52 000 Franken für zwei Kinder

Posted on November 8th, 2012, November 8th, 2012 in Uncategorized.

Fast alle Parteien stellten im Basler Wahlkampf Steuersenkungen für den Mittelstand in Aussicht. Kaum ist der Grosse Rat gewählt, wollen rechte Parteien erneut die Unternehmen entlasten. Obwohl das Volk erst kürzlich dagegen gestimmt hat.

Die heutigen Steuergesetze und Subventionen verunmöglichen es beinahe, Kinder und Karriere zu verbinden. Die staatlich verordnete Wahl lautet: Entweder – oder. Dies zu ändern könnte eine Kernaufgabe des neuen Grossen Rates sein. (Bild: Keystone)

Dabei gibt es einen Ausweg, der sowohl dem Mittelstand nützt als auch die Wirtschaft zufrieden stellt: Die gezielte Senkung der Steuern für Familien mit Kindern. Wer in Basel ein Kind hat, darf zwar 10 000 Franken vom Einkommen abziehen und erhält Kinderzulagen. Diese Vergünstigungen kompensieren aber längst nicht die Kosten für die Tagesbetreuung der Kleinen.

Wenn nach einer gewissen Zeit beide Elternteile wieder ihrem Beruf nachgehen wollen, werden sie regelrecht abgestraft. Denn ab einem gemeinsamen Einkommen von gut 13 000 Franken pro Monat oder 160 000 Franken pro Jahr, gibt es keine staatlichen Zuschüsse für Krippenplätze mehr. Es fallen die vollen Kosten von rund 2200 Franken pro Kind und Monat an. Für zwei Kinder sind das jährlich 52 000 Franken oder fast ein Drittel des Einkommens. Wenn ein weiteres Drittel für Miete und Krankenkasse und ein erklecklicher Betrag für kantonale und eidgenössische Steuern weg gehen, bleibt am Ende fast nichts übrig, bevor die Familie den ersten Laib Brot gekauft hat.

Im Moment gibt es nur zwei Möglichkeiten, um dem abzuhelfen: Entweder die Familie verdient viel mehr oder viel weniger. Da mehr verdienen nicht einfach ist, wählen viele Paare – unfreiwillig – die zweite Option:  Um zu vermeiden, dass Ihr Beruf zum brotlosen Hobby mutiert, verlassen meist die Frauen ihren angestammten Beruf oder arbeiten nur noch Teilzeit, zum Beispiel 40%. Dann sinken die Steuern, die Kinderbetreuungskosten werden subventioniert, ebenso die Krankenkassenprämien.

Die Arbeitswelt verliert eine Fachkraft, in deren Ausbildung der Staat über Jahrzehnte investiert hat. Wenn ein Elternteil zu arbeiten aufhört oder sein berufliches Engagement stark reduziert, sinkt auch das Familieneinkommen. Der Kanton verliert Steuereinnahmen, während seine Ausgaben steigen: Es werden Subventionen für die Verbilligung der Krankenkassenprämien und die Kinderbetreuung fällig. Es gibt also nur Verlierer.

Das Steuersystem könnte hier Abhilfe schaffen. Zum Beispiel mit einem deutlich höheren Kinderabzug. Dieser würde sich für den Kanton möglicherweise sogar finanziell lohnen, weil der Anreiz wegfallen würde, aus ökonomischen Gründen die Berufstätigkeit einzuschränken. Die Steuereinnahmen würden steigen. Die heutigen Verhältnisse verunmöglichen es beinahe, das Kinderhaben mit einer Karriere zu verbinden. Die staatlich verordnete Wahl lautet: Entweder – oder. Dies zu ändern muss eine Kernaufgabe des neuen Grossen Rates sein. In vier Jahren werden wir ihn daran messen.

Kantonalbank braucht Neustart

Posted on November 1st, 2012, November 1st, 2012 in Uncategorized.

Hans Rudolf Matter tritt als Chef der Basler Kantonalbank zurück, weil sich das Anlagevehikel ASE als Reinfall erwies. Er übernehme die Verantwortung, liess Matter verlauten. Den Bankrat treffe keine Schuld. Auch Bankrats-Präsident Andreas Albrecht (LDP) versicherte, zu weit weg vom Debakel gewesen zu sein.

Der Skandal um die Basler Kantonalbank ist mit dem Rücktritt des Geschäftsleiters nicht erledigt. Denn das Problem ist nicht der mutmassliche Betrug der ASE Investment AG, sondern die Bankenstrategie. Dazu gibt es Alternativen. Gefordert ist vor allem der Grosse Rat. (Bild: Joël Gernet)

Die BaZ höhnte, die linken Bankräte hätten es verpasst, das staatliche Finanzinstitut nach ihren antikapitalistischen Massstäben zu steuern. Eine Bank kann aber im Kapitalismus gar nicht antikapitalistisch funktionieren. Ihr Kerngeschäft besteht darin, wirtschaftliche Tätigkeiten mit Spargeldern vorzufinanzieren. Als Gegenleistung erhält der Kreditgeber Zins.

Dieses System ist sehr dynamisch, da es dreierlei bewirkt: Erstens schafft es den Anreiz zu sparen, weil sich nicht konsumierte Überschüsse profitabel ausleihen und damit vermehren lassen. Zweitens können auch arme Leute gute Ideen realisieren, indem sie sich das nötige Kapital gegen Zins borgen. Schliesslich garantiert der Zins eine effiziente Geldanlage. Weil Geld kostet, wird nicht mehr ausgeliehen, als unbedingt nötig.

Natürlich hat der Kapitalismus auch Schattenseiten. So können zu tiefe Preise für natürliche Ressourcen Ökosysteme kollabieren lassen. Und die Geldverleihung gegen Zins führt tendenziell zu einer ungerechten Verteilung der Vermögen: «Wer hat, dem wird gegeben», erkannte schon Jesus in der Bergpredigt.

Von einer Staatsbank erwarten wir, dass sie im öffentlichen Interesse die Vorteile des Kapitalismus nutzt, deren Nachteile aber möglichst vermeidet. Indem sie sich anständig verhält und nicht bloss die Gewinne maximiert. Die Basler Kantonalbank sollte sich also nicht auf globalen Finanzmärkten tummeln, um dort gewissenlos abzuzocken. Genau dies versprach jedoch das ASE-Anlagevehikel, unabhängig davon, ob es betrügerisch war oder nicht.

Offenbar fehlt der Kantonalbank eine klare Leitlinie, die solche Aktionen verunmöglicht. Für die Strategie sind der Bankrat und seine Wahlbehörde, der Grosse Rat, zuständig. So wie die Industriellen Werke Basel (IWB) einen Leistungsauftrag haben, der den Bezug von Atomstrom untersagt, kann auch der Kantonalbank verboten werden, in spekulative Papiere zu investieren, die dem regionalen Gewerbe nichts bringen. Dies ist offenbar nicht geschehen.

Deshalb greift der Rücktritt des Geschäftsleiters zu kurz. Die Kantonalbank braucht einen Neustart mit einem neuen Leistungsauftrag. Dieser könnte lauten: Priorität hat die Finanzierung von Industrie, Dienstleistungen und Gewerbe mit Spargeldern aus der Region für die Bedürfnisse der Region. Diese Bedürfnisse würden bei weitem ausreichen, um den Anlage-Appetit auch einer bedeutend grösseren Kantonalbank zu befriedigen.

Basels hässlichstes Haus

Posted on October 25th, 2012, October 25th, 2012 in Uncategorized.

Postchefin Susanne Ruoff hat ein Problem. Sie besitzt das hässlichste Gebäude Basels. Die Rede ist vom rostroten Riegel, der beim Bahnhof SBB, Richtung Grosspeter und Dreispitz, die Stadtlandschaft verklotzt. Die Dimensionen des eingeklemmten Riesen erschliessen sich nicht auf den ersten Blick. Zwischen Nauen- und Hochstrasse spannt sich der Bürobau über die Geleise, rund 150 Meter breit und 100 Meter tief. Mit einem Grundriss von geschätzten 15 000 Quadratmetern bedeckt er die Fläche von zwei Fussballfeldern.

Grösser als zwei Fussballfelder ist die Fläche, die das rostrote Postgebäude beim Bahnhof SBB belegt. Tausende quälen sich täglich durch die enge Passage, die den Riegel entlang der Geleise durchbohrt. Jetzt stehen Veränderungen an, die neue Chancen bieten.

Wer sich durch die Unterführung quälen muss, die den Bahnhofplatz mit dem neu entstandenen Quartier hinter dem roten Palast verbindet, kennt das beengende Gefühl. Die Düsternis des schmalen und niedrigen Korridors Richtung St. Jakob teilen sich in getrennten Kanälen Fussgänger, Velofahrerinnen und das Tram. Früher war dies eine verlassene Einöde mit Postomat. Heute passieren täglich Tausende den obskuren Gang. Dahinter liegen jetzt Schulen, Arbeitsplätze und eine Tramstation, aber weder Einkaufs- noch Verpflegungsmöglichkeiten. Das zwingt Viele über Mittag zu weiteren Expeditionen durch den Tunnel.

Der Logistik-Knotenpunkt ist zum gordischen Knoten geworden, und die Post muss sich überlegen, wie sie diesen löst. Demnächst zieht das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) mit seiner nationalen Kultur- und Wissenschaftsredaktion sowie dem Regionaljournal in den Postbau. Das neue Medienzentrum wird – von Diener & Diener geplant – 8000 Quadratmeter Nutzfläche belegen. Dieser grosse Umbau könnte auch Anlass sein, um den öffentlichen Raum rund um das Postgebäude und auch dessen übrige Nutzung zu überdenken.

Einige japanische Bahnhöfe beispielsweise, enthalten komplette Warenhäuser. Damit nutzen sie die Passagierströme noch intensiver als die SBB-«Railcity» zugunsten wirtschaftlich gesunder Transportunternehmen. Manche Stationen umfassen spektakuläre öffentliche Räume, in Kyoto beispielsweise eine riesige Treppenanlage, auf der die Menschen Konzerten lauschen. Die Lage am Bahnhof SBB würde sich auch für ein Jugendkulturzentrum eignen, als Alternative zum Sommercasino, dessen Betrieb wegen der lärmempfindlichen Nachbarschaft seit Jahrzehnten eingeschränkt ist.

Das hässlichste Gebäude Basels, das von innen übrigens erstaunliche Qualitäten aufweist und stupende Ausblicke bietet, könnte als weisser Schwan auferstehen, wenn die Post, der Kanton, SRF, weitere Mieter sowie die SBB sich zusammenrauften, um über neue Nutzungen, Öffnungen und Verkehrsführung zu reden. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine abstossende, aber unverwechselbare Hülle durch mutige Entwicklung ihrer Innereien und des Umfelds Kultstatus erlangte und als begehrenswerte Adresse wie Phoenix aus der Asche stiege.

Das KISS-Prinzip

Posted on October 18th, 2012, October 18th, 2012 in Uncategorized.

Neulich in einem Plattenladen. Ja, Sie haben richtig gelesen: In einem Plattenladen. 20 Meter Plattengestelle, wie in den 70er-Jahren. Und davor Menschen jeden Alters. Eine LP kostet fast 30 Franken, viel mehr als eine CD oder das Herunterladen der gleichen Musik aus dem Internet. Aber die Scheibe ist zum Anfassen hat Gewicht, im wörtlichen Sinn. «180 Gramm Vinyl!» verspricht ein Aufkleber.

Platten boomen. Denn die Menschen sehnen sich nach einer konkret fassbaren Welt. Das haben auch Basler Wahlkämpfer erkannt. Sie wollen mit «neuer Einfachheit» punkten. Doch von «einfach» zu «hohl» ist es oft nur ein kleiner Schritt. (Bild: Daniel Wiener)

Es ist  Musik von früher. Leonhard Cohen, ABBA, Beatles, Jonny Cash. Aber auch Musik von heute. Beispielsweise das Album «21» von Adele, Jahrgang 1988. Alles ist neu produziert, eingeschweisst. Und die Kollektion wächst täglich. Ein 14-jähriger antwortet auf die Frage, weshalb er gleich drei dieser teuren Scheiben kauft: «Es tönt einfach besser.»

Der Drang zum Vinyl ist Ausdruck einer Sehnsucht nach dem Einfachen, Handfesten. Die digitale Kulisse, in der wir leben, überfordert uns mit stets neuen Gadgets, Apps und einem komplizierten Alltag. Der Mensch jedoch, ist analog wie eine LP. Manche verabschieden sich von Facebook. Dafür kaufen sie die neue Zeitschrift «A Simple Life». Das erdig-braun gefasste Heft hat vier Teile, die für sich selbst sprechen: Antiquitäten, traditionelles Wohnen, Geschichte und Museen.

Solche Stimmungen wirken sich auch auf die Wahlen aus. Die Öffentlichkeit will anscheinend simple Botschaften. Zum Beispiel: «Mehr Sicherheit für Basel-Stadt.» Dabei ist es egal, wie ein Kandidat dieses Ziel erreichen will. Hauptsache, er hält sich an das angelsächsischen KISS-Prinzip: «Keep It Simple, Stupid.»

Slogans scheren sich nicht um die Realität. Sie vermitteln Träume. Zum Beispiel: «Für ein Basel mit sicheren Finanzen, sicheren Arbeitsplätzen, sicheren Strassen und sicheren Plätzen.» Ich habe die Webseite des betreffenden, freisinnigen Kandidaten nach Ideen durchforstet, wie er diese Ziele erreichen will. Zu jedem der vier Stichworte gibt es etwa drei Sätze. Diese sind komplett frei von Fakten oder Analysen. Und so allgemein, dass sie jeder Sozialdemokrat unterschreiben könnte.

Ein Slogan ohne konkretes Programm dahinter signalisiert: Ich weiss, wie es geht. Ich nehme Euch die Sorgen ab. Schlau erdachte oder aufwändig erarbeitete Konzepte interessieren sowieso niemanden. Wenn Ihr mich wählt, könnt Ihr Euch wieder getrost Eurer Plattensammlung widmen.

Meine Stimme gebe ich Kandidierenden, die das Volk auch zwischen den Wahlen in Entscheidungen einbeziehen. Weil sie wissen, dass Politik nur mit Argumenten und im Dialog mit den Betroffenen erfolgreich ist. Auf die komplexen Probleme unserer Zeit gibt es keine einfachen Antworten. Sondern nur differenzierte, analoge, mit einem gelegentlichen Rauschen und Kratzen im Hintergrund, wie auf einer LP.

Innovative Werke Basel?

Posted on October 11th, 2012, October 11th, 2012 in Uncategorized.

«Puerto Errado 2» heisst das spanische Solarkraftwerk der Energieversorger aus unserer Region, das letztes Wochenende eingeweiht wurde. «Puerto Errado» bedeutet wörtlich übersetzt «Falscher Hafen». Welches Marketinghirn kam, um Himmelswillen, auf die verrückte Idee, das neue Prunkstück im Portfolio der Stromer so zu nennen?

«Puerto Errado 2» heisst das spanische Solarkraftwerk der Energieversorger aus unserer Region, das letztes Wochenende eingeweiht wurde. Deutlich rentabler wären Investitionen ins Energiesparen. Doch dafür fehlen in Basel die Anreize. Der Kanton könnte das ändern.

Wäre der Name Programm, hätte sich das Konsortium mit Elektra Baselland und IWB gründlich verfahren. Die 50 Millionen Franken, welche nach Südostspanien flossen, sehen die Beteiligten jedoch als Lehrgeld für die Erprobung einer vielversprechenden Innovation. Einen ähnlichen Betrag verschlang vor fünf Jahren die Basler Geothermie-Tiefenbohrung. Diese förderte statt Dampf bloss viele Erkenntnisse zutage, die in dicken Bundesordnern lagern. Die Zeche bezahlten damals hiesige Steuerzahler, Stromkonsumenten und Wagniskapitalgeber. Bei «Puerto Errado 2» sichert der spanische Staat das Risiko mit seiner grosszügigen Einspeisevergütung ab.

Einen fehlerfreien Fortschritt gibt es nicht. In diesem Sinn sind sowohl der Geothermie-Versuch als auch «Puerto Errado 2» allen Widrigkeiten zum Trotz legitime und folgerichtige Meilensteine auf dem Weg in eine erneuerbare Energiezukunft. «Puerto Errado 2» wirft jedoch die Frage auf, ob es nicht bessere Alternativen in Basel gäbe, um das immerhin begrenzte Kapital der IWB vor Ort zu investieren. Der Strom aus dem spanischen Dorf ist nämlich sehr teuer. Teurer als beispielsweise Basler Solarstrom vom Dach.

Noch besser schneiden in vielen Fällen Investitionen in Effizienzgewinne ab, also die Finanzierung von energiesparenden Gebäuden, Geräten, Klimaanlagen, Motoren oder Beleuchtungen. Solche Geschäfte sind oft deutlich rentabler als der Bau von Kraftwerken, welche dieselbe Menge Energie neu generieren. Die Vermeidung teurer Zukäufe wirkt sich dämpfend auf den durchschnittlichen Beschaffungspreis aus. Mit jeder eingesparten Kilowattstunde schrumpft jedoch die IWB-Bilanzsumme. Versuche, Sparanreize zu schaffen, bleiben deshalb äusserst zaghaft. So zaghaft, dass der Kanton hier mit einem revidierten Leistungsauftrag weiterhelfen muss.

Kalifornien hat es vorgemacht. Vereinfacht gesagt, vereinbart der Bundesstaat mit seinen Stromversorgern, dass sie jährlich weniger Energie verkaufen. Wer die vereinbarten Ziele erreicht, darf die Tarife so gestalten, dass trotz sinkendem Umsatz konstante Profite herausschauen. Dies motiviert die Energielieferanten, bei ihren Kunden das Sparen zu fördern. Mit diesem System liessen sich die Ziele der kantonalen Energie- und Klimaschutzpolitik und die Ziele der IWB zur Deckung bringen, und zwar sowohl beim Strom als auch beim Erdgas. Als Innovative Werke Basel würde der lokale Versorger spielend den richtigen Hafen anlaufen. Und am Ende könnten sogar die Strompreise sinken.

Global denken – lokal investieren

Posted on October 4th, 2012, October 4th, 2012 in Uncategorized.

Kommt die Rede auf Staatsausgaben, wird viel zu selten unterschieden zwischen laufenden Kosten und Investitionen. Während die laufenden Kosten in der jährlichen Budgetdebatte hohe Wellen werfen, gibt der Kanton schnell einmal Hunderte von Millionen Franken für neue Kanalisationen oder Schulhäuser aus, ohne dass dies gross auffällt. Noch weniger Tagesgespräch sind die Investitionen der staatlichen Vorsorgeeinrichtungen. Der Zürcher Pensionskassen-Skandal hat uns vor Augen geführt, dass hier in manchen Fällen kaum jemand durchblickt – nicht einmal die Aufsichtsorgane.

Die Pensionskasse Basel-Stadt und die Kantonalbank haben das Potenzial, durch innovative Finanzierungsmodelle anstehende öffentliche Bauvorhaben (wie beispielsweise den Ausbau der S-Bahn) zu beschleunigen. Doch die Politik schläft – wie lange noch?

Es ist die noble und einzige Aufgabe der Pensionskassen, den Pensionierten ein anständiges Leben zu ermöglichen. Das bedeutet einerseits, eine gute Rente zu bezahlen, basierend auf Erträgen der Finanzanlagen. Anderseits sollten die Pensionskassen mit ihren Investitionen dazu beitragen, dass die Pensionierten (und alle anderen) in einer lebenswertem Umwelt leben können. Etwa indem sie regionale Arbeitsplätze finanzieren oder Wohnungsbau. Oder Solarenergie. Was nützt mir eine schöne Rente, wenn mir die Welt, in der ich lebe, um die Ohren fliegt?

Heute kümmern sich höchstens vereinzelte Vorsorgeeinrichtungen um die Auswirkungen ihrer Anlagen auf die Lebensqualität der Pensionierten. Basel stehen riesige Investitionen bevor. Allein der Ersatz oder die Erneuerung des Universitätsspitals am Petersgraben und der Ausbau der Regio S-Bahn kosten je eine Milliarde Franken oder mehr. Damit sind anstehende Investitionen in Bildungsinstitutionen, das neue Naturmuseum oder die Weiterentwicklung des Tramnetzes noch nicht finanziert.

In jedem Fall muss sich der Kanton neu verschulden. Weshalb nicht bei der eigenen Pensionskasse? Die landläufige Antwort lautet: Weil es ein Klumpenrisiko darstellen würde, Geld in dieselbe Wirtschaft zu pumpen, von der die Pensionskasse lebt. Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Auf der anderen Seite hält jede Pensionskasse Anleihen in Fremdwährungen und geht damit ein deutlich höheres Risiko ein, bei Kursschwankungen enorm viel Geld zu verlieren.

Die hohe Verschuldung vieler Staaten lässt den Wert von Auslandsinvestitionen ohnehin fragwürdig erscheinen. Fast alle Länder drucken massenhaft Geld. Darauf folgt Inflation wie das Amen in der Kirche. Die beste Absicherung gegen dieses Risiko bilden Investitionen in lokale Realwerte von öffentlichem Interesse. Im Verbund mit der Kantonalbank könnte zum Beispiel die Pensionskasse Basel-Stadt massgeschneiderte innovative Finanzierungslösungen für kantonale Projekte anbieten, die der Staat nicht allein stemmen kann. Dabei müssten die Pensionierten nicht auf Rendite verzichten. Und sie könnten gleichzeitig etwas Gutes für kommende Generationen tun.

Basel droht Wohnungsnot

Posted on September 27th, 2012, September 27th, 2012 in Uncategorized.

Es ist Zeit, dass sich der Basler Wahlkampf auf wirklich wichtige Themen besinnt. Letzte Woche war an dieser Stelle von der neuen Einwanderung die Rede. Und von den Chancen, die aus der wachsenden Anziehungskraft unserer Stadt resultieren. Aber es gibt auch Risiken und Nebenwirkungen. Dazu gehört die drohende Wohnungsnot.

Um der wirtschaftlichen Dynamik gerecht zu werden, braucht es deutlich mutigere Eingriffe der Planung, als Viele wahrhaben wollen. Sonst droht der Kanton Basel-Stadt zum Stillstand zu kommen. Weshalb ist das kein Wahlkampfthema? (Bild: Margrit Müller)

Diese öffnet der Immobilien-Spekulation Tür und Tor. Sie betrifft deshalb alle. In Zürich können wir beobachten, wie die Mieten wegen Raumknappheit jährlich um mehrere Prozentpunkte steigen. Wohnungssuche ist dort längst zum Kampfsport mutiert. Viele können sich die Stadt nicht mehr leisten. In zynischer Weise profitiert Zürich sogar finanziell davon, weil eine wachsende Zahl Sozialhilfebezüger in günstigere Gemeinden verdrängt werden. Zurück bleibt eine Wohlstands-Wüste.

Zürich hat immerhin noch Landreserven, um zu reagieren. Der dortige Stadtrat plant zehntausende neue Wohnungen. In Basel ist die Situation düster. Die «Kantonale Strategie zur Wohnraumentwicklung» sieht «etwa 4400 neue Wohnungen» in zehn Jahren vor. Je zur Hälfte soll das Ziel auf neu zu bebauenden Flächen und durch Verdichtung in bestehenden Quartieren erreicht werden. Mit anderen Worten: Im Vergleich zu heute ändert sich nichts. Denn es entstehen auch jetzt schon jährlich 400-500 neue Wohneinheiten.

Das ist viel zu wenig, und der Regierungsrat weiss es. Er sieht sich in einer Zwangslage. Der Kompromiss mit den Familiengärtnern lässt scheinbar keinen Raum für zusätzliche Neubaugebiete. Der Wahlkampf verlief bisher so, als ob es dieses Dilemma nicht gäbe. Dabei ist die Lösung der Wohnungsfrage für Basel vital. Nicht nur wegen der drohenden Not, sondern auch um Steuerzahler zu halten. Es geht ums Überleben des Standorts.

Eine Option ist die stärkere Verdichtung im Bestand. Diese ist aber für die Bevölkerung nur dann ein Qualitätsgewinn, wenn in der Umgebung mehr Strassen, Plätze und Höfe begrünt und kinderfreundlich gestaltet werden. Und wenn sich das Angebot des öffentlichen Verkehrs, für Velos und Fussgänger stark verbessert.

Die Beschleunigung und Verdichtung der Dreispitz-Überbauung oder das Projekt «Rheinhattan» rücken so in Reichweite. Gegen diese Entwicklung regt sich natürlich Opposition, wie bei jeder Veränderung. Doch wie stellen sich die Parteien dazu? Welche Strategie schlagen sie vor, um die Anliegen der Opposition zu verstehen und einzubeziehen?

In Basels Norden droht eine neue Polarisierung wie rund um die Familiengärten – und in der Folge der Stillstand. Um der wirtschaftlichen Dynamik gerecht zu werden, braucht es deutlich mutigere Eingriffe der Planung, als Viele wahrhaben wollen. Oder – als Alternative – ein Verzicht auf Entwicklung. Wer was will, sollte sich im Wahlkampf zeigen.

Eine neue Form des Feudalismus

Posted on September 20th, 2012, September 20th, 2012 in Uncategorized.

Die Schweiz ist eine Insel der Seligen inmitten des Sturms, der über Europa fegt. Zusätzlich privilegiert sticht der Kanton Basel-Stadt hervor, dank hoher Lebensqualität und überdurchschnittlichem Wirtschaftswachstum. Wir senken die Steuern, während gleichzeitig die öffentlichen Investitionen boomen.

Über die Hälfte der beruflich tätigen Steuerzahler von Basel-Stadt wird schon in naher Zukunft weder wählen noch stimmen können. Die Einheimischen hingegen, werden den Staat lenken, das Brauchtum pflegen und dafür sorgen, dass Basel Basel bleibt. (Bild: Keystone)

Auch die Löhne sind hierzulande Spitze, selbst unter Berücksichtigung der Lebenskosten. Dies ist die Folge einer Standortpolitik, die sich erfolgreich darauf konzentriert hat, Arbeitsplätze mit stets höherer Wertschöpfung anzusiedeln. Höchste Wertschöpfung findet sich dort, wo pro Stunde am meisten verdient wird. Immer mehr Arbeitsplätze sind in Teppichetagen von Banken und Versicherungen, in der Pharmaforschung, in Beratungsunternehmen sowie allgemein in Hauptquartieren von global tätigen Unternehmen und Organisationen angesiedelt.

Die Suche nach Managern solcher Konzerne ist ein Spiel ohne Grenzen. Ab und zu mag ein Schweizer den globalen Wettbewerb um einen dieser gut dotierten Posten gewinnen, meistens sind es aber hochqualifizierte Ausländer, die in der Folge einwandern. Bereits 2030 wird, laut einer soeben veröffentlichten Studie, im Kanton Zürich jeder zweite Angestellte ohne Schweizer Pass sein.

Noch schneller als den Flächenkanton Zürich trifft diese Entwicklung den Stadtstaat Basel. Denn 18 Monate nach der Einreise wohnen gemäss der zitierten Untersuchung vier von fünf hochqualifizierte Zugewanderte im Zentrum. Somit wird schon in naher Zukunft die Mehrheit der berufstätigen Steuerzahler in Basel-Stadt politisch nichts zu sagen haben.

Während sie aus den Chefetagen der Wirtschaft schrittweise verschwinden, bleiben den gut ausgebildeten Baslern jene Domänen vorbehalten, die sie gestützt auf ihre Herkunft und politischen Rechte ausüben können: Sie werden den Staat lenken, die Verwaltung managen, Gerichte bevölkern und sich der Kultur, den Medien, dem Sport und der Bewahrung des Brauchtums widmen. Dafür zu sorgen, dass Basel Basel bleibt, wird ihre Hauptaufgabe sein.

Damit erlangen die Einheimischen eine ähnliche Stellung wie die Minderheit der Römer in der Spätphase ihres feudalistischen Reiches vor knapp 2000 Jahren. Oder die altägyptischen Dynastien, bevor sie jeweils von ökonomisch stärkeren Kräften weggeputscht wurden.

Für Basel hält die Zürcher Studie immerhin einen Trost bereit: Ausdrücklich lobt sie die hiesige Matura-Quote von 29 Prozent im Vergleich zu 18 Prozent im Kanton Zürich. Nur mit einer Anpassung an Basler Verhältnisse könnten die Zürcher laut der Untersuchung ein höheres Bildungsniveau erreichen, das es ihnen erlaubt, mit Einwanderern um gute Jobs zu konkurrieren.

Seid einig, einig, einig

Posted on September 13th, 2012, September 13th, 2012 in Uncategorized.

Conradin Cramer, Anwalt, Notar und Hoffnungsträger der Liberalen Partei Basel-Stadt sprach Bahnbrechendes. Das Regionaljournal des Schweizer Radios lädt dieser Tage Basler Parteisprecher zum «Wahlzmorge» ein. Am letzten Freitag waren die Liberalen an der Reihe. Sie schickten Conradin Cramer ans Mikrofon. Als Mitglied des Parlamentsbüros ist der langjährige Riehener Grossrat weder Hinterbänkler noch Anfänger, sondern ein Schwergewicht unter den Bürgerlichen.

„Ich bezahle gern die Steuern für das, was ich bekomme in diesem Kanton“, sagt nicht etwa ein Linker, sondern der prominente Riehener Liberaldemokrat Conradin Cramer. Wie kommt das?

Zu Beginn des Gesprächs ging es um die Abgrenzung zwischen Liberalen und Freisinnigen, die ja bald nur noch am Rheinknie in zwei getrennten Fraktionen politisieren. Die Differenz liegt gemäss Cramer darin, dass seine Partei «gesellschaftspolitisch liberaler» und «eine Spur wirtschaftsfreundlicher» sei als die FDP.

Der gastgebende Fragesteller Patrick Künzle spielte mit Cramer das Spiel «Sätze vervollständigen». Ein Satzanfang des Journalisten lautete: «Die Steuern für mich als Privatperson sind in Basel…» – und Cramer komplettierte: «… angemessen». Verblüfft hakte Künzle nach: «Man hört sonst immer von den Bürgerlichen sie seien zu hoch?» Cramer insistierte: «Ich bezahle gern die Steuern für das, was ich bekomme in diesem Kanton.» Wichtig sei, «die Rahmenbedingungen stets zu verbessern». Das sass.

Cramers Aussage bedeutet nichts anderes als die Entpolitisierung der Steuerfrage. Sie ist in Basel nicht mehr strittig, sondern ein Thema, bei dem alle einig sind. Von links bis rechts. Natürlich gibt es dadurch keinen Freipass, den staatlichen Geldhahn nach Belieben aufzudrehen. Im Gegenteil: Die vorsichtige Finanzpolitik des Kantons bildet die Basis dieser Einigkeit.

So setzte sich hierzulande die Erkenntnis durch, dass die Steuerbelastung zwar im Standortwettbewerb eine Rolle spielt. Innerhalb des Kantons ist der Anteil des Staatshaushalts an der Wirtschaftsleistung jedoch unerheblich. Eine effiziente öffentliche Hand trägt zum ökonomischen Erfolg bei. Universität und Spitäler etwa, sind Jobmotoren. Die meisten Ausgaben von Kantonen und Gemeinden befruchten die regionale Ökonomie. Der Löwenanteil geht in Form von Löhnen an hier beheimatete Angestellte.

In Basel wird die gebetsmühlenartig wiederholte Aussage des Amerikanische Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney nicht geglaubt, wonach tiefe Steuern für Reiche die Wirtschaft ankurbeln. Denn diese Reichen geben einen grossen Anteil ihres Einkommens ausserhalb der Region aus, für Flugreisen, Ferienhäuser, Aktien oder Yachten. Der Mittelstand und erst recht die Ärmeren setzen ihr Geld jedoch vorwiegend lokal ein, genauso wie der Staat. Handlungsbedarf sehe ich jedoch bei den Pensionsfonds: Diese haben heute nur einen beschränkten Spielraum, um regional zu investieren. Darüber lohnte es sich, im Wahlkampf nachzudenken.

Erdrutschsieg der Linken

Posted on September 6th, 2012, September 6th, 2012 in Uncategorized.

Ginge es nach Markus Somm, diskutierten wir beim Wahlkampfthema öffentliche Sicherheit nicht über Polizei oder Prävention. Es ginge ausschliesslich um unser Menschenbild. Der BaZ-Chef konstruiert in dieser Frage einen ideologischen Krach zwischen Sozialdemokraten und Bürgerlichen (BaZ vom 1. September 2012). Die Linken sähen Straftaten zu Unrecht als Ausdruck gesellschaftlicher Fehlentwicklung. Die Rechten hingegen, würden das Böse effizient eliminieren, indem sie möglichst alle Täter wegsperrten.

Sozialer Ausgleich ist die beste Prävention gegen Kriminalität. Das sehen auch die meisten Bürgerlichen so. Müsste man ein Linker sein, um diese Politik mit zu tragen, käme es bei den Basler Wahlen am 23. September zu einem sozialdemokratischen Erdrutschsieg. Das ist aber kaum zu erwarten. (Bild: Keystone)

Dieser Gegensatz ist gekünstelt. Das Entsetzen über den Holocaust hat seit dem Zweiten Weltkrieg unzählige literarische und wissenschaftliche Recherchen über den Ursprung von Verbrechen ausgelöst. Zwar kennen wir noch nicht alle Details. Aber wir wissen inzwischen viel mehr, als uns Somm weismachen will.

Angst und Aggression, zwei überlebenswichtige Reflexe, wirken bei Straftaten zusammen. Das gilt für Kleinkriminelle und Mörder ebenso wie für geldgierige Banker. Auch die Gene und frühere Erfahrungen entscheiden von Fall zu Fall mit, wie ein Mensch in bestimmten Situationen reagiert. Ausschlaggebend sind jedoch die Gelegenheit, die Diebe macht, und die gesellschaftliche Stellung des Täters.

Zum Glück wuchs Markus Somm in der Schweiz als Sohn eines wohlhabenden Managers auf. Das gab ihm materiell hervorragende Startchancen. Wäre er in ein armes Elternhaus hineingeboren worden, hätte er ein paar zusätzliche Hürden überwinden müssen, um schliesslich ein unbescholtenes, finanziell sorgloses Leben führen zu können. Noch etwas dorniger wäre sein Lebensweg geworden, wenn zur familiären Armut noch ein harter Schicksalsschlag hinzugekommen wäre, zum Beispiel die Flucht aus einem Kriegsgebiet. Aber auch dann hätte der Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär gelingen können.

Denn eine offene, soziale Gesellschaft, die Leistung honoriert, unterstützt diesen Aufstieg. Ob ich Angst und Aggression konstruktiv oder destruktiv einsetze, hängt davon ab, wie mir die Gesellschaft in kritischen Lagen entgegen kommt. Je unüberbrückbarer die sozialen Unterschiede erscheinen, umso höher ist die Zahl der potenziell Unzufriedenen, Verzweifelten und Kriminellen. Das illustrieren Beispiele wie Rio de Janeiro, Süditalien oder Johannesburg.

Daher setzen die Schweiz und Basel in der Vorsorge gegen Verbrechen nicht nur auf Repression, sondern mithin auf persönliche und politische Solidarität. Diese Haltung teilen auch bürgerliche Kreise. Sie haben somit, laut Markus Somm, ein sozialdemokratisches Menschenbild. Würden sie entsprechend wählen, käme es am 23. September zu einem linken Erdrutschsieg. Doch zum Glück ist eine differenzierte Denkweise in diesen Fragen auch mit bürgerlichen Idealen vereinbar. Und so bleibt die Ausgangslage spannend.

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