Lenkung à la Bâloise

Posted on August 30th, 2012, August 30th, 2012 in Uncategorized.

Ein Aufschrei ging am letzten Wochenende durch die Schweiz. Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf lancierte den neuen Benzinpreis von fünf Franken pro Liter. Damit illustrierte die Finanzministerin, wie eine ernsthafte ökologische Lenkung des Energieverbrauchs aussehen könnte. Sie war dabei so schockierend ehrlich, dass der zweite Satz ihrer Botschaft beinahe ungehört verhallte: Der vorgeschlagene Benzinpreis-Zuschlag wird gleichmässig pro Kopf an die Bevölkerung zurückerstattet. Zum Beispiel über die Verbilligung der Krankenkassenprämien.

Es waren bürgerliche Mehrheiten, die im Kanton Basel-Stadt die seit 1998 erfolgreiche ökologische Lenkungsgebühr auf Strom einführten. Rätselhaft ist, weshalb die Schweizer Rechte den Vorschlag von Bundespräsidentin Widmer-Schlumpf ablehnt, einen ähnlichen Zuschlag auf Benzin zu erheben. (Bild: Keystone)

Schwer zu verstehen ist, weshalb die bürgerlichen Parteien nicht begeistert zustimmten. Denn die Vorlage von Frau Widmer-Schlumpf erfüllt alle Bedingungen der Rechten: Die Lenkungsabgabe ist ein marktwirtschaftliches Instrument, das strikt staatsquotenneutral wirkt. Dank der Rückerstattung fliesst kein zusätzlicher Rappen in die Bundeskasse. Es handelt sich also nicht um eine Steuer (und damit auch nicht um eine Steuerreform).

Überdies fördert der Zuschlag die Kostenwahrheit: Der neue Benzinpreis deckt Schäden des Spritverbrauchs, die bisher die Allgemeinheit trug. Zum Beispiel die Kosten der Klimaerwärmung oder der Luftverschmutzung. Widmer-Schlumpf setzt damit das Verursacherprinzip durch. Sie erlässt weder eine neue Vorschrift noch ein Verbot, das die individuelle Freiheit beschneidet. Die Wahlmöglichkeit – etwa zwischen Auto und Bahn – bleibt gewährleistet.

Jetzt kommt das grosse Aber von links: Wenn der Benzinpreis bei fünf Franken liegt, können sich nur noch Reiche das Auto leisten. Diese scheinbare Ungerechtigkeit wird jedoch aufgewogen durch die gleichmässige Rückverteilung der Einkünfte aus der ökologischen Lenkungsabgabe an die Bevölkerung. Eine vierköpfige Familie erhält rund 3200 Franken pro Jahr zurück. Für ärmere Haushalte ist das viel. Ihr Einkommen wächst damit um mehrere Prozente. Bei Vermögenden fällt derselbe Betrag kaum ins Gewicht. Und Reiche verbrauchen auch mehr Energie. Somit legen sie auch mehr Geld in den Topf.

Es waren bürgerliche Mehrheiten, die im Kanton Basel-Stadt die ökologische Lenkungsgebühr auf Strom einführten. Diese funktioniert seit 1998 einwandfrei. Der bürokratische Aufwand ist nachweislich gering. Die Rückerstattung an die Bevölkerung ist ein willkommener Zustupf für alle, die Energie sparen. Die Unternehmen profitieren über die Verbilligung der AHV-Kosten von zehn Prozent des Arbeitgeberbeitrags. Damit fördert die Abgabe den Werkplatz Basel. Auch die Lenkungswirkung ist da: Im Gegensatz zur übrigen Schweiz sinkt der Stromverbrauch in Basel-Stadt. Dies trotz erhöhter Wirtschaftsleistung und wachsender Bevölkerung.

Frau Bundesrätin Widmer-Schlumpf – übernehmen Sie!

Das U-Abo entfesseln

Posted on August 23rd, 2012, August 23rd, 2012 in Uncategorized.

Basel ist stolz darauf, das U-Abo erfunden zu haben: Der günstige Einheitstarif für das gesamte regionale ÖV-Angebot ist eine Frucht der Umweltbewegung. Die Autoabgase (damals noch ohne Katalysator) gefährdeten in den 80er-Jahren die Gesundheit der Wälder. Also mussten griffige Lösungen her, um das Umsteigen auf den Öffentlichen Verkehr zu fördern. Was als politische Notfallübung begann, entpuppte sich als kommerzieller Geniestreich.

Der an sich sympathische Einheitstarif des U-Abos lähmt die Ausdehnung des Einzugsge-biets. Mit leicht angepassten Abo-Kosten kämen auch Aarau, Olten, aber auch das Elsass und Südbaden in den Genuss der genialen Erfindung. (Bild: Keystone)

Andere Regionen kopierten das U-Abo unter ganz verschiedenen Namen und entwickelten die Idee weiter. In den meisten Einzugsgebieten gilt: Wer täglich weiter fährt, bezahlt mehr. Das Einheits-Abo des Tarifverbunds Nordwestschweiz (TNW) ist heute eine Ausnahme. Das ist zwar sozial und auch sympathisch, weil praktisch, blockiert aber die Entwicklung.

Im Tarifverbund Ostwind beispielsweise, können Berufstätige eine Stunde von Rapperswil nach St. Gallen pendeln. Ostwind knöpft ihren Kunden auf dieser Strecke 200 Franken pro Monat ab. Mit demselben Ausweis können sie dann die ganze Region zwischen Frauenfeld im Norden und Bad Ragaz im Süden bereisen. Das U-Abo des TNW deckt nicht einmal die 30 Minuten von Olten oder Aarau nach Basel ab.

Die Ostschweizer Preise würde ich nicht zur Nachahmung empfehlen, doch erweist sich der heutige TNW als ein zu enges Kleid für das wachsende Einzugsgebiet Basels. Gegen Änderungen setzt sich ein Verbund von sozial und ökologisch Motivierten ein. Sie verhindern, dass sich das U-Abo den neuen Gegebenheiten anpasst: Zum Beispiel für Elsässer oder Lörracher Autopendler zu einer attraktiven Alternative wird. Es ist kaum denkbar, dass die 73 Franken reichen, um auch deren Mobilitätsbedürfnisse zu finanzieren.

Darunter leidet auch die Entwicklung Basels. Denn die Grenzen der Tarifverbünde haben sich auch als Grenzen des Wirkungsfeldes von Zentren etabliert – mindestens in den Köpfen der Menschen.

Eine nach Zonen differenzierte Tarifstruktur für die Monats- und Jahreskarten würde eine buchstäbliche Entfesselung des U-Abos ermöglichen. Entscheidend für die Akzeptanz differenzierter Abo-Kosten wäre die gleichzeitige Überwindung heutiger Beengung. Also der Sprung des TNW-Einzugsgebiets über den Jurakamm und vor allem über die Landesgrenzen nach Frankreich und Deutschland.

Basel-Stadt, Baselland, Solothurn nördlich des Jura und der Bezirk Rheinfelden könnten weiterhin eine einheitliche Kernzone bilden, zu Kosten von 73 Franken. Der tiefe Preis diente als Basis, um den angrenzenden Bezirken attraktive Angebote zu machen. Zum Beispiel 100 Franken pro Monat für den heutigen TNW, inklusive Olten/Aarau oder inklusive St.Louis/Lörrach. Vielleicht 120 Franken für die Ausdehnung bis nach Kandern, Sierentz und Baden (AG). Und 140 Franken inklusive die Kantone Jura und Solothurn sowie bis nach Biel.

Föderation vor Fusion

Posted on August 16th, 2012, August 16th, 2012 in Uncategorized.

Die Unsicherheit über die politische Zukunft der Region überschattet seit Langem die Partnerschaft beider Basel. Es ist der Verdienst der soeben lancierten Fusions-Initiativen, dass sie in dieser Frage Volksabstimmungen anstreben und Klarheit schaffen wollen.

Die Fusion beider Basel ist kurzfristig kaum realisierbar. Viel zeitgemässer wäre eine Föderation, die von Pratteln aus (hier im Bild von Markus Dalcher) gemeinsame Geschäfte führte: Ein wegweisendes Modell für die ganze Schweiz.

Aber sind die Fusions-Initiativen auch zeitgemäss? Zweifel sind angebracht, speziell mit Blick auf das ökonomisch motivierte Ziel einer gesamtschweizerischen Gebietsreform. Diese läuft mittelfristig auf die Bildung von rund sieben Grosskantonen hinaus. Einer davon wäre der Kanton Nordwestschweiz.

Das Baselbiet ist der erste und bisher einzige Kanton, der sich einen Bezirk eines anderen Standes durch Übertritt einverleiben konnte. Der Wechsel des Laufentals von Bern zu Baselland verlief, nachdem der Entscheid vor 20 Jahren gefällt war, verhältnismässig geschmeidig. Diese Erfahrung ist wertvoll für die Zukunft. Der neue Kanton Nordwestschweiz könnte sich genau auf diesem Weg bilden.

Der erste Schritt wäre, dass die beiden Basel eine Föderation innerhalb der Eidgenossenschaft bilden. Ihren Status als Kantone würden sie beibehalten, jedoch eine zentrale Behörde mit Sitz in Pratteln gründen, welche durch ein gemeinsames Parlament kontrolliert würde. Alle Geschäfte, welche die Kantone einvernehmlich an die Föderation delegierten, würden in Zukunft dort entschieden: Etwa das Bildungswesen, der Öffentliche Verkehr, die Gesundheit, die Polizei. Also vor allem Geschäftsbereiche, die schon heute eine enge Zusammenarbeit kennen.

Selbstverständlich würden nur jene Zuständigkeiten – Schritt für Schritt – an die Föderation abgegeben, bei denen Kosteneinsparungen zu erwarten wären. Die zusätzliche, gemeinsame staatliche Ebene hätte also keine emotionale Komponente, sondern würde nur dazu dienen, die Staatsausgaben tief zu halten und Mittel des Bundes sowie von Privaten effizienter zu mobilisieren.

Besonders reizvoll an diesem System wäre, dass angrenzende Gebiete wie beispielsweise das Fricktal, an den Tätigkeiten der Föderation teilhaben könnten, ohne gleich den Kanton zu wechseln. Der Kanton Aargau müsste bloss die Zuständigkeit und die entsprechenden finanziellen Mittel punktuell an die Nordwestschweizer Föderation abgeben. Und er würde dies tun, wenn er dadurch Geld sparen könnte, ohne die Hoheit über das Fricktal aufgeben zu müssen. Bei den entsprechenden Sachfragen würde sich das Fricktal in der Nordwestschweizer Föderation selbst vertreten.

Dieses dynamische Modell würde bald andernorts kopiert und könnte mit der Zeit zu neuen Konstellationen führen, welche ganz organisch und unverkrampft in eine neue Schweiz der Regionen mündete. Indem Bezirke nach und nach den Wunsch verspürten, die Kantonszugehörigkeit zu ändern – wie das Laufental vor 20 Jahren.

Copy paste ist keine gute Idee

Posted on August 9th, 2012, August 9th, 2012 in Uncategorized.

Das 65. Filmfestival von Locarno erinnert uns einmal mehr daran, dass die Basler Filmförderung seit Jahren nicht vom Fleck kommt. Deshalb spielt der Basler Film am Lago Maggiore auch heuer nur eine kleine Nebenrolle. Dies trotz massiver Präsenz von Swissness. Unter dem Wahrnehmungshorizont der internationalen Szene brodelt allerdings am Rheinknie ein erstaunlich vielfältiges Filmschaffen. Zu behaupten, Basel sei eine Filmstadt, wäre jedoch vermessen.

Am gegenwärtig laufenden 65. Filmfestival von Locarno ist Basel kaum präsent. Dies ist jedoch kein Grund, um die Filmförderung anderer Standorte zu kopieren. Es bietet sich vielmehr die Chance für innovative Ansätze. (Bild: Keystone)

Vielmehr wandern manche audiovisuell talentierte Baslerinnen und Basler nach Zürich, noch öfter nach Berlin oder New York aus, unter anderem weil sie dort bessere Förderbedingungen und Ausbildungsgänge vorzufinden hoffen. Das ist nicht weiter tragisch, denn eine Kulturstadt kann nicht alle Wünsche erfüllen und alle Sparten gleichermassen pflegen.

Umso dringlicher stellt sich die Frage, was die Basler Filmförderung soll. Laut der regionalen Filmwirtschaftsstudie geben die beiden Basel weniger als ein halbes Prozent der gesamtschweizerisch investierten Mittel in diesem Sektor aus. Im Kulturleitbild von Basel-Stadt steht, der Kanton wolle gemeinsam mit Baselland und der Christoph Merian Stiftung «in den nächsten Jahren» ein neues Förder- und Finanzierungsmodell entwickeln. Dieses setzt sich zum Ziel, «vermehrte Mittel für die regionale Filmproduktion einzusetzen».

Regionale Filmförderung geschieht fast überall mit der Absicht, den ortsansässigen Filmschaffenden den Zugang zu anderen staatlichen und privaten Geldern zu erleichtern. Mit Startkapital ist die Chance grösser, dass weitere Co-Produzenten einsteigen. Im Hintergrund hoffen Tourismusindustrie und Standortmarketing, eine ausgewachsene Filmwirtschaft würde ihre Region bekannt machen und vorteilhaft ins Bild setzen.

So wie die Diskussion heute läuft, wird Basel mit verhältnismässig geringen Mitteln das Modell anderer Regionen – zum Beispiel der Zürcher Filmstiftung – kopieren. Innovativer erschiene mir jedoch das Füllen einer kreativen Lücke, die im Fördersystem der Schweiz klafft: Zum Beispiel die Förderung von Schweizer und nicht nur Basler Filmen nach bestimmten, oft vernachlässigten Kriterien. Oder dort einzuspringen, wo anderen, etwa der SRG, der Mut fehlt.

Eine Möglichkeit wäre, Mittel zur Verfügung zu stellen für Autorinnen und Autoren, die experimentell mit Szenarien, aber ohne Drehbuch ans Werk gehen und damit gerade in Locarno schöne Resultate vorweisen können. Oder die Spezialisierung auf dokumentarische Fiktion, also die Mischung zwischen Spiel- und Dokumentarfilm. Das eigene Gärtchen pflegen alle. Eine besondere Ausstrahlung könnte Basel als ein Ort erreichen, wo neue Förderziele ausprobiert werden, die Kunst über Kommerz stellen und dazu beitragen den filmischen Lokalpatriotismus zu überwinden.

Ein Hochhaus fürs Grossbasel

Posted on August 2nd, 2012, August 2nd, 2012 in Uncategorized.

Die Kontroverse um das geplante Parkhaus beim Kunstmuseum hat eine neue Wendung genommen. Jetzt liegt der Plan auf dem Tisch, 300 Parkfelder unter einem Neubau zu platzieren, den die Swisscanto an der Dufourstrasse 9/11 zu errichten gedenkt. Die Akzeptanz ihres Vorhabens testet die Grundeigentümerin gegenwärtig mit einem «generellen Baubegehren».

Es ist ein erklärtes Ziel der Basler Regierung, den Wohnungsbau auf geeigneten Parzellen durch Verdichtung zu fördern. Jetzt bietet sich dafür – direkt bei der Grossbasler Altstadt – eine perfekte Gelegenheit.

Viel interessanter als die Diskussion der Parkhausfrage erscheint mir der Blick auf die oberirdische Struktur. Swisscanto will das Bürohaus aus den 50er-Jahren durch einen Neubau mit Läden, Büros und 26 Wohnungen ersetzen. Dieser Vorschlag trägt dem besonderen städtebaulichen Potenzial der Lage kaum Rechnung. Es ist ein erklärtes Ziel der Basler Regierung, den Wohnungsbau auf geeigneten Parzellen durch Verdichtung zu fördern. Dies gilt ganz besonders für Orte, die durch den öffentlichen Verkehr gut erschlossen sind und nahe an Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Arbeitsplätzen, Freizeiteinrichtungen und anderen städtischen Infrastrukturen liegen.

Da die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner nur kurze Wege zurücklegen müssen, kann zentrales Wohnen die Verkehrsbelastung deutlich reduzieren helfen. Die Innenstadt lässt sich auf diese Weise beleben, und das lokale Gewerbe gewinnt neue Kundinnen und Kunden.

26 Logis sind daher für die Dufourstrasse 9/11 deutlich zu wenige. Es hätten auf diesem Gelände weit über 100 Wohnungen Platz – in einem vielleicht 50 Meter hohen Turm. Diese Höhe würde es erlauben, auf dem Grundstück trotz Verdichtung Raum frei zu halten für einen lauschigen, öffentlichen Kleinpark zum Museumsneubau hin. Zudem ist es nicht egal, was im Erdgeschoss eines Hauses geschieht, das in unmittelbare Nachbarschaft einer Kunststätte von globalem Rang zu stehen kommt. Beispiele für öffentliche Nutzungen an dieser Stelle wären ein Galerienzentrum, Verkaufslokale für die Kreativwirtschaft oder experimentelle Räume.

Doch zurück zum Hochhaus: Dieses würde einen wünschenswerten Akzent in der Silhouette des Grossbasel setzen. Besonders reizvoll wäre der Dialog des neuen Gebäudes mit den Türmen von Münster und Elisabethenkirche, der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, aber auch mit dem 70 Meter aufragenden Lifescience-Forschungszentrum der Universität Basel am anderen Ende der Altstadt, beim Schällemätteli.

Eher früher als später wird auch das Klinikum II des Unispitals ersetzt, dessen Grundstrukturen eine zeitgemässe Renovation kaum mehr zulassen. Auch dieser Neubau wird nicht mehr – wie der heutige – ein klein wenig, sondern deutlich über die Dächer der Altstadt hinausragen. Damit würden neue Orientierungspunkte gesetzt. Und die Turmlandschaft, die gegenwärtig auf der Kleinbasler Rheinseite in den Himmel wächst, erhielte ein ansprechendes Gegenüber.

Velostadt jetzt!

Posted on July 26th, 2012, July 26th, 2012 in Uncategorized.

Das Sommertheater um die Verzögerung der Mietvelostationen in Basel ist nur die Spitze des Eisbergs. Es ist das (vorläufig) letzte Kapitel eines Trauerspiels, das in eine vertane Chance münden könnte.

Basel war, was Veloförderung betrifft, einmal europäische Spitze und fand weltweit Beachtung. Dann begannen uns andere Städte um die Ohren zu radeln. Noch ist die Velostadt aber nicht verloren. (Bild: Keystone)

Es war einmal die Velostadt Basel. Fahrradfahren war schon in den 70er-Jahren populär, selbst unter Regierungsräten und Firmenchefs. Kurz darauf gab es erste Kredite zum Ausbau der Radwege und –spuren. Das Veloparking am Bahnhof SBB – obwohl von Anfang an zu klein geraten – war in seiner Art eine Pioniertat. Käufer von E-Bikes erhielten während über einem Jahrzehnt staatliche Zuschüsse.

Das kommt nicht von ungefähr, hat doch Basel alle erdenklichen Vorteile für Velos: Vorwiegend flaches Gelände, breite Hauptstrassen, mildes, relativ regenarmes Klima und Mitnahmemöglichkeiten von Fahrrädern in Bus und Tram.

Dann begannen andere Städte Basel um die Ohren zu radeln. Sie entdeckten das Velo als Verkehrsträger und bauten die Radwege systematisch aus. An neuralgischen Stellen wurden besondere Sicherheitsvorkehrungen für Fahrräder eingeplant, während in Basel die meisten Velostreifen genau dort enden, wo es für Zweiräder gefährlich wird. Grüne Welle für Velos? In Kopenhagen Alltag, bei uns unbekannt! E-Bike Sharing? In Zürich bald Realität, in Basel ein Fremdwort! Veloverleih? In den Kinderschuhen!

Veloparkfelder wurden in den letzten Jahren höchstens punktuell vermehrt, öfter vergessen und sind heute teilweise hoffnungslos überstellt. Von hindernisfreien Fernverbindungen in die umliegenden Täler träumen wir noch, während andere Städte Langstrecken-Radpendlern mit «Veloautobahnen» den roten Teppich auslegen. Bei Schneefall werden diese Trassen als erste gepflügt. Muss Basel einmal pflügen, liegt der Schneematsch mancherorts tagelang auf den Velostreifen.

Die Gründe für die weltweite Velo-Euphorie sind offensichtlich: Weniger Umweltverschmutzung, gesund bewegte Bevölkerung, Entlastung des individuellen motorisierten und des öffentlichen Verkehrs, bessere Klimabilanz. Und es kommt erst noch billiger, sowohl für den Staat als auch für Firmen und Private.

Als eine global beachtete Erfolgsgeschichte der Stadtplanung und Tourismus-Magnet ist das Thema Velostadt geeignet, wie kein anderes. Sowohl in Paris als auch in Berlin wird jede Fremde sofort darauf aufmerksam gemacht, wie toll das Angebot für Fahrräder sei (in der Realität zeigen sich erste positive Ansätze). Tatsächlich gerechtfertigt ist das Prädikat Velostadt hingegen in Münster (Nordrhein Westfalen) oder Freiburg im Breisgau.

Basel hat noch ein, zwei Jahre, um diesen Zug beziehungsweise dieses Bike nicht zu verpassen. Die Ausgangslage ist immer noch gut, aber die Taten sind zu wenig strategisch, zu punktuell und beanspruchen zu viel Zeit. Es braucht einen Ruck, der durch alle Parteien geht für eine Velostadt Basel jetzt!

Erschreckendes Echo – was tun?

Posted on July 19th, 2012, July 19th, 2012 in Uncategorized.

Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch verkündete vorletzten Samstag in der Live-Unterhaltungssendung «SF bi de Lüt», was sie gerne als Beweis für die Weltoffenheit der Limmatstadt anführt: «In Zürich leben 60% Menschen mit Migrationshintergrund.» Wie kommt das an?

Neben der Integration traditioneller Einwanderer und – neuerdings – von so genannten «Expats», kommt heute die dritte Säule der Integrationspolitik zu kurz: die Bekämpfung von Ausländerfeindlichkeit. ...

Die Zusammensetzung der Basler Bevölkerung ist ähnlich wie jene von Zürich: Ein Drittel Ausländer, ein Drittel Schweizer mit Migrationshintergrund und ein Drittel Schweizer mit Schweizer Vorfahren. Dass der Anteil der ausländischen Bevölkerung in Basel-Stadt soeben die Marke von einem Drittel erreicht hat, bildete den Hintergrund meiner Kolumne von letzter Woche. Auf dem Blog www.unserekleinestadt.ch löste diese Tatsache neben sachlichen Reaktionen auch erschreckende Tiraden gegen Einwanderer aus.

«Franz Müller» beispielsweise, erinnert sich zuerst an «früher»: «Bunt gemischt hatte es Italiener, etwas Spanier und Jugos, das war’s dann auch schon. Die fielen weder auf noch ab, fast alles ruhige Bürger, die alle brav schafften. Heute? Du meine Güte, so viel Littering allenthalben, farbige Männer, die auch tagsüber herumlungern, was machen die bloss, von was leben die denn?» Selbst wenn sich hinter dem Namen «Franz Müller» ein anonym schreibender Provokateur verbergen sollte: Es ist unbestreitbar, dass so geredet wird.

Ein «Alfred Brand» bringt subjektiv wahrgenommene, negative Entwicklungen in Verbindung mit Ausländern. Die Beweise für die suggerierten Zusammenhänge bleibt er schuldig: «Wenn ich früher am Wochenende um 02.00 Uhr den Bierkeller verlassen habe, konnte ich zu Fuss völlig unbehelligt nach Kleinhüningen gehen. Überfälle? Die gab es damals nicht (oder nur ganz selten), so einfach ist das! Der einzige «Hotspot» war schon damals der Schützenmattpark.»

...Dazu gehört, die Frustrationen und Ängste der Ausländerfeinde ernst zu nehmen. (Bilder: Plakate der Antirassismuskampagne von gra.ch)

«Matthias Bosshard» fühlt sich als Basler isoliert: «Es reden immer alle von Integration, in Wirklichkeit sollen wir uns mittlerweile anpassen.» Manche andere Blog-Beiträge konnten aus Anstand nicht einmal freigeschaltet werden.

Was tun? Verschweigen ist bestimmt die falsche Strategie. Es reicht auch nicht, wie Corine Mauch den Spiess umzudrehen und die Dominanz der Menschen mit Migrationshintergrund als Qualitätssiegel oder Erfolgsfaktor anzupreisen.

In aller Munde ist die Integration traditioneller Einwanderer und – neuerdings – von so genannten «Expats». Die dritte Säule der Integrationspolitik kommt hingegen zu kurz: Die Bekämpfung von Ausländerfeindlichkeit. Dazu gehört, die Frustrationen und Ängste der Ausländerfeinde ernst zu nehmen. Als wirksamstes Mittel gegen Xenophobie identifizierte der Genfer Migrationsforscher Prof. Sandro Cattacin die persönliche Begegnung zwischen Bevölkerungsgruppen aus unterschiedlichen Nationen. Finden diese die nötige Unterstützung?

Massenbewegung mit Umzugswagen

Posted on July 12th, 2012, July 12th, 2012 in Uncategorized.

Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg erreicht Basel-Stadt, laut soeben veröffentlichten, neuste Zahlen, einen Ausländeranteil von über einem Drittel, genau 33,8%. Dieser Wert stieg seit Jahren kontinuierlich an. Denn es zogen mehr Ausländer zu als weg und mehr Schweizer weg als zu. Ausserdem sterben viel mehr Eingeborene, weil sie im Durchschnitt deutlich älter sind. Manche von ihnen kamen als Ausländer nach Basel und sterben als Schweizer.

45 000 Menschen zügeln jährlich innerhalb Basel-Stadt oder über die Kantonsgrenze. Während Jahren zogen mehr Ausländer zu als weg und mehr Schweizer weg als zu. Deshalb ist jetzt jeder dritte Basler Ausländer. Ein Meilenstein, der zu denken gibt. (Bild: Matthias Willi)

In einer wichtigen Altersgruppe stellen die Ausländerinnen und Ausländer in Basel-Stadt gar die Mehrheit, und zwar bei den 30- bis 40-jährigen. In dieser Lebensphase bekommen viele Paare das erste und das zweite Kind. Dennoch leben in Basel-Stadt deutlich mehr Schweizer Kinder als Ausländerkinder.

Offenbar sind viele Ausländer in erster Linie zum Arbeiten hier. Oder sie ziehen weg, sobald sie eine Familie gründen. Diese Annahmen werden durch eine weitere Zahl erhärtet: Ab Alter 50 schrumpft der Ausländeranteil drastisch. Es liegt nahe, dass hier Einbürgerungen und Abwanderung eine wichtige Rolle spielen.

Basel dient offenbar nach wie vor als Motor für sozialen Aufstieg. Einmal etabliert, bewerben sich viele Ausländerinnen und Ausländer um den Schweizer Pass. Doch es gibt auch eine harte Selektion: Wer nicht reüssiert, zieht rasch weiter. Davon leben die Umzugsfirmen nicht übel. In den letzten zwölf Monaten beispielswiese, verliessen laut Statistischem Amt rund 13 000 Menschen den Kanton. 14 000 zogen in der gleichen Periode zu. Das ist schon fast eine Massenbewegung. Dazu kommen noch gegen 18 000, die innerhalb des Kantons zügelten. Zusammen sind das 45 000, die eine neue Wohnung suchten, fanden und bezogen. Dies entspricht beinahe der ganzen Kleinbasler Bevölkerung – in einem einzigen Jahr!

Bei Domizilwechseln innerhalb des Kantons waren zwar überproportional viele Ausländer beteiligt, aber die Mehrzahl waren Schweizer. Beim Wegzug über die Kantonsgrenze hinweg, ist die Zahl der Ausländer deutlich höher als jene der Schweizer, obwohl die Ausländer nur einen Drittel der hiesigen Bevölkerung ausmachen. Das heisst: Ausländer ziehen nicht nur fleissig nach Basel, sondern im Vergleich zu den Schweizern etwa drei Mal so häufig wieder weg.

Die nackte Zahl – wir haben jetzt ein Drittel Ausländer – sagt also wenig aus. Es gibt Ausländer, die rasch wieder das Weite suchen und andere, die bleiben. Viele sind hier schon lange etabliert. Ihr Blickwinkel ist wertvoll: Weil sie sich aktiv um Basel bemüht haben, kennen sie den Kanton von einer anderen Seite als Alteingesessene. Diese Ausländer sollten wir ermutigen, Schweizer zu werden. Zum Beispiel, indem sie Gelegenheit bekommen, bereits fünf Jahre vor dem regulären Einbürgerungsdatum mindestens kantonal das Stimm- und Wahlrecht auszuüben.

Einfach leben

Posted on July 5th, 2012, July 5th, 2012 in Uncategorized.

Der Sommer ist die Zeit des leichten Seins. Vieles, das wir haben, ist aus dem Auge, aus dem Sinn: Mäntel, Handschuhe, Skis, Schneeschaufeln, Heizungen, Konserven, Glühwein – Ballast. Aber nötig sind die warmen Sachen und deshalb sorgfältig verstaut. Denn – ob wir’s wahr haben wollen, oder nicht – der Winter kommt wieder. Ein gutes Leben sorgt vor. Sonst beschleicht uns die Angst vor der Zukunft.

Wenn Geist über Geld steht, sind die Voraussetzungen gut, dass wir Ideen, Initiativen und Lebensformen entwickeln, die zukunftsfähig sind. Basel hat die ideale Grösse, um das Leben zu vereinfachen. (Bild: Keystone)

Ob Sommers oder Winters, wir brauchen Dinge. Und da alle Menschen aus dem gleichen Holz geschnitzt sind, ist ihr materieller Bedarf auch ähnlich, könnte man meinen. Stimmt so nicht: Es gibt beispielsweise Leute mit zwei grossen Autos und solche ohne. Manche haben das Gefühl, sie müssten jährlich einmal das Meer sehen – andere kommen nicht ohne Berge aus. Er trägt immer blau, aber nie orange – sie hält es umgekehrt. Es gibt Abba-Aficionados und Beethoven-Bewunderer, und aus diesem Grund DRS1, DRS2 und viele weitere Sender mehr. Wir leben in einer Gesellschaft mit vielfältigen Bedürfnissen und Wahlmöglichkeiten.

Was nach einer banalen Aufzählung tönt, trifft den Kern der Debatte, die wir gerade am Weltrettungsgipfel Rio+20 erlebt haben. Die armen Länder sagten: «Unsere Bevölkerung hat viele Bedürfnisse und wenige Wahlmöglichkeiten. Wir wollen die Ausweitung unserer Optionen nicht bremsen, nur weil es der Umwelt schlecht geht. Zuerst sollen die reichen Länder ihre Wahlfreiheit einschränken, dann folgen wir ihnen.» Das lehnen die Politiker der reichen Länder ab, da sie sonst abgewählt würden. Als Alternative bieten sie die «grüne Wirtschaft» an: In einer effizienten Güterproduktion sowie in einem sparsamen Ressourcenverbrauch sehen sie den Ausweg.

Wohin geht die Reise? Erstens müssen wir anerkennen, dass es unterschiedliche Bedürfnisse gibt. Nicht alle brauchen gleich viel. Aber generell ist es wohl weise, sich auf weniger einzustellen, vor allem auf einen tieferen Material- und Energieverbrauch. Worauf sollen wir verzichten? Die Kunst besteht darin, mehr immaterielle Wahlmöglichkeiten zu schaffen und diesen den gleichen Wert beizumessen wie dem Dinglichen.

Hier liegt Basels Zukunft. Unsere Stadt hat alle Möglichkeiten und das intellektuelle Potenzial zum Lebensgenuss mit weniger Geld und Material. Das pietistisch-protestantische Erbe Basels begünstigt das Sparen. Unsere humanistische Tradition inspiriert uns zum sozialen Ausgleich, aber auch zur Freude an der Debatte, an Kunst und Wissenschaft. Konsum und materieller Besitz stehen als Statussymbole seltener als anderswo im Vordergrund.

Wenn Geist über Geld steht, sind die Voraussetzungen gut, dass wir Ideen, Initiativen und Lebensformen entwickeln, die zukunftsfähig sind und den gordischen Knoten von Rio+20 durchtrennen helfen. Basel ist eine Stadt der kurzen Wege. Abwechslung ist leicht, auch dank der Grenznähe. Das Kulturleben und die Bibliotheken, der öffentliche Verkehr und die Spielplätze sind von hoher Qualität. Wo denn, als hier, lässt’s sich einfacher leben?

Mehr als wohnen

Posted on June 28th, 2012, June 28th, 2012 in Uncategorized.

Im September will der Basler Regierungsrat dem Parlament das neue Wohnraumförderungsgesetz vorlegen. Es ist der erste Anlauf der Politik seit 1999, die Bevölkerungsentwicklung über Wohnungsbau zu steuern. Damals peilte das Aktionsprogramm der Werkstadt Basel die Realisierung von «5000 neuen Wohnungen in zehn Jahren» an. Während die Bevölkerungszahl im Stadtkanton zuvor während eines viertel Jahrhunderts gesunken war, begann sie bald darauf wieder zu steigen.

Im begrenzten Raum von Basel-Stadt ist die Stabilisierung oder gar ein Wachstum der Einwohnerzahl eine Frage der Dichte: Menschen müssen Vorteile darin sehen, in kleineren Wohnungen zu leben. Die Lösung liegt im Quartier. (Bild: Pino Covino)

Vieles deutet darauf hin, dass sich die Bewegung «Zurück in die Stadt!» in Zukunft noch weiter verstärken wird. Der Leerwohnungsbestand Basels nimmt ab und touchiert schon den Grenzwert zur Wohnungsnot. Folgerichtig legt die Wohnraumstrategie des Basler Regierungsrates, auf die sich das anstehende Wohnraumförderungsgesetz stützt, den Schwerpunkt auf die Bereitstellung von Wohnungen. Überdies setzt sie auf sogenannte «Subjekthilfe» für Menschen, die sich die marktgängigen Mieten nicht leisten können.

Doch die Wohnungsfrage stellt sich heute weit komplexer dar: Die ökologisch, sozial und wirtschaftlich erwünschte Verdichtung der Besiedlung ist nur möglich, wenn die Wohnraumförderung das Wohnumfeld mit berücksichtigt und beeinflusst.

Ausschlaggebend für die Wohnortwahl in der Stadt waren früher die Zentralität und ein ruhiges Schlafzimmer. Heute sind die Ansprüche differenzierter, je nach Lebenslage: Gibt es in der Nähe eine gute Kinderkrippe? Kann man in diesem Quartier vielfältig einkaufen? Hat es coole Restaurants? Sind die Verkehrswege sicher, speziell für velofahrende Kinder auf dem Schulweg? Wie gut durchmischt sind die Schulklassen im Stadtteil? Gibt es Quartierstrukturen, welche Gemeinschaft begünstigen, zum Beispiel eine Badi, Kultureinrichtungen, Bibliotheken, Parks und Strände mit Grillstellen, Spielplätze, öffentliche Gärten, einen Polizeiposten, eine Post? Hat es Mobility-Standorte fürs Autoteilen, Fahrradabstellplätze, Spitex, Spital und Altersheime? Kann ich in der Nähe meiner Familie und Freunde wohnen?

Wie diese Beispiele zeigen, ist die Gleichung der dichten Stadt so komplex, dass sie sich nur als Querschnittsaufgabe aller Departemente und in Zusammenarbeit mit Investoren lösen lässt.

Im begrenzten Territorium von Basel-Stadt ist die Stabilisierung oder gar ein Wachstum der Einwohnerzahl eine Frage der Dichte: Menschen müssen Vorteile darin sehen, in kleineren Wohnungen zu leben. Voraussetzung dafür sind gute öffentliche und private Einrichtungen, dank denen sich Gross und Klein auch ausserhalb der eigenen vier Wände zu Hause fühlt. Ein Wohnraumförderungsgesetz kann daher seine Ziele nur erreichen, wenn es private Investoren und Genossenschaften belohnt, die das Quartierleben und ökologisches Verhalten fördern. Etwa indem sie in ihrer (bestehenden oder neuen) Siedlung auch den Raum und die Einrichtungen dafür schaffen.

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