder in die falsche Richtung.

Ganz abgesehen davon, dass wir mit der gleichen Begründung eine Schweizer Uranindustrie auf die Beine stellen könnten. Im Wallis, wo zur Zeit alle Ski laufen, liegt unter dem Schnee uranhaltiges Gestein, wie jeder nachmessen kann, der im Sommer mit einem Geigerzähler zum Beispiel nach Haute-Nendaz hinauffährt. In den 60er-Jahren wollte die Schweiz daraus Brennstoff für Atomkraftwerke gewinnen – wegen der Auslandabhängigkeit. Es gab gar ein geheimes Programm für eine Schweizer Atombombe.

Vernünftigerweise liess man die Finger davon: Zu teuer, unsinnig, unökologisch. Wenn die Eidgenossenschaft ihre Energieversorgung unabhängig gestalten will, sollte sie auf Sonne, Wasser, Wind und Biomasse setzen. Davon haben wir genug, wenn wir mit der Energie haushälterisch umgehen. Die «Fracking»-Diskussion wird nicht zufällig jetzt lanciert. Klimaschutz und Atomausstieg fordern Veränderung und verunsichern, während uns einheimische Erdgas-Funde den leckeren Speck des «Weiter wie bisher» durch den Mund ziehen.

Selbstmord einer Zeitung

Posted on December 27th, 2012, December 27th, 2012 in Uncategorized.

BaZ-Chefredaktor Markus Somm wird auch diesen Artikel drucken. Es ist für ihn selbstverständlich, dass er seine Kolumnisten nicht zensuriert. Das ist seine beste Seite. Ab Anfang März will er mich allerdings «gegen einen anderen Linken austauschen». Das ist sein gutes Recht.

Es ist Christoph Blochers deklariertes Ziel, die «BaZ nackt» weiter zu führen. Sie wird als SVP-Parteiblatt enden. In ihrer ursprünglichen Form begeht die Zeitung vor unseren Augen Selbstmord.

Die Beendigung der Kolumne «Unsere kleine Stadt» sieht Markus Somm nicht als politischen Akt. Er betont, eine pluralistische Zeitung zu machen, in der auch Leute wie Jean Ziegler zu Wort kommen. Tatsächlich setzte sich Somm sogar persönlich mit dem Genfer Professor auseinander. Aber auf einen Ziegler-Beitrag kommen zehn Artikel, die im Sinne der Erdöllobby die Klimaveränderung leugnen. Und auf jedes Gespräch mit einem kultivierten Mann wie Hans Hollmann erscheinen fünf Artikel mit Christoph Blocher.

Redaktionelle Kommentare orten – mit ganz wenigen Ausnahmen – den Feind links. Fast jede personelle Neubesetzung in der Redaktion verstärkt diese Tendenz. Sogar für die Spekulationen der Basler Kantonalbank waren gemäss BaZ die Sozialdemokraten verantwortlich, die im Bankrat sitzen. Alle anderen Akteure, inklusive der bürgerliche Bankrats-Präsident, erschienen unschuldig.

Weit unter der Gürtellinie waren die Angriffe des Chefredaktors gegen Micheline Calmy-Rey. Nach dem anzüglichen Eva Herzog-Porträt von letzter Woche rollt schon die nächste Abo-Abbestellungswelle an. In einem durchschnittlich linksbürgerlichen Umfeld ist eine solche Zeitung nicht haltbar. Selbst die SVP Basel-Stadt, die vor wenigen Jahren noch einen harten Herrliberger Ton anschlug, hat sich im Stil gemässigt. Nur die BaZ bleibt ein Blocher-Blatt.

Dazu (aber nicht zu Basel) passt der neue Verlagsleiter Rolf Bollmann. In einem Interview mit dem Branchenblatt «persönlich» beschimpfte er besorgte Kritiker des heutigen BaZ-Kurses als «Charakterlumpen und Kollegenschweine, Widerlinge, die ihr Leben nicht im Griff haben». Diese «Nullnummern» würden «mit primitiven Artikeln über Menschen urteilen, die sie nicht kennen und mit denen sie nie gesprochen haben». Treffender hätte Bollmann das zwei Wochen später publizierte BaZ-Portrait über Eva Herzog nicht beschreiben können.

Es ist Christoph Blochers deklariertes Ziel, die «BaZ nackt» weiter zu führen. Sie wird als SVP-Parteiblatt enden. In ihrer ursprünglichen Form begeht die Zeitung vor unseren Augen Selbstmord. Anständige, gut recherchierte Texte erscheinen immer seltener. Inserate zu schalten, wird wegen sinkenden Leserzahlen unattraktiver. Es gibt keine starke Tageszeitung mehr, die als Diskussionsplattform glaubwürdig ist, die Nachrichten zuverlässig und kritische Analysen unbefangen vermittelt. Basel kommt ein Stück Öffentlichkeit abhanden. Das kümmert Blocher nicht. Es ist zu hoffen, dass jemand in diese Lücke springt.

Der Super-Verwaltungsrat

Posted on December 20th, 2012, December 20th, 2012 in Uncategorized.

In den letzten 20 Jahren hat sich die Aufgabe des Regierens in Basel grundsätzlich verändert. Früher teilten sich sieben Departemente fast alle staatlichen Aufgaben. Inzwischen mutierte der Regierungsrat zum Super-Verwaltungsrat. Er hat immer weniger eigene Angestellte, dafür immer mehr ausgelagerte Institutionen zu überwachen.

Der neue Regierungsrat, wie er in einem guten Monat sein Amt antritt, steht eher einer Holding als einer staatlichen Verwaltung vor. Doch es fehlen ihm die Mittel, um diese Aufgabe professionell zu erfüllen. (Bild: Henry Muchenberger)

Früher standen Projekte, Dienstleistungen und Personalfragen im Mittelpunkt der regierungsrätlichen Verwaltungstätigkeit. Heute tagt im Rathaus der Kopf einer Holding. Die Führung geschieht über Zielvereinbarungen und Leistungsaufträge. Das gilt zum Beispiel für die Universität, das Universitätsspital, die Industriellen Werke Basel oder die BVB.

In den Aufsichtsorganen der Tochtergesellschaften bleiben gewählte Regierungsmitglieder oder Amtsleiter oft in der Minderheit. Die öffentlichen Erwartungen haben mit diesem Wandel jedoch nicht Schritt gehalten. Noch immer wird von Regierungsräten erwartet, dass sie regieren und durchgreifen, wenn etwas schief läuft.

Das zeigt sich deutlich in den jüngsten Diskussionen rund um die Basler Kantonalbank (BKB) oder die Messebaustelle. Die BKB ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft des Kantons Basel-Stadt. Dennoch durfte die Zürcher Filiale spekulativen Geschäften nachgehen. Die Verantwortung tragen ein Verwaltungsrat, der vom Grossen Rat gewählt ist, und die Geschäftsleitung. Die Regierung hat als Exekutive fast keine Befugnisse, obwohl die Bevölkerung von ihr erwartet, den Stadtstaat und damit auch seine Institutionen zu führen.

Ganz anders und doch ähnlich liegt der Fall Messebaustelle. Die Messe-Aktiengesellschaft gehört nur zu einem guten Drittel dem Kanton Basel-Stadt. Im Verwaltungsrat sitzen zwei Regierungsräte. Der Kanton ist Miteigentümer, aber auch Kreditgeber und Aufsichtsbehörde in verschiedenen Dossiers. Auch hier ist für die breite Öffentlichkeit unklar, wer wofür die Verantwortung trägt, obwohl auf dem Papier alles sauber geregelt ist.

Noch komplexer ist die Lage hoch subventionierter Betriebe wie der Theatergenossenschaft. Wie nimmt die Regierung ihre Verantwortung bei einem Theater wahr, das in einer Baisse steckt, aber weiterhin einen grossen Teil der staatlichen Kulturförderung zugute hat? Natürlich hat das Volk diese Strukturen abgesegnet. Das Vertrauen in die staatlichen Organe leidet jedoch, wenn bei Problemen kein gewählter Politiker hin steht und sagt: Wir untersuchen die Ursachen und werden gegebenenfalls auch etwas ändern.

Die Regierung amtet als Super-Verwaltungsrat, doch sind die typischen Kontrollinstrumente einer Holding nur rudimentär vorhanden. Der Verwaltung fehlen oft die Kompetenzen und manchmal auch die Fachleute, um ihre Tochtergesellschaften zu begleiten und bei Bedarf sachgerecht agieren oder reagieren zu können.

Zonenplan ade?

Posted on December 13th, 2012, December 13th, 2012 in Uncategorized.

Rechtssicherheit, Investitionssicherheit, Planungssicherheit – all dies und noch viel mehr leiten wir traditionell vom Zonenplan ab. Der Zonenplan hält Flächen frei, für Verkehrswege, Plätze, Parks und weitere öffentliche Einrichtungen. Diese Funktion gilt es zu bewahren.

Zonenpläne bilden ein starres Korsett und behindern in vielen Fällen eine standortgerechte Bebauung. Die weitgehende Abschaffung der Zonenpläne würde Qualität und Kreativität in die Stadtentwicklung bringen. (Visualisierung: Herzog & de Meuron)

Auch wirtschaftlich gibt der Zonenplan den Ton an: Er bestimmt, welche Nutzungen auf welchen Parzellen möglich sind und legt damit auch den Wert einer Liegenschaft fest. Darauf gründen Pensionskassen ihre Anlagestrategien, planen Private ihre Vorsorge. In der Zone 4 gibt es vier Geschosse, in der Zone 3 deren drei. Und so weiter.

Diese Zeiten sind vorbei. Wir sind daran, den Zonenplan umzudeuten. Er sagt nur mehr, welche Nutzung minimal zulässig ist. Was früher die Ausnahme war, wird auf grösseren Flächen bald zur Regel: Immer öfter haben Grundstückseigentümer eine ganz andere Idee, als der Zonenplan ihnen aufzwingen will. Sie wenden sich an die Behörden und erwirken, dass ihnen die Politik mit einem Bebauungs- oder Quartierplan mehr Volumen zugesteht, als der Zonenplan vorsieht.

Das kann in manchen Fällen sehr sinnvoll sein. Etwa wenn es darum geht, bei einem Tramknotenpunkt eine verdichtete Bebauung mit Wohnhochhäusern zu ermöglichen. Oder Gewerbe mit Wohnen zu mischen, um Pendlerströme einzudämmen. Oder das Einkaufen in der Nähe eines Quartierzentrums zu ermöglichen.

Diese Beispiele häufen sich. Und es fällt auf, dass die Bauträger meist grössere Konsortien, Pensionskassen, Versicherungen oder Aktiengesellschaften sind. Diese können die lange Durststrecke eines politischen Prozesses wirtschaftlich verkraften, um anschliessend die Früchte in Form einer höheren oder wertvolleren Nutzung zu ernten.

Kleineren Hausbesitzern bleibt dieser relativ teure und riskante Weg verschlossen. So entsteht unter den Bauherren eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, die eine phantasievolle, kreative Stadtentwicklung behindert. Die Abschaffung der Zonenpläne – mit Ausnahme der Gebiete, die von öffentlichem Interesse sind – würde ein ganz anderes Bewilligungsverfahren ermöglichen. Dieses würde allen Liegenschaftseigentümern Anreize bieten, mehr Qualität zu bauen. Die Politik müsste Gremien bilden, die jeden Fall einzeln prüfen.

Wenn nicht der Zonenplan massgebend wäre, sondern das beste Projekt in der jeweiligen Situation realisiert werden könnte, wäre als Ergebnis keineswegs eine hässlichere Stadt zu erwarten. Im Gegenteil, wir würden bald mehr innovative und inspirierende Gebäude, Strassenzüge und Quartiere erleben. Regierungspräsident Guy Morin hat mit seiner viel beachteten, programmatischen Rede zur Stadtentwicklung die Diskussion lanciert. Nicht nur in der Fläche, nicht nur in der Höhe, sondern auch in ihrer Qualität soll die Stadt sich wandeln dürfen.

Mein T-Shirt und die Messe

Posted on December 6th, 2012, December 6th, 2012 in Uncategorized.

«Made in Bangladesh». Wenn diese drei Wörter auf dem Etikett meines preisgünstigen T-Shirts stehen, dann weiss ich: Das Stück wurde in einer mega-miesen Fabrik genäht. Letzte Woche brannte erneut ein solcher Betrieb nieder. 121 Menschen starben. Der Besitzer hatte aus Kostengründen Brandschutz und Notfallplanung weggespart.

Coop, Manor und Migros können im fernen Asien die Produktion von T-Shirts im Detail nachvollziehen. Die Messe und ihr Generalunternehmer empfinden es als «eine Illusion», die Löhne auf ihrer Basler Baustelle zu kontrollieren. Da stimmt etwas nicht.

«Unser Mitgefühl gilt den Opfern dieses furchtbaren Unglücks sowie deren Familien und Angehörigen», sagte ein Sprecher von C&A. Denn C&A war einer der Hauptauftraggeber der Fabrik. Als Käufer eines T-Shirts für neun oder elf Franken würde ich mich mitschuldig fühlen. Denn mein Schnäppchen wäre das Unglück der anderen.

Deshalb sind Kampagnen wirksam, die auf Blut, Schweiss und Tränen aufmerksam machen, die hinter solchen Klamotten stecken. Die Alternative sind Qualitätslabel. Ob Naturaline von Coop, Respect von Manor oder Eco von Migros – die Detailhändler und auch Max Havelaar schicken ihre Experten vor Ort, in die Betriebe, auf die Felder, um die Herstellung vom Rohstoff bis zur Kollektion minutiös zu überwachen.

Szenenwechsel zum Messeplatz. Auf der Baustelle der silbernen Halle von Herzog & de Meuron entdeckten staatliche Kontrolleure wiederholt Stundenlöhne von 14 Franken. Damit wurden etwa polnische Fremdarbeiter abgespeist. Der Minimallohn liegt bei 26 Franken. Und der ist schon zu tief. Natürlich sind alle entsetzt, aber das System bleibt. Der Auftraggeber MCH Group ist weit weg vom Unter-Unter-Unter-Unterakkordanten, bei dem die Unglücklichen beschäftigt waren.

Am Montag dieser Woche liess die MCH Group verlauten: «Die Bauarbeiten für die Fertigstellung des Neubaus der Messe Basel verlaufen gemäss Zeitplan. Die Weltmesse für Uhren und Schmuck BASELWORLD wird am 25. April 2013 ihre Tore pünktlich und planmässig öffnen können.»

Aber wie? Martin Kull, Geschäftsleiter und Mitinhaber der verantwortlichen HRS Generalunternehmung Frauenfeld, verteidigte sich gleichentags auf «Telebasel». Es sei «eine Illusion», die Gehälter von 1000 Arbeitern auf der Baustelle kontrollieren zu wollen. Eine faule Ausrede angesichts der täglichen Praxis von Kaufhäusern, die komplexe Produktionsprozesse von Kleidern im fernen Asien bis zur letzten Faser nachvollziehen.

Die Verantwortung, Unfälle, Lohndumping und überlange Arbeitszeiten zu unterbinden, liegt bei Kull und dem Auftraggeber MCH Group. An dieser hält die öffentliche Hand 49%. Der Messebau wird nicht in Bangladesch errichtet, sondern vor unseren Augen. Basel wird in den nächsten Jahren einige Grossprojekte in Angriff nehmen. Billig, billiger am billigsten und schnell, schneller am schnellsten dürfen dabei nicht mehr der Massstab sein.

Weshalb Basel wirklich anders tickt

Posted on November 29th, 2012, November 29th, 2012 in Uncategorized.

Die kantonalen Wahlen hat Basel-Stadt glücklich hinter sich gebracht. Das Ergebnis ist politische Stabilität. Im Grossen Rat bekamen nur ganz vereinzelt Neue eine Chance. Der Trend ging in Richtung Wiederwahl Bisheriger und Rückkehr profilierter Köpfe nach einer Pause.

Das Standortmarketing hat den Spruch «Basel tickt anders» vor zehn Jahren in die Welt gesetzt. Alle Versuche, den Slogan wieder los zu werden, sind gescheitert. Dafür gibt es vier gute Gründe.

Die einzige wirkliche Veränderung ist die Wahl von Guy Morin zum Regierungspräsidenten. Vor vier Jahren war er noch ohne Konkurrenz in dieses Amt gehievt worden. Dass es diesmal eine echte Auswahl gab, verdanken wir Baschi Dürr, dem gewählten neuen Regierungsrat. Aufgrund des Vertrauensvotums der Wählenden ist Morin legitimiert, «mehr Gas» zu geben, wie er am Wahltag sagte, also seine Ideen stärker einzubringen.

Es ist zu hoffen, dass er dieses Versprechen hält. In vielen Bereichen agierte das rot-grüne Basel bisher «mit gebremstem Schaum». Dabei hat kaum eine Regierung in Europa so viel Gestaltungsspielraum auf ihrem Territorium wie die hiesige Exekutive.

Die Schweiz delegiert ohnehin viele Kompetenzen, die in anderen Ländern zentral gebündelt sind, in die Regionen. Obendrein sind in Basel die Kompetenzen von Kanton und Gemeinde in einer einzigen Hand vereint. Während beispielsweise Zürich oder Bern von ihren Kantonen beaufsichtigt und zuweilen auch gegängelt werden.

Schon allein diese Machtfülle von Regierung und Parlament und der direkte Draht nach Bundesbern (der Kantonen vorbehalten ist) lässt Basel und die Basler Politik «anders ticken».

Der entscheidungsstarke Stadtstaat stösst aber an enge geografische Grenzen: Umzingelt von Südbaden, dem Elsass und Baselland, ist Basel zur Kooperation gezwungen. Keine übergeordnete Behörde regelt diese Zusammenarbeit. Sie basiert auf freiwilligem Interessenausgleich. Das gilt sogar für die innerkantonale Kooperation von Basel, Riehen und Bettingen.

Drittens sind in Basel Wirtschaft und Staat finanziell äusserst gesund. Der Kanton kann sich deshalb Investitionen leisten, die den Standort zusätzlich stärken.

Schliesslich schwebt über diesem Paradies ein «memento mori»: Die ständige Erinnerung daran, dass jederzeit ein neues grosses Erdbeben wie 1356 der ganzen Pracht ein abruptes Ende setzen könnte. Das sprichwörtliche «Basler Understatement» und der selbstironische Humor haben ihren Ursprung in diesem Bewusstsein.

Aus diesen vier Gründen hält sich der Slogan «Basel tickt anders» hartnäckig. Das Standortmarketing hat ihn vor zehn Jahren in die Welt gesetzt. Alle Versuche derselben Instanz, den Slogan wieder los zu werden, sind gescheitert. Denn der kurze, prägnante Satz trifft den Nagel auf den Kopf.

Wir sind kein Disneyland

Posted on November 22nd, 2012, November 22nd, 2012 in Uncategorized.

Jakarta ist definitiv zu gross. Wer nicht dort geboren wurde oder arbeiten muss, meidet die indonesische Kapitale. Der Moloch leidet unter permanenten, kilometerlangen Staus, Armut, schlechter Luft und einem desorganisierten öffentlichen Verkehr. Dennoch wohnen 28 Millionen Menschen in dieser Agglomeration, davon 10 Millionen in der besonders unwirtlichen Kernstadt.

Willkommen, Daniel Egloff, als neuer Akteur der Stadtentwicklung! Der Direktor von Basel Tourismus trommelte am Montag einen erlauchten Kreis zusammen, der sich über das Thema «marktgerechte Stadt» beugte. Das wirft Fragen auf.

Die solothurnische Juragemeinde Büren ist definitiv zu klein. Wer nicht in der Gegend geboren wurde oder arbeiten muss, ist höchstens zufällig dort, zum Beispiel weil die Häuser billig sind. Trotz aktivem Dorfleben ist Büren für Aussenstehende eher eine geschlossene als eine aufgeschlossene Gesellschaft.

Nichts gegen Jakarta oder Büren, doch was ist die ideale Grösse einer attraktiven, kulturell und wirtschaftlich erfolgreichen Gemeinde? Sie liegt irgendwo dazwischen. Aus touristischer Sicht wird eine Stadt zum Erlebnis, wenn sie es erlaubt, an einem Tag möglichst viel zu unternehmen. In Echtzeit teilte etwa eine junge Besucherin der dänischen Stadt Aarhus auf Facebook ihr Glücksgefühl: «Ich habe eine geführte Stadtrundfahrt unternommen, spazierte im Hirschpark im Umland, kam zurück, besuchte ein Freilichtmuseum und den Botanischen Garten, trank eine Schokolade in einem schönen Kaffeehaus – und es ist erst 7 Uhr abends!» Die Hafenstadt Aarhus von der Grösse Basels sei eine «perfect size city», schlussfolgerte die Touristin.

Am Montag dieser Woche lud Daniel Egloff, Direktor von Basel Tourismus, zum ersten «Basler Tourismustag». Eine 20-köpfige, prominente Runde aus Politik, Wirtschaft und Kultur beugte sich über die Frage: «Wo liegen die touristischen Herausforderungen der Zukunft für die Destination Basel?» Im Jahresbericht des Fremdenverkehrs-Vereins hatte Egloff als Ziel für dieses Treffen formuliert: «Wir werden erkunden, wo die Reisebedürfnisse 2020 liegen werden und welche Massnahmen Basel jetzt treffen muss, um mit einer ‹marktgerechten› Stadt im Wettbewerb der Zukunft bestehen zu können.»

Das lässt aufhorchen. So lange sich Basel Tourismus auf die Werbung für Basel konzentrierte, ging uns das wenig an. Wenn aber eine «marktgerechte Stadt» zur Diskussion steht, ist das eine Frage, die alle betrifft. Denn wir sind kein Disneyland. Wir leben hier. Einen Grund, die Alarmglocke zu ziehen, gibt es allerdings nicht. Wie das Beispiel Aarhus zeigt, ist eine lebenswerte Stadt mit kurzen Wegen auch für Touristinnen und Touristen attraktiv.

Wenn sich neu auch der Tourismus für unsere Lebensqualität engagiert, ist das begrüssenswert. Und als «right size city» hat Basel die besten Voraussetzungen dafür, dass die beiden Ziele Lebensqualität und Attraktivität für Tourismus harmonieren. Die Ziele, die Rolle und der Einfluss des neuen Stadtentwicklungs-Akteurs Basel Tourismus müssen aber transparent und öffentlich sein.

Krippen statt Gripen

Posted on November 15th, 2012, November 15th, 2012 in Uncategorized.

Es ist Zeit, zwei Dinge zusammen zu denken: Krippen und Landesverteidigung. Das wurde mir klar, als ich die zahlreichen Reaktionen auf meine Kolumne von letzter Woche las (BaZ vom 8. November: 52 000 Franken für zwei Kinder).

Ist der Kampfjet Gripen die richtige Antwort auf unsere heutige Bedrohungslage? Hilft er, den Graben zwischen Arm und Reich zu schliessen? Schafft er uns Integrationsprobleme vom Hals? Löst er Religionskonflikte? Die Gefahr kommt heute nicht aus der Luft, sondern von ganz anderswo her. (Bild: Saab)

Viele Leserinnen und Leser bestätigen, dass es sich für junge, berufstätige Eltern auszahlen kann, weniger zu arbeiten. Dann sinken nämlich die Steuern, während die Zuschüsse an Krippe und Krankenkasse steigen. Andere forderten von Müttern und Vätern Karriereverzicht. So auch der Blogger «Manuel»: «Wenn beide Elternteile 100% arbeiten, dann stellt sich doch etwas die Frage, wieso man dann überhaupt Kinder hat.» Dem hielt «Christian» entgegen: «Wir arbeiten beide 100% und verbringen trotzdem viel Zeit mit unseren Kindern.» Es liegt mir fern, die eine gegen die andere Lebensform auszuspielen. Ich wollte nur darauf hinweisen, wie Gesetze Menschen dazu bewegen können, ihren Beruf aufzugeben.

Solche staatliche Lenkung ist schon allein aus Sicht der Gleichstellung von Mann und Frau fragwürdig. Wenn die meist schlechter verdienende Frau ihre Berufstätigkeit stark reduziert, verliert sie ihre finanzielle Unabhängigkeit. Noch negativer wirkt sich die fiskalische Kinderklippe auf ärmere, meist schlecht integrierte Migrantenpaare aus, die zusammen 200% oder mehr arbeiten müssen, um zu überleben. Um Krippenkosten zu sparen, behelfen sich diese mit privaten Hütediensten, etwa von überforderten Geschwistern oder Grossmüttern, die kaum Deutsch sprechen.

Ein wesentlich höherer Steuerabzug für die Betreuung in der Krippe wäre für diese Eltern ein wirksamer Anreiz, um ihre Kleinen von Anfang an in ein Tagesheim zu schicken. Der frühzeitige Spracherwerb ist die billigste Prävention gegen spätere Arbeitslosigkeit, das Abrutschen in die Kriminalität oder psychische Krankheiten. Davon sind in allen Fällen überdurchschnittlich oft Menschen mit Integrationsschwierigkeiten betroffen.

Womit wir beim Gripen wären. Ist ein neuer Kampfjet die richtige Antwort auf unsere heutige Bedrohungslage? Hilft er, die sich öffnende Schere zwischen Arm und Reich zu schliessen? Schafft er uns Integrationsprobleme vom Hals? Verringert er die Folgekosten? Löst er interreligiöse Konflikte? Fördert er die Emanzipation? Die Gefahr kommt heute nicht mehr aus der Luft, sondern vom drohenden Verlust des gesellschaftlichen Kitts.

Deshalb ist ein Mann wie der Basler Stadtentwickler Thomas Kessler, der sich seit Jahrzehnten und überkantonal mit Fragen des Zusammenlebens befasst, ein Sicherheitsexperte. Ueli Maurer hingegen ist ein Militärpolitiker, der uns nicht erklären kann, wovor uns seine neuen Flugzeuge schützen sollen. Im Vergleich zu Investitionen in Krippen jedenfalls, zielen die Gripen voll daneben.

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